Freitag, April 19, 2024

Borderline-Störungen mit Botox, Botulinumtoxin, therapieren

Botox – Botulinumtoxin – hat bereits gegen Depressionen positive Effekte gezeigt und soll auch gegen Borderline-Störungen wirksam sein.

Eine Reihe klinischer Studien konnte die Wirksamkeit von Botox, Botulinumtoxin, gegen schwere Depressionen zeigen. Patienten, die an einer unipolaren Depression leiden, konnten beispielsweise nach einer einzigen Behandlung mit Botulinumtoxin eine schnelle, starke und anhaltende Besserung der Symptome einer Depression erfahren. Vorläufige Daten legen nahe, dass die Botox-Therapie auch bei der Behandlung anderer psychischer Störungen, die durch eine Übermaß an negativen Emotionen, wirksam sein kann, wie beispielsweise bei Borderline. Die stimmungsaufhellende Wirkung der Botulinumtoxin-Therapie wird wahrscheinlich durch die Unterbrechung einer propriozeptiven Rückkopplungsschleife von der Gesichtsmuskulatur zum emotionalen Gehirn vermittelt.



 

Borderline-Störungen

Im Grunde genommen leiden Patienten mit Borderline-Störungen an sehr starken Stimmungsschwankungen und negativen Emotionen. Wobei in unseren Breiten etwa fünf Prozent der Bevölkerung betroffen sind. Die Betroffenen sind sehr impulsiv und führen instabile zwischenmenschliche Beziehungen. Viele der Patienten mussten in der Kindheit und in der Jugend schwere, zum Teil traumatische, Ereignisse erleben.

Jedenfalls stehen Menschen mit Borderline-Störungen häufig unter hochgradiger, innerer Anspannung. Als Gegenimpuls fügen sie sich nicht selten körperliche Schmerzen oder Verletzungen zu. Etwa 7 vom zehn Patienten können allerdings erfolgreich behandelt werden, wenn sie sich einer umfassende Psychotherapie unterziehen.

 

Studie mit Botox: Botulinumtoxin gegen Borderline-Störungen

Forschende haben unlängst herausgefunden, dass Botox Menschen, die an emotional instabilen Borderline-Störungen leiden, helfen kann. Sie hoffen, dass Botox der erste zugelassene Wirkstoff gegen Borderline-Störungen werden wird. Zudem hält die Wirkung monatelang an.

In einer rezenten Studie hat man sechs Borderline-Patientinnen, deren Krankheitssymptome sich zuvor durch Psychotherapie, Antidepressiva und Antipsychotika nicht gebessert hatten, einmalig Botox in die mittlere untere Stirn gespritzt. Die Behandlung zeigte Erfolg und die Krankheitssymptome reduzierten sich deutlich. Und zwar nahmen Impulsivität, Stimmungsschwankungen und Niedergestimmtheit nahmen. Zudem verbesserte sich das Sozialverhalten.



 

Wirkung und Nebenwirkung

Im Grunde genommen dämpft Botox negative Emotionen und wirkt dadurch auch bei Borderline stabilisierend. Es lähmt die Muskeln zwischen den Augenbrauen. In diesem Bereich drücken wir negative Stimmungen wie Sorgen und Ängste aus, was an den sogenannten Zornesfalten sichtbar wird. Botox verhindert, dass diese negativen Emotionen ausgedrückt werden können.

Das führt dazu, dass sich die Intensität dieser Emotionen reduziert, denn der Gesichtsausdruck und das psychische Befinden sind eng verbunden. Mimik drückt Gefühle aus, sie wirkt aber gemäß der Facial-Feedback-Hypothese auch auf unsere Stimmung zurück.

Unter dem Strich hat Botulinumtoxin in niedriger Dosierung örtlich gespritzt kaum Nebenwirkungen. Wobei es auch bei jüngeren Personen ohne Gesichtsfalten eine positive Wirkung entfaltet.

Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass sich die Erfolge auch auf andere Persönlichkeits- und Impulskontrollstörungen übertragen lassen. Man konnte bereits vor einigen Jahren beweisen, dass das unter dem Handelsnamen Botox bekannte Botulinumtoxin seelische Erkrankungen positiv beeinflussen kann. Dementsprechend kann Botox Depressionen schnell, deutlich und anhaltend lindern.




Literatur:

Wollmer MA, Magid M, Kruger THC, Finzi E. The Use of Botulinum Toxin for Treatment of Depression. Handb Exp Pharmacol. 2021;263:265-278. doi: 10.1007/164_2019_272. PMID: 31691857.

Kruger TH, Magid M, Wollmer MA. Can Botulinum Toxin Help Patients With Borderline Personality Disorder? Am J Psychiatry. 2016 Sep 1;173(9):940-1. doi: 10.1176/appi.ajp.2016.16020174. PMID: 27581699.


Quelle: MHH-Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie

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