Samstag, April 20, 2024

Blutstammzellen in Eile

Blutstammzellen in Eile – das Tempo bestimmt die Qualität

 

Weltweit erstmals beschreibt die Forschergruppe von Prof. Claudia Waskow an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden jetzt einen neuen Mechanismus, bei dem die Länge der G1-Phase des Zellzyklus die Fitness humaner Blutstammzellen beeinflusst. Die verkürzte G1-Phase sorgte in der Studie dafür, dass die Blutstammzellen über einen längeren Zeitraum und in größerer Anzahl kontinuierlich reife Blutzellen bildeten. Es ist vorstellbar, dass künftig die Stammzellfunktion durch eine Beschleunigung des Zellzyklustransits auch im menschlichen Körper verbessert werden kann. Die Arbeit wurde jetzt im Journal of Experimental Medicine” veröffentlicht.

Durch die regelmäßige Neubildung frischer Blutzellen wird sichergestellt, dass unser Immunsystem auch über einen langen Zeitraum hinweg funktionell bleibt und auf Stresssituationen wie Infektionen oder den Verlust großer Blutmengen reagieren kann. Um dies zu bewältigen, besitzt unser Knochenmark sogenannte blutbildende oder hämatopoetische Stammzellen, welche die Fähigkeit besitzen, alle Immunzellen je nach Bedarf nachzubilden. Diese besondere Eigenschaft der Blutstammzellen wird auch bei klinischen Knochenmarktransplantationen genutzt, wo erkrankte Blutzellen – wie zum Beispiel Leukämiezellen – durch gesunde Zellen ersetzt werden. Eine große Hürde für den Erfolg einer solchen Stammzelltransplantation ist jedoch nach wie vor die stark limitierte Anzahl der für den Empfänger verträglichen Spenderstammzellen. Daher ist es weiterhin von besonderer Bedeutung, die Funktion von Stammzellen im Körper besser zu verstehen, um Lösungen für dieses Problem zu finden.

Während schon vorher bekannt war, dass der Großteil hämatopoetischer Stammzellen normalerweise in einer Ruhephase verbleibt und ihre Funktionalität durch einen kontrollierten Übergang in die Zellteilung beeinflusst wird, war bisher nicht klar, ob die Länge einzelner Zellteilungsphasen das Verhalten von Blutstammzellen reguliert. Nicole Mende, die Doktorandin in der Forschergruppe von Prof. Waskow, die das Projekt maßgeblich bearbeitete, verkürzte nun mit Hilfe von Gentransfer spezifisch die Transitzeit durch die frühe G1-Phase humaner Blutstammzellen. Tatsächlich wurde die Erhaltung der Stammzellen nach Stressinduktion im Reagenzglas durch die G1-Phasen-Verkürzung stark verbessert. Weitaus wichtiger waren jedoch die Transplantationsexperimente in ein spezifisches Mausmodell, welche zeigten, dass sich die Funktion der behandelten Stammzellen auch im lebenden Organismus signifikant erhöht. Interessanterweise zeigte eine ähnliche Manipulation des Zellzyklus, welche jedoch einen späteren Zeitpunkt der G1-Phase betrifft, genau gegensätzliche Effekte und einen schnellen Verlust der Stammzellenfunktion. Diese Ergebnisse zeigen, dass eine ausgewogene Transitgeschwindigkeit durch die frühe und späte G1-Phase ein wichtiger Regulator der Blutstammzellfunktion ist, und daher wesentlich zum Erhalt der lebenslangen Blutneubildung beiträgt.

Quelle: Nicole Mende et al.: CCND1–CDK4–mediated cell cycle progression provides a competitive advantage for human hematopoietic stem cells in vivo; in: Journal of Experimental Medicine, Published July 6, 2015, doi: 10.1084/jem.20150308

Related Articles

Aktuell

Zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom kultivieren

Wichtig zur Klärung der Metastasierung: Forscher gelang es, zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom zu kultivieren. Die Forschung zum kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC), einer besonders aggressiven Form...
- Advertisement -

Latest Articles

Individuelle Beratung zur Ernährung für Krebspatienten

Beratung zur Ernährung für Krebspatienten: Verbesserung der Lebensqualität durch individuelle ernährungsmedizinische Unterstützung. Eine rechtzeitige und individuell angepasste Beratung zur Ernährung kann wesentlich zur Verbesserung der...

Warum HIV trotz Kombinationstherapie höchst aktiv sind

Neue Herausforderungen in der HIV-Behandlung sind, dass aktive HI-Viren trotz Kombinationstherapie weiterhin aktiv bleiben. Die HIV-Kombinationstherapie, eingeführt in den 1990er Jahren, gilt als Meilenstein in...

Partnerschaft mit Diabetes-Patienten: auch die Partner profitieren von Einbeziehung

Den Partner in die Diabetes-Behandlung zu integrieren, verbessert die Partnerschaft und das gemeinsame Wohlbefinden. Diabetes Typ-2 stellt nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für...