Donnerstag, März 28, 2024

Neueste Behandlungsmöglichkeiten bei Fibromyalgie

Welche Ergebnisse zu den Behandlungsmöglichkeiten bei Fibromyalgie den betroffenen PatientInnen mit chronischen Schmerzen neueste Studien bieten.

Das Fibromyalgie-Syndrom (FMS) ist mit einer Prävalenz von circa drei Prozent eine häufige Entität, die sich bei betroffenen PatientInnen mit chronischen, meist tiefen und wandernden Schmerzen manifestiert. Diese Schmerzen werden regelhaft von Zusatzsymptomen wie Fatigue, Schlafstörung, depressiven Symptomen oder gastrointestinalen Beschwerden begleitet. In diesem Jahr gab es weitere Studien, die insbesondere den immunologischen Aspekt als Behandlungsmöglichkeiten bei Fibromyalgie beleuchteten.

 

Suche nach Ursachen und neuen Behandlungsmöglichkeiten bei Fibromyalgie im Fokus der Forschung

Die Ursache dieses vielschichtigen Syndroms ist weiterhin ungeklärt. Aber es ist sehr ermutigend, dass die Forschung das Fibromyalgie-Syndrom zunehmend grundlagenwissenschaftlich untersucht. Wobei die Erkenntnisse aus diesen Untersuchungen das Verständnis um das Fibromyalgie-Syndrom immer weiter verbessern.

Die Beschreibung von Small-Fiber-Pathologie, also einer Störung der kleinkalibrigen Nervenfasern, bei Subgruppen von PatientInnen mit Fibromyalgie-Syndrom war sicher ein Meilenstein. Denn das war der erste objektiv und mehrdimensional am peripheren Nervensystem nachweisbare Befund (Üçeyler et al., Brain, 2013).

Die Bestätigung dieser Befunde durch zahlreiche andere Arbeitsgruppen und an einer größeren eigenen Studiengruppe unterstützt die gewonnenen Erkenntnisse (Evdokimov et al., Ann Neurol, 2019). Während diese Erkenntnisse nun in weiteren Studien bezüglich ihrer Tauglichkeit in Diagnostik und Therapie von Patientensubgruppen analysiert werden müssen, gab es in diesem Jahr weitere Studien, die insbesondere den immunologischen Aspekt des FMS beleuchteten.

 

Autoantikörper der Klasse IgG

In einer rezent veröffentlichten Arbeit zeigen KollegInnen, dass bei einer Untergruppe von PatientInnen mit FMS Autoantikörper der Klasse IgG gefunden wurden, die übertragen auf die Maus mit Verhaltensänderungen im Sinne einer vermehrten Empfindlichkeit auf kalte und mechanische Reize einhergingen und möglicherweise auch mit einer verminderten peripheren Innervierung assoziiert waren (Goebel et al., J Clin Invest, 2021). Es bleibt unklar, in welchem Prozentsatz der PatientInnen diese Antikörper gefunden werden.

Zudem ist nicht bekannt, gegen welches Antigen sie gerichtet sind. Dennoch ist der Befund hochspannend und unterstützt Vorbefunde, bei denen wir und andere bereits Veränderungen etwa im Zytokinprofil bei FMS-PatientInnen festgestellt hatten.

In einer weiteren kollaborativen Studie fanden ForscherInnen heraus, dass es bei einer Subgruppe von PatientInnen mit Fibromyalgie-Syndrom einen peripheren Mangel an einer bestimmten Untergruppe von weißen Blutkörperchen, nämlich den natürlichen Killerzellen, gibt mit zugleich „Überaktivität“ der verbliebenen (Verma et al., PAIN, 2021, im Druck). Auch hier stellen die KollegInnen einen Zusammenhang mit der peripheren Denervierung her.

 

Keiner dieser Befunde kann das Fibromyalgie-Syndrom in seiner Vielfältigkeit erklären

Auch ist keiner dieser Befunde derzeit in der Diagnostik oder Therapie des Fibromyalgie-Syndrom anwendbar. Es ist aber wichtig, dass sich die FMS-Forschung zunehmend auf die möglichen Mechanismen von klinischen Phänotypen fokussiert und moderne grundlagenwissenschaftliche Verfahren zur Aufdeckung ebendieser eingesetzt werden. Mittel- bis langfristig erhält uns das die Hoffnung auf Erkenntnisse, die wir in Zukunft in unserer Praxis werden einsetzen können.

Bis dahin gelten unverändert die Ausführungen in der S3-Leitlinie zum FMS, siehe https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/145-004.html. Die hierhin vorgeschlagene primär nicht medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten von Fibromyalgie-Beschwerden, sowie wenn medikamentös, dann zeitlich auf ein halbes Jahr befristete Therapie, bildet die Grundlage für unser klinisches Handeln. Die Diagnostik fokussiert bei typischer Anamnese und klinischem Befund vor allem auf den Ausschluss von Differenzialdiagnosen, die anderweitig zu behandeln wären.


Literatur:

Üçeyler N, Zeller D, Kahn AK, Kewenig S, Kittel-Schneider S, Schmid A, Casanova-Molla J, Reiners K, Sommer C. Small fibre pathology in patients with fibromyalgia syndrome. Brain. 2013 Jun;136(Pt 6):1857-67. doi: 10.1093/brain/awt053.

Evdokimov D, Frank J, Klitsch A, Unterecker S, Warrings B, Serra J, Papagianni A, Saffer N, Meyer zu Altenschildesche C, Kampik D, Malik RA, Sommer C, Üçeyler N. Reduction of skin innervation is associated with a severe fibromyalgia phenotype. Ann Neurol. 2019 Oct;86(4):504-516. doi: 10.1002/ana.25565.

Goebel A, Krock E, Gentry C, Israel MR, Jurczak A, Urbina CM, Sandor K, Vastani N, Maurer M, Cuhadar U, Sensi S, Nomura Y, Menezes J, Baharpoor A, Brieskorn L, Sandström A, Tour J, Kadetoff D, Haglund L, Kosek E, Bevan S, Svensson CI, Andersson DA. Passive transfer of fibromyalgia symptoms from patients to mice. J Clin Invest. 2021 Jul 1;131(13):e144201. doi: 10.1172/JCI144201.

Verma V, Drury GL, Parisien M, Özdağ Acarli AN, Al-Aubodah TA, Nijnik A, Wen X, Tugarinov N, Verner M, Klares R III, Linton A, Krock E, Morado Urbina CE, Winsvold B, Fritsche LG, Fors EA, Piccirillo C, Khoutorsky A, Svensson CI, Fitzcharles MA, Ingelmo PM, Bernard NF, Dupuy FP, Üçeyler N, Sommer C, King IL, Meloto CB, Diatchenko L. Unbiased immune profiling reveals a natural killer cell-peripheral nerve axis in fibromyalgia. Pain, 2021, im Druck.


Quelle:

STATEMENT » Ein Leben mit Schmerzen im ganzen Körper: Behandlungsmöglichkeiten bei Fibromyalgie und zu welchen Ergebnissen neueste Studien kommen. « Professor Dr. med. Nurcan Üçeyler, MHBA, Oberärztin in der Neurologischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Würzburg. Kongresspräsidentin des Deutschen Schmerzkongresses 2021. Deutschen Schmerzkongresses Oktober 2020. Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V.

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