Donnerstag, April 18, 2024

Geringe Erfolge bei der Behandlung psychischer Störungen

Die Psychotherapie und die Pharmakotherapie bringen zur Behandlung psychischer Störungen nur begrenzte Erfolge und stagnierende Erfolgsraten.

Die Psychotherapie und die Pharmakotherapie gelten als Mittel der Wahl zur Behandlung psychischer Störungen. Neueste Meta-Analysen zeigen, dass die vorliegenden Behandlungsoptionen für psychische Störungen nur begrenzte Erfolge erzielen. Und dass die Erfolgsraten seit Jahren stagnieren. Dieser ernüchternde Befund gilt für Psychotherapie und auch für Medikamente. Und das betrifft die Behandlung psychischer Störungen in den verschiedensten Anwendungsgebieten – speziell auch die Depression.



 

Pharmakotherapie und Psychotherapie zur Behandlung depressiver psychischer Störungen in der Kritik

Jedenfalls umfasste die aktuellste Meta-Analyse zur Pharmakotherapie der Depression 523 Studien und 116.572 Patienten. Dabei zeigte sich nur einen geringer Mehrwert gegenüber Placebo. Die meisten Studien wiesen außerdem ein hohes Risiko der Verzerrung (bias) auf, da sie die Pharmaindustrie sponserte. Außerdem fanden sich keine wesentlichen Unterschiede in der Wirksamkeit der verschiedenen Antidepressiva. Die Response-Raten (Ansprechen auf die Behandlung) liegen bei 38 bis 53 Prozent. Sie weisen auch nur einen geringen Unterschied auf zu den Raten, die Placebos erzielt (24 bis 42 Prozent).

Dabei bedeutet Ansprechen (Response) nicht etwa Heilung, sondern nur eine Reduzierung der Symptomstärke um 50 Prozent. Repetitive Transcranielle Magnetsimulation wird zwar als Behandlungsoption in verschiedenen Leitlinien erwähnt, die Differenz in Response und Remissionsraten zu Schein-Simulation beträgt aber nur zehn Prozent. Darüber hinaus sind die – geringen – Behandlungseffekte nicht dauerhaft.

Auf Psychotherapie sprechen etwa 50 Prozent der depressiven Patienten an. Dabei bestehen keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Formen der Psychotherapie. Allerdings sind die Effekte der Psychotherapie dauerhafter als die der Pharmakotherapie. Denn deren Effekte gehen nach Absetzen des Medikaments zurück. Wobei eine Response Rate von 50 Prozent bedeutet, dass etwa die Hälfte der Patienten nicht ausreichend von der Behandlung profitiert.

 

Psychotherapie der Pharmakotherapie vorziehen

Es sind große Hoffnungen und Milliarden an Geldern in die Forschung zu neurobiologischen und genetischen Grundlagen psychischer Störungen investiert worden. Dies hat sich jedoch als Fehlinvestition erwiesen, wie Tom Insel, der langjährige Leiter des NIMH in den USA selbstkritisch einräumt. Überwiegend auf die Neurobiologie zu setzen ist daher vergeblich.



Die Pharmaindustrie hat sich inzwischen aus der Forschung zur Pharmakotherapie psychischer Störungen zurückgezogen. 75 Prozent der Patienten ziehen eine Psychotherapie der Pharmakotherapie vor. Auch haben sich, wie erwähnt, die Effekte der Psychotherapie als dauerhafter erwiesen. Aus diesen Gründen ist eine Verbesserung der Psychotherapie die wichtigere Option.

 

Wie man die Behandlung psychischer Störungen mit Psychotherapie verbessern kann

In der ganz überwiegenden Mehrzahl der Studien kam eine Kurzzeittherapie von 12 bis 16 Sitzungen zum Einsatz. Allerdings weiss man, dass insbesondere bei chronischen psychischen Störungen mehr Sitzungen für eine erfolgreiche Behandlung erforderlich sind. Speziell bei Depression steigt der Therapieerfolg mit der Sitzungszahl. Aus diesem Grund sollte man in Zukunft länger dauernde Psychotherapie-Behandlungen untersuchen.

Ein weiterer Schwerpunkt sollte jedenfalls bei den Patienten liegen, die bisher von den vorhandenen Behandlungen nicht ausreichend profitieren. Die nennt man Non-Responder. Hierzu muss man erforschen, was die Non-Responder brauchen, um von der Behandlung zu profitieren. Experten fordern eine Vielfalt evidenz-basierter psychotherapeutischer Verfahren. Denn die Patienten, die von einer Form nicht profitieren –beispielsweise von der Verhaltenstherapie –, von einer anderen profitieren können. Das könnte beispielsweise eine systemische Therapie oder die psychodynamischer Therapie sein.

 

Psychodynamische Therapie fördern

Unter dem Strich gibt es für die Psychotherapie anders als für die Pharmakotherapie keine Sponsoren. Daher braucht man hierzu öffentliche Geldgeber. Dabei sind auch Studien zu Langzeittherapien sehr wichtig. Außerdem wird überwiegend die Forschung zur Verhaltenstherapie gefördert. Hingegen sind Studien zu anderen Therapieformen wie den psychodynamischen Verfahren kaum vorhanden. Wobei gerade die Psychodynamische Therapie als wirksam gilt. Und zudem ist sie auch wissenschaftlich anerkannt.




Literatur:

Cipriani, A., Furukawa, T. A., Salanti, G., Chaimani, A., Atkinson, L. Z., Ogawa, Y., et al. (2018). Comparative efficacy and acceptability of 21 antidepressant drugs for the acute treatment of adults with major depressive disorder. A systematic review and network meta-analysis. Lancet. doi: 10.1016/S0140-6736(17)32802-7.

Cuijpers et al (2013). Does cognitive behaviour therapy have an enduring effect that is superior to keeping patients on continuation pharmacotherapy? A meta-analysis. BMJ Open, 3(4). doi: 10.1136/bmjopen-2012-002542.

Cuijpers et al. (2014). The effects of psychotherapies for major depression in adults on remission, recovery and improvement. A meta-analysis. J Affect Disord, 159, 118-126.

Health Quality Ontario. (2016). Repetitive Transcranial Magnetic Stimulation for Treatment-Resistant Depression. A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. Ont Health Technol Assess Ser. eCollection 2016, 16(5), 1-66.

Johnsen, T. J., & Friborg, O. (2015). The effects of cognitive behavioral therapy as an anti-depressive treatment is falling. A meta-analysis. Psychol Bull 141(4), 747-768.

Kopta et al. Patterns of symptomatic recovery in psychotherapy. J Consult Clin Psychol, 62, 1009-1016.

McHugh et al. Patient preference for psychological vs pharmacologic treatment of psychiatric disorders. A meta-analytic review. J Clin Psychiatry, 74(6), 595-602. doi: 10.4088/JCP.12r07757 MQ. (2015).


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin

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