Freitag, April 19, 2024

Wenn regulatorische Autoantikörper aus der Balance geraten

Wenn das Netzwerk der regulatorischen Autoantikörper aus der Balance gerät und somit Entzündungsvorgänge beeinflussen, kann das den Körper machen.

Prinzipiell sind Autoantikörper spezielle Antikörper, die sich gegen körpereigene Strukturen richten. Deswegen stehen sie üblicherweise in Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen wie beispielsweise Rheuma. Jedoch sind diese Autoantikörper tatsächlich auch bei gesunden Menschen ein normaler Bestandteil des Immunsystems.

 

Ein schlecht funktionierendes Autoantikörper-Netzwerk macht krank

Offenbar besteht ein Autoantikörper-Netzwerk, das fein aufeinander abgestimmt viele Prozesse im Körper reguliert und beispielsweise Entzündungsvorgänge beeinflussen kann. Allerdings ist dieses Netzwerk funktioneller Antikörper bei Krankheiten gestört. Dies zeigten nun die Lübecker Professorin Gabriela Riemekasten und ihr Team von der Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) am Beispiel der drei sehr unterschiedlichen Krankheiten Alzheimer, Eierstockkrebs sowie systemische Sklerose.

In der aktuell in Nature Communication veröffentlichen Arbeit publizierte das Team des Exzellenzclusters Entzündungsforschung ihre Entdeckung, dass die Verschiebungen in diesem Autoantikörper-Netzwerk charakteristisch für die jeweils untersuchte Krankheit sind und im Einklang mit bereits bekannten Krankheitsmechanismen stehen. „Unsere Arbeit schafft ein grundlegend neues Verständnis für die Entstehung von Krankheiten und kann das sehr enge und individuelle Zusammenspiel von Umwelt, genetischen Faktoren und Krankheitsentstehung erklären“, betont die Rheumatologin von der Universität zu Lübeck.

 

Steuernde Funktionen auf Immunzellen

Antikörper sind vor allem dafür bekannt, dass sie eindringende Krankheitserreger (Antigene) abfangen und vernichten. Sie sind wesentlicher Bestandteil des Immunsystems und dienen vorrangig der Infektabwehr. Als unerwünscht gelten Autoantikörper, da sie sich gegen körpereigenes gesundes Gewebe richten und dadurch Schaden anrichten können. Sie sind charakteristisches Merkmal von Autoimmunerkrankungen. Welche Rolle Autoantikörper bei Entstehung und Verlauf spielen, ist für viele Autoimmunerkrankungen nicht vollständig geklärt. Denn auch bei gesunden Menschen, die keine Autoimmunerkrankungen entwickeln, sind Autoantikörper zu finden. Außerdem gibt es auch „nützliche“ Autoantikörper, die zum Beispiel vor immunvermittelten Krankheiten schützen.

„In der in Nature Communication publizierten Arbeit haben wir ein Netzwerk von Autoantikörpern identifiziert, das Rezeptoren, Wachstumsfaktoren und Signalmoleküle in ihrer Funktion beeinflussen kann und bei jedem Menschen vorhanden ist“, erklärt Professorin Gabriela Riemekasten vom Exzellenzcluster Entzündungsforschung. Die Autoantikörper haben also steuernde Funktionen auf Immunzellen und reagieren offenbar empfindlich zum Beispiel auf Umweltfaktoren wie Ernährung, die deren Konzentration und Zusammensetzung beeinflussen. „Das Antikörpernetzwerk wird beeinflusst von Alter, Geschlecht und äußeren Faktoren und ist vor allem bei Krankheiten wie Alzheimer, Krebs oder bei rheumatischen Erkrankungen gestört.“

 

Alzheimer, Eierstockkrebs und systemischer Sklerose im Fokus

Für die Arbeit wurden Blutproben von Menschen mit Alzheimer, Eierstockkrebs und systemischer Sklerose (eine Rheumaerkrankung) sowie gesunden Personen verglichen. Insbesondere wurde eine spezielle Gruppe funktioneller Autoantikörper, so genannter GPCR-Autoantikörper, umfassend charakterisiert. Riemekasten: „Die Funktion dieser Antikörper und auch ihre erkannten Strukturen legen nahe, dass diese Antikörper direkt an der Krankheitsentstehung dieser Erkrankungen beteiligt sind. Für einzelne Krankheiten ist dies bereits gezeigt worden.

Wenn es gelingt, die genauen Effekte der Antikörper auf ihre Rezeptoren zu entschlüsseln, können sich neue Behandlungsmöglichkeiten einer Vielzahl von Krankheiten ergeben.“ Die Funktionen dieser Antikörper sollen zukünftig in Kooperation mit dem Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum, innerhalb des neuen Exzellenzclusters Precision Medicine in Chronic Inflammation weiter untersucht werden. Ziel ist vor allem, ihren Wert für die individualisierte Therapie herauszufinden.

Literatur:

Otavio Cabral-Marques, Alexandre Marques, […] Gabriela Riemekasten et al. GPCR-specific autoantibody signatures are associated with physiological and pathological immune homeostasis. Nature Communications 2018; 9:5224. Doi: 10.1038/s41467-018-07598-9

Related Articles

Aktuell

Zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom kultivieren

Wichtig zur Klärung der Metastasierung: Forscher gelang es, zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom zu kultivieren. Die Forschung zum kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC), einer besonders aggressiven Form...
- Advertisement -

Latest Articles

Individuelle Beratung zur Ernährung für Krebspatienten

Beratung zur Ernährung für Krebspatienten: Verbesserung der Lebensqualität durch individuelle ernährungsmedizinische Unterstützung. Eine rechtzeitige und individuell angepasste Beratung zur Ernährung kann wesentlich zur Verbesserung der...

Warum HIV trotz Kombinationstherapie höchst aktiv sind

Neue Herausforderungen in der HIV-Behandlung sind, dass aktive HI-Viren trotz Kombinationstherapie weiterhin aktiv bleiben. Die HIV-Kombinationstherapie, eingeführt in den 1990er Jahren, gilt als Meilenstein in...

Partnerschaft mit Diabetes-Patienten: auch die Partner profitieren von Einbeziehung

Den Partner in die Diabetes-Behandlung zu integrieren, verbessert die Partnerschaft und das gemeinsame Wohlbefinden. Diabetes Typ-2 stellt nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für...