Donnerstag, April 18, 2024

BIA-ALCL – Anaplastic Large Cell Lymphoma und Brustimplantate

Breast Implant Associated Anaplastic Large Cell Lymphoma – BIA-ALCL: ein eigener Symptomenkomplex, den die WHO 2016 entsprechend klassifizierte.

Unter dem Strich genießt das großzellige Anaplastische Lymphom – Anaplastic Large Cell Lymphoma, ALCL – internationale wissenschaftliche sowie öffentliche Aufmerksamkeit. Dabei handelt es sich um ein seltenes Non-Hodgkin Lymphom, von dem mehrere Sub-Typen bekannt sind. Nach der ersten Publikation 1997 haben klinische und epidemiologische Studien gezeigt, dass das Breast Implant Associated Anaplastic Large Cell Lymphoma – BIA-ALCL – eine eigene Entität, einen eigenen Symptomenkomplex, darstellt. Dementsprechend hat es die Weltgesundheitsorganisation WHO im Jahr 2017 daher klassifiziert.

 

Wahrscheinlichkeit für BIA-ALCL durch Brustimplantate nicht bekannt

Seit 2011 werden Brustimplantate-Patientinnen in unseren Breiten über einen möglichen Zusammenhang informiert. Aktuell ist weiterhin unklar, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, an BIA-ALCL zu erkranken. Die Zahlen schwanken zwischen 1 zu 100.000 bis zu 3 von 100 Millionen Erkrankten pro Jahr. Rekonstruktive und ästhetische Implantationen sind in etwa gleich häufig betroffen.

In Deutschland werden rund 60.000 Brustimplantate im Jahr verwendet. Im Gegensatz zu den USA werden in Europa ganz überwiegend Brustimplantate mit einer texturierten Oberfläche verwendet. In Frankreich beträgt der Anteil der verwendeten Oberflächen: texturiert 85 Prozent, glattwandig 13 Prozent, Polyurethan 2 Prozent. Dies wird in etwa auch den deutschen Anteilen entsprechen, möglicherweise mit etwas weniger glatten Implantaten.

 

Mehrheit der bekannten BIA-ALCL-Fälle bei Patientinnen mit texturierten Implantaten

Der Unterschied der Oberfläche ist auch in der Form des Implantates begründet. Wenn es sich um eine anatomische Tropfenform handelt, so wird diese beschichtet, um sich besser mit dem umliegenden Gewebe zu verbinden. Ansonsten könnte es sich frei im Implantatlager bewegen, was die Optik nachhaltig beeinflussen würde. Bei runden Implantaten ist dies nicht relevant, da die Form ja in sich symmetrisch ist.

Da ein natürliches Erscheinungsbild wichtig ist, setzen Spezialisten in Europa deutlich mehr texturierte anatomische Implantate ein. Obwohl die Mehrheit der bekannten BIA-ALCL-Fälle bei Patientinnen mit texturierten Implantaten auftraten, verglichen bisher keine kontrollierten klinischen Studien die Patientengruppen mit glatten und texturierten Implantaten.

 

Kausaler Zusammenhang wissenschaftlich nicht bestätigt

Ein wissenschaftlicher Nachweis eines kausalen Zusammenhangs konnte man bislang nicht erbringen. Weiters fehlen bislang entsprechende Erkenntnisse zu Ursache und Mechanismus für die Entwicklung des BIA-ALCL. Weltweit sind bisher (Stand 09/18) 626 histologisch konfirmierte Fälle publiziert, davon zehn in Deutschland. Da die Daten lediglich retrospektiv vorliegen und entsprechend nicht vollständig sind, ist deren wissenschaftliche Aussagekraft begrenzt. Allerdings gibt es bis dato keinen bestätigten Fall, in dem nicht zu irgendeinem Zeitpunkt, wenn auch nicht bei der akuten Erkrankung, texturierte Implantate angewendet worden sind.

