Freitag, April 26, 2024

Corona-Erkrankung Covid-19 als mögliche Ursache für anhaltende Kopfschmerzen

Schmerzforschende identifizieren die Corona-Erkrankung Covid-19 als eine mögliche Ursache für anhaltende Kopfschmerzen.

Im Grunde genommen zählen Kopfschmerzen zu den frühesten und häufigsten Symptomen einer Covid-19-Erkrankung. Und sie zählen auch zu denjenigen Beschwerden, die noch Wochen oder gar Monate nach dem Abklingen der akuten Infektion bestehen bleiben können. Ob die Corona-Erkrankung Covid-19 eine mögliche Ursache für anhaltende Kopfschmerzen ist und wie es zu dieser Chronifizierung von Schmerzen kommt, ist eine der Fragen, denen sich die schmerzmedizinische Forschung in der Covid-19-Pandemie widmet.

 

Corona-Pandemie bezogene Themen in der Schmerzforschung

Eine der Corona-Pandemie bezogene Themen ist die Frage, wie Betreuung und Symptomkontrolle von Schmerzpatientinnen und -patienten sich während der Lockdown-Phasen entwickelt haben. Weiter welche Spätfolgen die Intensivbehandlung von Covid-19-Patienteninnen und -Patienten auch im Hinblick auf Schmerzen nach sich zieht.

„Die Covid-19-Pandemie hat auf mehreren Ebenen Auswirkungen auf Schmerzen beziehungsweise auf die Behandlung von Schmerzpatienten“, sagt Professor Dr. med. Winfried Meißner, Leiter der Sektion Schmerztherapie in der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Jena und Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft.

 

Corona-Erkrankung Covid-19 als Ursache für neu entwickelte anhaltende Kopfschmerzen

Neben den akuten Schmerzen, die als direkte Krankheitsfolge auftreten, ist das bei einem Teil der Patientinnen und Patienten auch Ursache für langanhaltende Beschwerden wie Kopfschmerzen, die durch die Krankheit selbst oder durch die intensivmedizinische Behandlung verursacht werden. „Diese Phänomene sind zwar inzwischen gut beschrieben und zahlenmäßig erfasst. Die Mechanismen, auf denen sie beruhen, sind jedoch noch weitgehend unklar“, sagt Professor Dr. med. Andreas Straube, Oberarzt an der Neurologischen Klinik und Poliklinik der LMU München.

Der Kopfschmerzexperte verweist dabei auf Studien, die zeigen, dass Betroffene, die schon vorher an einem primären Kopfschmerz, meist Migräne, erkrankt waren, nach einer Sars-CoV2-Infektion über eine Verstärkung dieser Kopfschmerzen berichten. Bei anderen Patienten war die Corona-Erkrankung Covid-19 jedoch eine mögliche Ursache für neu entwickelte, bislang nicht bekannte, anhaltende Kopfschmerzen.

 

Für die akuten Schmerzen könnten sowohl neuropathische, also auf einer Schädigung oder Fehlfunktion von Nerven beruhende, als auch entzündliche Mechanismen verantwortlich sein.

Bei den chronischen Formen wird in neueren Forschungsarbeiten eine Beteiligung des so genannten Inflammasoms diskutiert. „Dabei handelt es sich um einen Eiweißkomplex, der sich innerhalb von Zellen befindet und als Reaktion auf Krankheitserreger oder zellulären Stress aktiviert wird“, erläutert Straube.

Als Teil der angeborenen Immunabwehr ist das Inflammasom in der Lage, die Freisetzung von Entzündungsbotenstoffen zu veranlassen – ein Mechanismus, der möglicherweise nicht nur bei der Entstehung von langanhaltenden Kopfschmerzen nach Covid-19 eine Rolle spielt, sondern auch bei der Chronifizierung von primären – also ohne erkennbare Ursache auftretenden – Kopfschmerzen wie der Migräne.

„Es spricht einiges dafür, dass diese Kopfschmerzformen auf dieselben Mechanismen zurückzuführen sind“, sagt Straube und äußert die Hoffnung, dass sich aus der Erforschung Covid-bedingter Kopfschmerzen neue Behandlungsansätze ergeben, die dann auch Menschen mit den bisher nur schlecht therapierbaren primären Kopfschmerzen zugutekommen.

