Samstag, April 20, 2024

Bewegung von Zellen im Körper für die Wundheilung

Mechanische und chemische Wellen helfen unseren Zellen bei der Koordination ihrer Bewegung im Körper, um eine effektive Wundheilung zu fördern.

Selbst ohne eine Karte, die ihnen den Weg weist, wissen Zellen, wohin sie gehen müssen, um die Wundheilung zu fördern und unseren Körper zu erneuern. Forschende konnten dazu unlängst zeigen, wie mechanische und chemische Wellen die Bewegung von Zellen im Körper in Richtung von Wunden koordinieren, um dort eine suffiziente Wundheilung einzuleiten.

 

Bewegungsprozesse von Zellen und ihre Rolle in der Wundheilung

In unserem Organismus sind zahlreiche Zellen ständig unterwegs, ausgestattet mit einer Art internem Kompass, der ihnen die Richtung weist. Die zentrale Frage ist nun: Wie erkennen diese Zellen ihren Bestimmungsort? Diese Fragestellung ist entscheidend für das Verständnis von Prozessen wie der Erneuerung von Zellen, der Metastasierung von Tumorzellen und vor allem der Wundheilung.

In diesem Zusammenhang stellen einige Forschende ein bahnbrechendes Modell vor, das die Nutzung selbstorganisierender Wellen durch die Zellen zur Förderung der Wundheilung und damit zur Schließung von Verletzungen beschreibt.

Durch die Entwicklung eines mathematischen Modells konnten die Interaktionen zwischen den Zellen auf einer Oberfläche, die der Haut ähnelt, simuliert werden. Diese Zellen produzieren Signalproteine, die eine chemische Wahrnehmung der umliegenden Zellen ermöglichen, einschließlich der Erfassung von Druck- oder Zugkräften, um ihre Bewegung anzupassen. Es wurde entdeckt, dass die komplexe Dynamik von Zellbewegung, Umgebungswahrnehmung und der Aktivierung von Proteinen in den Zellen zu miteinander verbundenen mechanischen und chemischen Wellen führt, die Informationen über ihre Bewegungsrichtung enthalten.

 

Mechanische und chemische Feedback-Mechanismen

Die mechanischen Wellen manifestieren sich als wechselnde Dichtezonen, die sich durch das Zellgewebe bewegen. Während die chemischen Wellen durch die Aktivität der Proteine gekennzeichnet sind, die durch Zellbewegungen und mechanisches Feedback ausgelöst werden. Diese zellulären chemischen Prozesse bewirken wiederum eine Veränderung der Zellform und -bewegung, wodurch eine Feedbackschleife entsteht. In diesem verknüpften System entwickeln sich die mechanischen und chemischen Wellen spontan durch gegenseitige Verstärkung.

In einer unbeschädigten Zellschicht breiten sich diese Wellen in alle Richtungen aus. Wenn man jedoch eine Wunde simuliert, richten sich die Wellen neu aus und bewegen sich weg von der Verletzung. Die Forschenden vermuten daher, dass diese Wellen als Kommunikationsform dienen könnten, die den Zellen hilft, selbst in großer Entfernung von der Wunde die Bewegungsrichtung zu erkennen.

 

Interpretation der Wellenbewegungen

Eine Dichtewelle verursacht, dass benachbarte Zellen entlang der Wellenrichtung gedrückt und gezogen werden. Die auf die Zelle wirkenden Kräfte sind bei jedem identisch und gegenläufig. Daraus resultiert ein Wellenzyklus in einer geringfügigen Ortsveränderung der Zelle ohne signifikante Fortbewegung. Ohne die Fähigkeit, die Herkunftsrichtung der Welle zu bestimmen, fehlt der Zelle die Information über die Wundposition.

Die zweite Welle, die der Proteinaktivität, erreicht die Zelle mit einer leichten Verzögerung aufgrund der Zeit, die Proteine zur Aktivierung benötigen. Diese Verzögerung zwischen den Wellen ermöglicht es den Zellen, sich schneller in Richtung der Wunde zu bewegen. Außerdem werden sie langsamer, wenn sie davon weggedrückt werden. Dadurch entsteht eine Bewegungsvorliebe in Richtung der Verletzung.

 

Experimentelle Beobachtungen

Scließlich dokumentierten die Wissenschaftler diese Phänomene in In-vitro-Studien mit realen Zellen. Sie nutzten dazu eine innovative Mikroskopietechnik. Diese erlaubte es ihnen, die Proteinaktivität in jeder Zelle zu verfolgen. Dazu verwendeten sie ein Protein, das bei Aktivierung leuchtet. So konnten sie die Ausbreitung der Proteinaktivitätswellen in der Zellschicht sichtbar machen.

Die Fähigkeit, diese Wellenmuster quantitativ vorherzusagen und experimentell zu bestätigen, war besonders bemerkenswert. Die Verzögerung zwischen den Wellen entsprach fast dem theoretischen Optimum, das den Zellen maximale Informationsgewinnung aus den Wellen ermöglicht.

Dieser Selbstorganisationsmechanismus unterstreicht die Bedeutung robuster und spontaner Kommunikation über weite Strecken innerhalb der Zellschichten. Er liefert Einblicke, wie koordiniertes Verhalten in unserem Körper entsteht, das essenziell für Heilungs- und Wachstumsprozesse ist.


Literatur:

Boocock, D., Hino, N., Ruzickova, N. et al. Theory of mechanochemical patterning and optimal migration in cell monolayers. Nat. Phys. 17, 267–274 (2021). https://doi.org/10.1038/s41567-020-01037-7


Quelle:

Institute of Science and Technology Austria

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