In Fällen, in denen die Ergebnisse bei Verwendung runder und glatter Implantate gleichwertig zur Verwendung texturierter sind, sollte man glattwandige bevorzugen. Um belastbare Daten für eine Risikobewertung zu erhalten, ist die vollständige, verbindliche Erfassung aller Implantate und der Behandlungsverläufe unabdingbar. Diese Forderung wird derweil auch international erhoben.

 

Agence Nationale de Sécurité du Médicament (ANSM): texturierte Brustimplantate vermeiden

Im November 2018 hat die französische Regulierungsbehörde Agence Nationale de Sécurité du Médicament (ANSM) empfohlen, nach Möglichkeit keine texturierten Brustimplantate mehr zu verwenden. Im Dezember 2018 verlängerten sie Behörden nicht mehr die CE Zertifizierung für texturierte, also beschichtete Allergan Brustimplantate. Dementsprechend gibt es auch keine europaweite Auslieferung der Exemplare mehr. Allerdings wurde eine Explantation explizit nicht empfohlen.

Anfang Februar folgte eine Anhörung durch einen nichtständigen Ausschuss (CSST) der ANSM. Obgleich andere Teilnehmer wie etwa die amerikanische Federal Drug Administration (FDA) sich der französischen Einschätzung aufgrund einer nicht validen Datenbasis nicht anschlossen, empfahl die ANSM im Anschluss, die Zulassung für Biocell beschichtete Allergan Implantate nicht wiederherzustellen beziehungsweise zu verlängern. Am 25. März folgte eine Anhörung bei der FDA.

Auch hier zeigte sich keine Evidenz für einen direkten Zusammenhang mit texturierten Implantaten. Wie auch die ANSM, so forderte auch die FDA mit Nachdruck die Implementierung eines verpflichtenden Implantateregisters. Eine Forderung, die auch die DGPRÄC seit 2013 erhebt und der Gesetzgeber nun erfüllt. Der Gesetzesentwurf für eine Implantateregister-Errichtungsgesetz (EDIR) liegt vor.

Die Fachgesellschaften sind aktiv in die Gestaltung eingebunden und werden auch künftig über einen Beirat eingebunden. Dies ist von besonderer Bedeutung, um die abzufragenden Parameter und deren Auswertung sachgerecht im Sinne des Patientenschutzes umzusetzen. Ab dem Jahr 2021 sollen die Daten dann eingegeben werden. Erst dann kann man verlässliche Daten gewinnen, da man nur so sämtliche Brustimplantate im Verlauf erfassen kann.

 

Symptome und Verhaltenshinweise:

  • Kommt es mindestens ein Jahr nach Implantation zu einer starken Flüssigkeitsansammlung in der Brust, so suchen Sie Ihren behandelnden Arzt auf, damit dieser der Ursache auf den Grund gehen kann.
  • Sollte es sich um ein BIA ALCL handeln, kann die Entfernung des Implantates mit der umschließenden Kapsel eine Heilung bringen.
  • Suchen Sie unabhängig davon, ob Sie Symptome haben oder nicht jährlich Ihren behandelnden Arzt für eine Routinekontrolle auf!

Literatur:

Patienteninformationen der DGPRÄC zur Implantatsicherheit: www.dgpraec.de/patienten/sonderthemen/implantatsicherheit/

Mitteilung ICOBRA: www.dgpraec.de/wp-content/uploads/2018/11/261118-ICOPLAST-BreastImplant-Safety-Statement.pdf

Darstellung des avisierten verpflichtenden Implantatregisters:
www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0042118863.pdf

Aktueller Bericht zu BIA-ALCL: www.aerzteblatt.de/archiv/200706/Brustimplantat-assoziiertes-Lymphom


Quelle:

EXPERTENSTATEMENT Brustimplantate – eine sichere Option?! Update zur internationalen Datenlage & Diskussion Professor Dr. med. Riccardo Giunta Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgie (DGPRÄC); Direktor der Abteilung für Handchirurgie, Plastische Chirurgie und Ästhetische Chirurgie der Ludwig-Maximilians-Universität München am Campus Innenstadt und Campus Großhadern

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