Sonntag, März 17, 2024

Capsaicin-Analogon Capsazepin gegen starke Schmerzen, Krebs und Entzündung

Das Capsaicin-Analogon Capsazepin ein vielversprechender neuer Wirkstoff, der gegen starke Schmerzen und Entzündungen sowie bei Krebs positive Wirkung zeigt.

Die Nachtschattengewächse Chili und Paprika gehören zur selben Pflanzenfamilie und zu den Fruchtgewürzen. Währende Chili vorwiegend im tropischen Raum angebaut wird, ist Paprika ein typisches Gewürz der Balkanländer, wobei das Gewürz ursprünglich aus Südamerika stammt. Wobei Chili und Paprika beide den für den scharfen Geschmack verantwortlichen Inhaltsstoff Capsaicin beinhalten, von dem sich das Capsaicin-Analogon ist Capsazepin ableitet, das auch gegen starke Schmerzen, bei Entzündung und sogar bei Krebs vielversprechende gesundheitliche Wirkung bringen soll.

 

Vorteile von Chili und anderen Paprika-Arten

Das vasodilatatorisch (blutgefäßerweiternd) wirkende Capsaicin ist beispielsweise Bestandteil von Hitzepflastern und wärmenden Salben zur Durchblutungsförderung bei Verletzungen, Gelenkbeschwerden und Verspannungen. Ein bekanntes Capsaicin-Analogon ist Capsazepin, das als spezifischer Capsaicin-Antagonist eingesetzt wird.

Forscher haben in den letzten Jahren für die Substanz Capsazepin entdeckt, dass diese sich ebenso eignen könnte, um gegen starke Schmerzen, Entzündungen und Krebs positive Wirkung bringt. Und zwar bei sehr guter Verträglichkeit.

Ungarische Experten meinen übrigens, dass es in Ungarn dank des reichlichen Paprikaverbrauchs weniger Herzkranke, Schlaganfälle und Arterienverkalkungen gäbe. Ähnliches gilt für den US-Bundesstaat New Mexico, wo Chili zu den Lieblingsgewürzen gehört. Dort sollen durchschnittlich nur halb so viele Menschen an Herzleiden sterben wie in den übrigen US-Bundesstaaten.

 

Capsazepin unter der Lupe

Die sogenannten Nozizeptoren sind Nervenfasern, die im Körper Schmerz vermitteln. Sie setzen nach Aktivierung entzündungsfördernde Neuropeptide frei. Um schädliche Einflüsse zu erkennen, sind die Nozizeptoren mit einer Vielzahl von Rezeptoren ausgestattet.

Untersuchung von Capsazepin gegen starke chronische Schmerzen vielversprechend.
Untersuchung von Capsazepin gegen starke chronische Schmerzen vielversprechend.

Der Capsaicin-Rezeptorkanal zum Beispiel reagiert heftig auf den scharfen Inhaltsstoff von Chilischoten. Einen anderen könnte man den Senföl-Rezeptor nennen, da er durch einen Stoff im Senf, in Meerrettich und in Zwiebeln aktiviert wird. Der Rezeptor, wissenschaftlich TRPA1, spielt eine tragende Rolle bei schmerzhaften Entzündungen des Dickdarms und der Bauchspeicheldrüse sowie bei Asthma.

 

Wirkung auf den Senföl-Rezeptor

Wissenschaftler haben die Substanz Capsazepin, das den Chili-Rezeptor teilweise blockiert, unter die Lupe genommen. Der Wirkstoff konnte bereits in vergangenen Studien die chronische Dickdarmentzündung Colitis ulcerosa bei Mäusen verhindern. Jedoch musste dafür eine unbekannte Nebenwirkung von Capsazepin verantwortlich sein, da der Capsaicin-Rezeptor am Krankheitsprozess der Colitis ulcerosa gar nicht beteiligt ist.

Daher vermutete man, dass Capsazepin eine solche hemmende Nebenwirkung auf den Senföl-Rezeptor haben könnte – und erlebten eine Überraschung. Der Wirkstoff hemmte den Rezeptor nicht, sondern aktivierte ihn höchst effektiv. Dies führt – wie bei vielen anderen Rezeptoren auch – dazu, dass er gegen den Reizstoff unempfindlich wird.

Die schützende Wirkung von Capsazepin bestand also darin, dass die Nozizeptoren auf entsprechende Reize weniger reagierten und keine Neuropeptide mehr freisetzten.

 

Nozizeptoren desensibilisieren

Doch die Wissenschaftler fanden noch mehr heraus. Obwohl Capsazepin lokal im Darm verabreicht wurde, wurden auch in der Haut kaum noch Neuropeptide ausgeschüttet. Sie folgerten daraus, dass Capsazepin auf dem Blutweg alle Nozizeptoren im Körper wirksam erreichen und vielleicht desensibilisieren kann. Der Weg also zu einem neuen Mittel gegen starke Schmerzen?

Dass sich grundsätzlich Nozizeptoren im ganzen Körper desensibilisieren lassen, ist schon lange bekannt und zwar mithilfe großer Dosen Capsaicin. Das Problem dabei ist, dass der Körper dann die Temperatur nicht mehr gut regeln kann. Dem Organismus geht infolge das Empfinden für schmerzhafte Hitze verloren und die Durchblutung mancher Organe wird schlechter. Das dauerhaft und nicht umkehrbar. Daher wird Capsaicin beim Menschen nur lokal begrenzt mit Pflastern und in niedriger Dosis in Cremes eingesetzt.

Und tatsächlich – bei mehrtägiger Gabe von Capsazepin in hoher, aber gut verträglicher Dosis ging die Empfindlichkeit für schmerzhafte chemische und Hitzereize nach und nach im ganzen Körper deutlich zurück. Und gleichzeitig verhinderte das die Dickdarmentzündung. Dieses Ergebnis könnte bei der Entwicklung hochwirksame Schmerzmittel  helfen. Speziell für Krankheiten, bei denen der Senföl-Rezeptor eine wichtige Rolle spielt.

Neben der chronischen Dickdarmentzündung sind dies beispielsweise Gelenkarthrose, chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung, Morbus Crohn oder chronisches Asthma.


Literatur:

Yang MH, Jung SH, Sethi G, Ahn KS. Pleiotropic Pharmacological Actions of Capsazepine, a Synthetic Analogue of Capsaicin, against Various Cancers and Inflammatory Diseases. Molecules. 2019;24(5):995. Published 2019 Mar 12. doi:10.3390/molecules24050995

Kistner et al. Systemic desensitization through TRPA1 channels by capsazepin and mustard oil. A novel strategy against inflammation and pain. Scientific Reports volume 6, Article number: 28621 (2016) doi 10.1038/srep28621


Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU)

https://pubchem.ncbi.nlm.nih.gov/compound/capsazepine

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