Samstag, April 20, 2024

Cyclohexylgriselimycin gegen resistente Erreger

Das Molekül Cyclohexylgriselimycin ist eine neue Variante einer seit längerem bekannten Klasse von Naturstoffen, der sogenannten Griselimycine.

Tuberkulose (TB) ist eine der zehn häufigsten Todesursachen weltweit. Nach jüngsten Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO erkrankten im Jahr 2015 10,4 Millionen Menschen an der Lungeninfektion, 1,8 Millionen starben daran. Besonders problematisch: Der TB-Erreger Mycobacterium tuberculosis wird zunehmend widerstandsfähiger gegen gängige Antibiotika. Rund 480.000 Menschen leiden mittlerweile unter einer Infektion mit mehrfach resistenten TB-Erregern, der „Multidrug-resistant TB“ (MDR-TB). Solche Bakterien lassen sich mit den üblicherweise in der Klinik eingesetzten Medikamenten kaum mehr bekämpfen. „Neuartige Wirkstoffe gegen TB werden daher für die Zukunft dringend gebraucht“, erklärt Naturstoffforscher Prof. Rolf Müller. Einen solchen Wirkstoff haben Müller und seine Forscher-Kollegen vom HZI, der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore und Sanofi vor kurzem beschrieben. Das Molekül namens Cyclohexylgriselimycin ist eine neue Variante einer seit längerem bekannten Klasse von Naturstoffen, der Griselimycine.

Resistente Bakterien mit Cyclohexylgriselimycin bekämpfen

Griselimycine werden von einer anderen Bakterien-Art, den Streptomyceten, hergestellt und wirken gegen den TB-Erreger. Das im Labor optimierte Cyclohexylgriselimycin zeigt dabei besonders interessante Eigenschaften. Indem es ein Biomolekül namens DnaN blockiert, das die Erreger zur Vervielfältigung ihrer Erbsubstanz benötigen, hemmt es das Wachstum der TB-Keime. „Der neuartige Wirkmechanismus sorgt dafür, dass man auch resistente Bakterien mit Cyclohexylgriselimycin bekämpfen kann“, sagt Müller. Gegen den neuen Wirkstoff selbst können die Erreger dagegen nur schwer Resistenzen entwickeln. „Nebenwirkungen beim Menschen erscheinen bislang wenig wahrscheinlich“, erklärt Müller.

Ob das Cyclohexylgriselimycin oder eine Variante davon als Medikament für den klinischen Einsatz geeignet ist, werden künftige Studien zeigen müssen. Für die Entdeckung der Substanz und ihrer vielversprechenden Eigenschaften wurde Müller jetzt von der PHOENIX group mit dem PHOENIX Pharmazie Wissenschaftspreis 2016 geehrt. Diese Auszeichnung wird jährlich in vier verschiedenen Kategorien verliehen und ist mit jeweils 10.000 Euro dotiert. Sie ehrt seit fast 20 Jahren die besten wissenschaftlichen Arbeiten der pharmazeutischen Grundlagenforschung im deutschsprachigen Raum und gilt als einer der bedeutendsten Pharmaziepreise in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Der Naturstoffforscher Prof. Rolf Müller ist mit dem PHOENIX Pharmazie Wissenschaftspreis 2016 ausgezeichnet worden. Müller leitet das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), den Saarbrücker Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI). Die Ehrung der PHOENIX group erhält er für die Entdeckung und Erforschung eines neuartigen Wirkstoffes gegen den Erreger der Tuberkulose. Der Preis wurde am 20. Oktober in Frankfurt verliehen.

Der Preisträger

Rolf Müller ist seit 2003 als Professor für Pharmazeutische Biotechnologie an der Universität des Saarlandes tätig. Er erforscht biologisch aktive Wirkstoffe aus Mikroorganismen, insbesondere aus Myxobakterien. Die daraus gewonnenen Naturstoffe sind eine bedeutende Quelle für Leitsubstanzen zur Entwicklung von Therapeutika in der pharmazeutischen Industrie. Seit 2009 ist Rolf Müller Geschäftsführender Direktor des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS). Er leitet dort die Abteilung „Mikrobielle Naturstoffe“ und ist darüber hinaus Mitgründer der PharmBioTec GmbH in Saarbrücken.

Für seine Forschungsarbeit wurde Müller bereits zweimal mit dem PHOENIX Pharmazie Wissenschaftspreis ausgezeichnet (2001, 2007). Er erhielt den DECHEMA Nachwuchswissenschaftler-Preis für Naturstoff-Forschung (2002), den BioFuture-Preis des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (2003) sowie den DECHEMA-Preis der Max-Buchner-Forschungsstiftung (2010) und wurde mit der David Gottlieb Memorial Lecture der University of Illinois geehrt (2016). Im Jahr 2012 wurde Rolf Müller in die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften acatech gewählt. Seit 2016 ist er Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

Originalpublikation: Targeting DnaN for tuberculosis therapy using novel griselimycins. Kling et al., Science 348, 6239 (2015), 1106–1112. DOI: 10.1126/science.aaa4690

Quelle: https://www.helmholtz-hzi.de/de/aktuelles/news/ansicht/article/complete/
phoenix_pharmazie_wissenschaftspreis_fuer_rolf_mueller/

Der PHOENIX Pharmazie Wissenschaftspreis

Der PHOENIX Pharmazie Wissenschaftspreis wird jährlich vom Pharmazie-Großhändler PHOENIX group verliehen. Ziel der Auszeichnung ist es, das Augenmerk der Fachöffentlichkeit auf die pharmazeutischen Innovationspotenziale in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu lenken. PHOENIX prämiert vier Forschungsarbeiten in den Kategorien Pharmakologie und Klinische Pharmazie, Pharmazeutische Biologie, Pharmazeutische Chemie und Pharmazeutische Technologie. Der mit insgesamt 40.000 Euro dotierte Award zählt zu den renommiertesten Wissenschaftspreisen im deutschsprachigen Raum. Die Verleihung des 20. PHOENIX Wissenschaftspreises fand am 20. Oktober 2016 in Frankfurt am Main statt.

HZI und HIPS

Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), das seinen Hauptsitz in Braunschweig hat, untersuchen Wissenschaftler die Mechanismen von Infektionen und ihrer Abwehr. Was Bakterien oder Viren zu Krankheitserregern macht: Das zu verstehen soll den Schlüssel zur Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe liefern. www.helmholtz-hzi.de

Das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) in Saarbrücken wurde im Jahr 2009 vom HZI und der Universität des Saarlandes gemeinsam gegründet. Die Forscher suchen hier insbesondere nach neuen Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten, optimieren diese für die Anwendung am Menschen und erforschen, wie diese am besten zu ihrem Wirkort im menschlichen Körper transportiert werden können. Weitere Informationen unter: www.helmholtz-hzi.de/hips

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