Im Labor wirkt das Medikament Fluoxetin gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, allerdings muss die Wirkung im Covid-19-Erkrankten bestätigt werden.
Unter dem Strich arbeiten in der Corona-Pandemie weltweit Wissenschaftler mit Hochdruck an der Erforschung verfügbarer Wirkstoffe gegen das Coronavirus SARS-Cov-2, wobei das gängige antidepressive Medikament Fluoxetin gegen Depressionen möglicherweise auch als Mittel zur Behandlung von Covid-19 eine positive Wirkung bringen könnte. Jedenfalls ließ dies bereits eine rezente Studie von Würzburger Wissenschaftlern im Juni 2020 vermuten.
Fluoxetin gegen Covid-19 unter der Lupe
Seit mehr als vier Jahrzehnten wird der Wirkstoff Fluoxetin beim Menschen zur Behandlung von Depressionen und weiteren psychischen Erkrankungen eingesetzt. Jetzt könnte das Medikament auch im Kampf gegen Covid-19 zum Einsatz kommen. Wie eine Studie von Virologen und Chemikern der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) zeigt, hemmt Fluoxetin die Vermehrung der Viren vom Typ SARS-CoV-2 deutlich. Nach Ansicht der Wissenschaftler bietet es sich deshalb vor allem zur frühen Behandlung von infizierten Patienten an, die einer der bekannten Risikogruppen angehören.
Verantwortlich für die Studie sind Professor Jochen Bodem und sein Team vom Institut für Virologie und Immunbiologie der JMU; unterstützt wurden sie von Professor Jürgen Seibel vom Institut für Organische Chemie. Die Ergebnisse ihrer Arbeit haben die Wissenschaftler jetzt auf dem Preprint-Server bioRxiv veröffentlicht.
Fluoxetin zeigte Wirkung gegen SARS-COV-2
Bei der Behandlung schwer erkrankter Covid-19-Patienten ist Remdesivir aktuell das einzige Medikament, dass den Krankheitsverlauf auch großflächig eingesetzt einigermaßen positiv beeinflussen kann.
Weitere, im Idealfall noch besser wirksame neue Substanzen, sind deshalb dringend gesucht. Wobei das Problem dabei ist, dass vor dem Einsatz neuer Wirkstoffe beim Patienten diese diverse Stufen klinischer Studien durchlaufen müssen. Allerdings ist das sehr zeitaufwändig.
Weil diese Zeit fehlt, wählen viele Forscher, auch die Würzburger Wissenschaftler, einen alternativen Weg: „Wir haben uns in unseren Untersuchungen auf bereits zugelassene Medikamente konzentriert und erforscht, ob diese sich als wirksame Inhibitoren von SARS-CoV-2 eignen“, erklärt Jochen Bodem.
Hierzu standen auch Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) standen im Mittelpunkt einer der Studien. SSRI bilden eine der bedeutendsten Wirkstoffgruppen gegen Depressionen und weitere psychische Erkrankungen. Fluoxetin beispielsweise wurde in den 1970-Jahren in Kliniken eingeführt und ist ein sehr gut erforschtes Medikament.
Im Labor haben die Wissenschaftler nun menschliche Zellen mit Fluoxetin in Kontakt gebracht in Konzentrationen, die üblicherweise bei der Therapie von Depressionen erreicht werden. Anschließend wurden die Zellen mit SARS-CoV-2 infiziert. Nach einigen Tagen wurde die Auswirkung auf das Virus kontrolliert. Die Ergebnisse sind vielversprechend: „Fluoxetin hemmt SARS-CoV-2 bereits in einer sehr geringen Konzentration“, sagt Bodem.
Eingriff in die Proteinexpression
Verantwortlich dafür scheint allerdings nicht die eigentliche Aufgabe von Fluoxetin zu sein – der Eingriff in den Serotin-Wiederaufnahme-Prozess. Dafür spricht unter anderem die Tatsache, dass in der Studie andere Medikamente aus der Gruppe der SSRI wie Paroxetin und Escitalopram die Vermehrung von SARS-CoV-2 nicht behinderten. Die antivirale Wirkung hängt also nicht mit dem Serotonin-Wiederaufnahme-Rezeptor zusammenhängt.
Stattdessen hemmt Fluoxetin die Proteinexpression in dem Virus, wie Untersuchungen mit Immunfluoreszenz an einem vom Patienten gewonnenen Antiserum zeigten. Es hindert damit das Virus daran, die Bausteine zu bilden, die es für seine Vermehrung in der menschlichen Zelle benötigt.
Die Studie zeigte ebenfalls, dass Fluoxetin sehr speziell gegen Viren vom Typ SARS-CoV-2 Wirkung zeigt. Bei anderen Viren, wie etwa dem Tollwutvirus, dem Humanen Respiratorischen Synzytial-Virus, dem humanen Herpesvirus 8 oder dem Herpes-simplex-Virus Typ 1, konnten die Wissenschaftler keine Effekte beobachten. „Es spricht also alles dafür, dass Fluoxetin virusspezifisch wirkt“, so der Virologe. Dennoch muss man die Wirkung von Fluoxetin erst noch im Covid-19-Erkrankten bestätigen.
Alt bewährt
Seit mehr als 40 Jahren im klinischen Einsatz, gut erforscht. Dementsprechend ist das Patent längst abgelaufen und Medikamente mit dem Wirkstoff günstig erhältlich. Aus Sicht der Wissenschaftler spricht danach vieles dafür, Fluoxetin bei der frühen Behandlung von SARS-CoV-2-infizierten Patienten in Heilversuchen und Studien einzusetzen. Schließlich auch deswegen, weil bekannt ist, dass Fluoxetin die Zytokin-Ausschüttung stark vermindert und somit einen zusätzlichen Nutzen für Erkrankte hätte.
Nun haben auchWissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Zentrums für Molekularbiologie der Entzündung (ZMBE) der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) eine dementsprechende Studie zu Fluoxetin und Covid 19 veröffentlicht. Die Ergebnisse ergaben, dass Fluoxetin sowohl die Aufnahme von SARS-CoV-2 Viren in die Zellkultur als auch ihre Weiterverbreitung hemmen konnte, ohne dabei Zellen oder Gewebe zu beschädigen.
Literatur:
Melissa Zimniak, Luisa Kirschner, Helen Hilpert, Juergen Seibel, Jochen Bodem. The serotonin reuptake inhibitor Fluoxetine inhibits SARS-CoV-2. doi: 10.1101/2020.06.14.150490. Posted June 14, 2020. https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2020.06.14.150490v1 (Peer-Review-Prozess)