Donnerstag, April 18, 2024

Chemsex: Erfahrungen mit Sex auf Chemie, auf psychoaktiven Drogen

Immer mehr Menschen machen Erfahrungen mit Chemsex – also Sex auf Chemie, auf psychoaktiven Drogen, oft im Rahmen arrangierter Parties und Orgien.

Unlängst meldeten sich Experten im Journal The BMJ (British Medical Journal) zu Wort zum Thema Chemsex, denn immer mehr Menschen machen eigene Erfahrungen mit Sex unter Chemie beziehungsweise unter Einfluss von meist illegalen Drogen. Die britischen Fachleute fordern, dass die Problematik zu einer gesundheitspolitischen Priorität werden muss. Denn Chemsex erhöht das Risiko bezüglich HIV / AIDS und anderen übertragbaren Infektionen.



 

Was ist Chemsex, warum suchen viele immer häufiger Erfahrungen damit?

Die Autoren – Spezialisten für sexuelle Gesundheit und Drogenmissbrauch in London – warnen davor, dass immer mehr Menschen Erfahrungen mit Chemsex suchen. Denn das steigert wiederum das Risiko, sich mit HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen anzustecken. Es kann außerdem zu schweren psychischen Gesundheitsproblemen durch die Drogenabhängigkeit kommen.

Mit „Chemsex“ ist „Sex auf Chemie“ (also auf psychoaktiven Drogen) gemeint, meist im Rahmen eigens arrangierter Parties und „Orgien“ (meist via Social Media organisiert) – häufig in der Gay-Szene.

Dabei kommen hauptsächlich Drogen wie Mephedrone, Gamma-Hydroxybutyrat (4-Hydroxybutansäure, GHB), Gamma-Butyrolacton (γ-Butyrolacton, GBL) und kristallisiertes Methamphetamin (Crystal Meth) zur Anwendung. Meist werden diese Medikamente auch in Kombination verwendet werden, um die sexuelle Euphorie über mehrere Stunden oder Tage mit mehreren Sexualpartnern zu ermöglichen.

 

Geringe Datenlage

Daten über den Drogenkonsum in Zusammenhang mit Sex fehlen in Großbritannien, sagen die Autoren. Doch im „Antidote“, einem speziellen Drogen-Service für Lesben, Homosexuelle, Bisexuelle und Transgender in London, bestätigten rund 64% der Personen, die Unterstützung im Zusammenhang mit Drogenkonsum suchten, die Verwendung von Chemsex-Drogen in den Jahren 2013 und 2014.

Von den Personen, die Crystal Meth und GHB / GBL verwendeten, berichteten die meisten, mit den Drogen sexuelle Aktivitäten zu unterstützen, rund drei Viertel der Personen verwendeten zu injizierende Drogen.



Doch die Mittel für Drogenberatungsdienste in Großbritannien sind auf die Bekämpfung von Heroin-, Crack- und Alkoholabhängigkeit konzentriert. Sowohl Chemsex-Drogenkonsumenten und Gesundheitsexperten glauben, dass der Weg über die traditionellen Drogendienstleistungen ungeeignet ist.

Obwohl einige Drogenberatungsdienste jetzt spezifische Chemsex- und Partydrogenkliniken einrichten, verhindern fehlende Daten die mögliche ärztliche Hilfe, fügen sie hinzu.

So stellt zum Beispiel das National Institute for Health and Care Excellence nur beschränkte Beratung für psychoaktive Drogen und keine speziellen Empfehlungen in Bezug auf Chemsex-Drogen zur Verfügung.

 

Leitfaden für Ärzte

Immerhin hat das Novel Psychoactive Treatment UK Network (Neptune), unterstützt durch die unabhängige Wohltätigkeitsorganisation The Health Foundation, einen Leitfaden für Ärzte herausgegeben, in dem der Umgang mit den „Schäden, die durch die Verwendung der Club Drogen und neuen psychoaktiven Substanzen entstehen“ beschrieben wird.

„Über Chemsex-bezogene Begleiterkrankungen zu sprechen, sollte eine gesundheitspolitische Priorität sein“, sagen die Autoren. „Doch in England werden Mittel für den Bereich sexuelle Gesundheit und Drogenberatungsdienste reduziert und die Wiederherstellung dieser Dienstleistungen ist schwierig.“

 

Fazit

Trotz der unterschiedlichen Finanzierungsmöglichkeiten könnte die Schaffung von Exzellenzzentren für sexuelle Gesundheit und Drogenberatungsdienste „eine kostengünstige Lösung sein, die reduzierten Ressourcen in beiden Sektoren wieder aufzufüllen. Es könnte auch eine Anzahl von weiteren Daten für die weitere Erforschung von Chemsex liefern und bei der Entscheidungsfindung helfen,“ kamen sie zu dem Schluss.

Schon seit Beginn der HIV-Epidemie besteht jedenfalls ein Zusammenhang von Chemsex – normalerweise unter Verwendung von Mephedron oder Methamphetamin, um das sexuelle Vergnügen zu steigern und herausfordernde Gefühle zu reduzieren –, Infektionen und Sterblichkeit. Die anfänglichen Auswirkungen der meist jungen, schwulen Männer, die an HIV starben, sind bis heute maßgeblich für die Reaktion der Gesundheitsbehörden des Vereinigten Königreichs.




Literatur:

Catalan J, Ridge D, Cheshire A, Hedge B, Rosenfeld D. The Changing Narratives of Death, Dying, and HIV in the United Kingdom. Qual Health Res. 2020 Aug;30(10):1561-1571. doi: 10.1177/1049732320922510. Epub 2020 Jun 6. PMID: 32507074; PMCID: PMC7411528.

McCall H, Adams N, Mason D, Willis J. What is chemsex and why does it matter? BMJ. 2015 Nov 3;351:h5790. doi: 10.1136/bmj.h5790. PMID: 26537832.

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