Sonntag, März 17, 2024

Koffein zeigt schützende Wirkung auf Nervenzellen bei Parkinson

Wissenschaftler fanden im Parkinson Modell neue Belege für eine schützende Wirkung von Koffein und Coffein-ähnlichen Substanzen auf die Nervenzellen.

Im Grunde genommen gab es in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Studien zur potenziellen Rolle von Koffein bei der Behandlung verschiedener neurologischer, neurodegenerativer Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer. Schließlich legen die meisten Ergebnisse nahe, dass Koffein starke antioxidative, entzündliche und antiapoptotische Wirkungen gegen verschiedene neurodegenerative Erkrankungen, einschließlich Parkinson und Alzheimer hervorruft. Denn Koffein zeigt starke antagonistische Wirkungen gegen den Adenosin-A2A-Rezeptor, der ein Mikroglia-Rezeptor ist. Zudem entfaltet es starke agonistische Wirkungen gegen den kernbezogenen Faktor 2 (Nrf-2), wodurch die zelluläre Homöostase im Gehirn reguliert wird, indem oxidativer Stress reduziert wird.

 

Schutz von Nervenzellen

Wissenschaftler des Göttinger Exzellenzclusters und des DFG-Forschungszentrums für Mikroskopie im Nanometerbereich und Molekularphysiologie des Gehirns (CNMPB) der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) konnten unlängst in Kooperation mit Kollegen vom Institut für Molekulare Medizin (IMM) in Lissabon zeigen, dass Koffein und Coffein-ähnliche Substanzen eine schützende Wirkung auf Nervenzellen im Parkinson Modell haben. Die Erkenntnisse der Forscher eröffnen neue Einblicke in die grundlegenden Mechanismen der Parkinson Erkrankung, insbesondere derjenigen Mechanismen die mit der Entwicklung von Erinnerungs- und kognitiven Defiziten in Verbindung stehen.

Besonders charakteristisch für die Parkinson Krankheit ist die pathologische Ansammlung von Aggregaten des alpha-Synuklein Proteins (α-Synuklein) in Nervenzellen im Gehirn. Diese als Lewy-Körperchen bezeichneten Ablagerungen gehen aus kleineren Vorstufen, den α-Synuklein-Oligomeren, hervor, die stark toxisch auf Nervenzellen wirken.

Links: α-Synuklein-Ansammlungen (grün) in menschlichen Zellen sind toxisch und führen zum Zelltod (rote Punkte). Rechts: Die durch Zugabe von Coffein ausgelöste Blockierung von Adenosin A2A Rezeptoren reduziert die Zellsterblichkeit signifikant. © Prof. Outeiro / CNMPB

Lewy-Körperchen finden sich in Dopamin-produzierenden Nervenzellen der Gehirnregion, die für motorische Fähigkeiten (Bewegung) zu- ständig ist, sowie in Hirnregionen, die mit dem Erinnerungsvermögen in Verbin- dung stehen. Daher wird ein Zusammenhang zwischen der Aggregat-Bildung und den in späteren Krankheitsstadien häufiger auftretenden kognitiven Defiziten bzw. Demenzen bei an Parkinson Erkrankten vermutet.

 

Koffein verändert Adenosin-A2A-Rezeptoren

Aktuelle Therapien bei Morbus Parkinson konzentrieren sich ausschließlich auf die Linderung der Symptome, wie die für diese Erkrankung typischen motorischen Begleiterscheinungen. Eine ursächliche Behandlungsmethode gibt es nach wie vor nicht.

Auffällig kurze Schritte, schlurfender Gang, erstarrte Mimik oder Zittern der Hände machen die Parkinson Krankheit in einem frühen Stadium sichtbar. Ursächlich für diese Symptome ist das Absterben Dopamin-produzierender Nervenzellen in einer speziellen Region des Mittelhirns, der Substantia nigra. Mit fortschreitender Erkrankung treten jedoch häufig auch kognitive Defizite und Demenzen auf. Neuere Studien belegen, dass dies auf das Absterben von Nervenzellen in anderen Hirnregionen zurückzuführen ist. Besondere Hoffnung liegt daher in der Entwicklung geeigneter Therapieansätze, die unbeschädigte Nervenzellen schützen oder die Regeneration von Nervenzellen fördern.

Für die Behandlung von motorischen und nicht-motorischen Begleiterscheinungen der Parkinson Erkrankung haben sich Adenosin-A2A-Rezeptoren immer mehr zu einem attraktiven Ziel entwickelt. Erst kürzlich veröffentlichte Studien schreiben Coffein und Coffein-ähnlichen Substanzen einen schützenden Effekt auf Nervenzellen zu. Demnach hängt diese sogenannte „neuroprotektive“ Wirkung eng damit zusammen, dass Coffein und verwandte Substanzen den Aktivitätszustands von Adenosin-A2A-Rezeptoren im Gehirn verändern. Wie genau Coffein und verwandte Substanzen ihre neuroprotektive Wirkung entfalten, war jedoch bisher unklar.