 

Critical illness neuropathy/myopathy (CINM): Ursache für langanhaltende Schmerzen, Kopfschmerzen, aber auch Muskelschwäche nach der intensivmedizinischen Therapie

Langanhaltende Schmerzen und Muskelschwäche können auch als Folge der intensivmedizinischen Behandlung auftreten – ein Phänomen, das im Englischen als Critical illness neuropathy/myopathy (CINM) bezeichnet wird und auf die Schädigung und Fehlfunktion einzelner Nerven zurückgeht. „Die CINM ist in der Intensivmedizin lange bekannt“, sagt Schmerzgesellschaftspräsident Meißner. Die Beschwerden seien jedoch bei Covid-19-Betroffenen deutlich häufiger als bei anderen Patientengruppen. In einer schwedischen Studie war mindestens jeder sechste Covid-19-Patient, der aus intensivmedizinischer Betreuung entlassen worden war, von einem CINM betroffen – mit teils stark einschränkenden Folgen.

 

Keine generelle Zunahme von Beschwerden bei Schmerzpatienten

Auf dem Schmerzkongress werden neben den direkten auch die indirekten Auswirkungen der Pandemie auf Schmerzpatienten diskutiert. „Durch die Kontaktbeschränkungen war der Zugang zu Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten vorübergehend begrenzt“, sagt Meißner. Davon seien hauptsächlich Menschen mit neu aufgetretenen Schmerzen betroffen gewesen, die länger auf Diagnose und Behandlungsbeginn warten mussten. „Wir merken das noch heute an den verlängerten Wartelisten in den Schmerzambulanzen.“

Bereits in Behandlung befindliche Schmerzpatientinnen und Schmerzpatienten hätten diese Auswirkungen dagegen weniger zu spüren bekommen, wie Studien zeigten. Eine generelle Zunahme von Beschwerden sei hier nicht zu beobachten gewesen. In Einzelfällen hätten Schmerzpatientinnen und -patienten sogar von einer positiven Stressreduktion berichtet. Denn die Corona-Pandemie bedingten Einschränkungen seien ihrer verminderten Mobilität und Aktivität entgegengekommen.


Literatur:

Caronna E, Ballvé A, Llauradó A, Gallardo VJ, Ariton DM, Lallana S, López Maza S, Olivé Gadea M, Quibus L, Restrepo JL, Rodrigo-Gisbert M, Vilaseca A, Hernandez Gonzalez M, Martinez Gallo M, Alpuente A, Torres-Ferrus M, Pujol Borrell R, Alvarez-Sabin J, Pozo-Rosich P. Headache: A striking prodromal and persistent symptom, predictive of COVID-19 clinical evolution. Cephalalgia. 2020 Nov;40(13):1410-1421. doi: 10.1177/0333102420965157. PMID: 33146036; PMCID: PMC7645597.

Frithiof R, Rostami E, Kumlien E, Virhammar J, Fällmar D, Hultström M, Lipcsey M, Ashton N, Blennow K, Zetterberg H, Punga AR. Critical illness polyneuropathy, myopathy and neuronal biomarkers in COVID-19 patients: A prospective study. Clin Neurophysiol. 2021 Jul;132(7):1733-1740. doi: 10.1016/j.clinph.2021.03.016. Epub 2021 Apr 1. PMID: 33875374; PMCID: PMC8012169.

Kersebaum D, Fabig SC, Sendel M, Sachau J, Lassen J, Rehm S, Hüllemann P, Baron R, Gierthmühlen J. The early influence of COVID-19 pandemic-associated restrictions on pain, mood, and everyday life of patients with painful polyneuropathy. Pain Rep. 2020 Oct 14;5(6):e858. doi: 10.1097/PR9.0000000000000858. PMID: 33134753; PMCID: PMC7566868.


Quelle:

Deutscher Schmerzkongress 2021, Jahrestagung der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) e.V., Oktober 2021 digital und hybrid in Mannheim

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