 

Dank Koffein sterben bei Parkinson-Patienten signifikant weniger Nervenzellen

Das Forscherteam um Prof. Dr. Tiago F. Outeiro, Leiter der Abteilung Neurodegeneration und Restaurationsforschung an der Universitätsmedizin Göttingen, setzt genau an diesem Punkt mit seinen Untersuchungen an. Dass Coffein und Coffein- ähnliche Substanzen an Adenosin A2A Rezeptoren binden und sie blockieren, war bekannt. Die Wissenschaftler untersuchten die Adenosin A2A Rezeptor-abhängige Wirkung von Coffein und verwandten Substanzen auf die durch α-Synuklein verursachte Aggregatbildung und Toxizität genauer.

Tatsächlich setzte Coffein die Sterblichkeitsrate von Nervenzellen, die einer großen Mengen an α-Synuklein ausgesetzt waren, deutlich herab. „Wir konnten zeigen, dass Moleküle wie Coffein, die den Adenosin A2A Rezeptor im Gehirn ausschalten, tatsächlich auch die Toxizität von α-Synuklein beeinträchtigen”, sagt Prof. Luísa V. Lopes vom IMM, Senior-Autorin der Publikation. Keinen Einfluss zeigte die Blockierung von Adenosin A2A Rezeptoren auf die Bildung der toxisch wirkenden Vorstufen von α-Synuklein, den primären α-Synuklein-Oligomeren. Die Anzahl an Zellen, in denen sich α-Synuklein-Aggregate angereichert hatten, war deutlich gesenkt.

„Coffein und Coffein-ähnliche Substanzen kontrollieren also offenbar die späteren Stadien der α-Synuklein-Aggregation und verhindern dadurch die Ausbildung einer synaptischen Neurotoxizität, die letztlich auch Degenerationsprozessen entgegen wirkt, die motorische und nicht-motorische Symptome der Parkinson Erkrankung verursachen können“, sagt Prof. Dr. Tiago F. Outeiro, ebenfalls Senior-Autor der Publikation.

 

Koffein präventiv gegen Parkinson

Epidemiologische Studien bestätigen, dass moderater Kaffeekonsum das Risiko an Morbus Parkinson zu erkranken, herab setzen kann. Tatsächlich wird Koffein bereits in klinischen Studien auf seine Tauglichkeit als symptomatisches Therapeutikum bei Parkinson getestet.

„Kaffee hat mittlerweile den Status eines Grundnahrungsmittels erreicht, das macht diese Verbindung besonders interessant. Natürlich ist ein erhöhter Kaffeekonsum dennoch kein geeigneter Therapieansatz”, sagt Prof. Luísa V. Lopes vom IMM Lissabon. „Wir hoffen allerdings, dass wir mit unserem Wissen weitere Coffein-ähnliche Moleküle identifizieren können, die alle positiven Effekte vereinen, und möglichst wenige unerwünschte und potentiell gefährliche Nebeneffekte aufweisen”, sagt Prof. Outeiro.

Adenosin A2A Rezeptoren zählen somit zu den wichtigen Zielen für die Entwicklung effektiver Therapeutika bei der Behandlung von Parkinson und verwandter Aggregaterkrankungen.

 

Koffein mit positiver Wirkung bei Parkinson-Patienten mit L-DOPA

Koffein reduziert durch L-DOPA induzierte Defizite in der Mechanosensation und Fortbewegung und schützt dopaminerge Nervenzellen bei Parkinson-Patienten. Im Grunde genommen gilt L-DOPA als das First-Line-Medikament gegen die Parkinson-Krankheit. Die permanente Anwendung kann jedoch zu Dyskinesien führen. Koffein kann als bekanntes Neuroprotektivum  möglicherweise als Zusatz wirken, um die nachteiligen Auswirkungen von L-DOPA zu minimieren.


Literatur:

Ikram M, Park TJ, Ali T, Kim MO. Antioxidant and Neuroprotective Effects of Caffeine against Alzheimer’s and Parkinson’s Disease: Insight into the Role of Nrf-2 and A2AR Signaling. Antioxidants (Basel). 2020 Sep 22;9(9):902. doi: 10.3390/antiox9090902. PMID: 32971922; PMCID: PMC7554764.

Ferreira DG, Batalha VL, Vicente Miranda H, et al. Adenosine A2A Receptors Modulate α-Synuclein Aggregation and Toxicity. Cereb Cortex. 2017;27(1):718-730. doi:10.1093/cercor/bhv268

Manalo RVM, Medina PMB. Caffeine reduces deficits in mechanosensation and locomotion induced by L-DOPA and protects dopaminergic neurons in a transgenic Caenorhabditis elegans model of Parkinson’s disease. Pharm Biol. 2020;58(1):721-731. doi:10.1080/13880209.2020.1791192


Quelle: www.med.uni-goettingen.de

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