Donnerstag, März 28, 2024

Auf der Suche nach den Schwachstellen des Coronavirus SARS-Cov-2

Das Coronavirus SARS-CoV-2 hält die Menschen weltweit in Atem. Medikamente und eine Impfung sind notwendig, doch im Detail mangelt es vielerorts an Wissen.

Das Coronavirus – mit der exakten Bezeichnung SARS-CoV-2 – hält die Welt in Atem. Die Würzburger Strukturbiologin Dr. Andrea Thorn leitet ein internationales Netzwerk zur Erforschung des Coronavirus. Die Ergebnisse ihrer Arbeit sind wesentlich für die Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten und zur Beantwortung vieler Fragen.



Wie schafft es das Coronavirus SARS-CoV-2, an die Wirtszelle im Körper des Menschen anzudocken? Auf welche Weise gelangt es in das Zellinnere? Wie nutzt es die Zellstrukturen für seine Vermehrung? Der Aufgabe, fehlende Details zu liefern, hat sich Dr. Andrea Thorn gestellt. Im Interview versucht sie einige Antworten zu geben.

Mit diesen Fragen beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Hochdruck. Sie hoffen unter anderem, die entscheidende Stelle zu entdecken, an der sich der Vermehrungszyklus von SARS-CoV-2 mit einem neuen Wirkstoff blockieren lässt. Zwar ist vieles über diesen Prozess schon heute bekannt, doch im Detail mangelt es an vielen Stellen noch an Wissen.

Gemeinsam mit ihrem Team leitet sie die „Coronavirus Structural Task Force“ – ein internationales Netzwerk von Expertinnen und Experten auf dem Gebiet der Strukturbiologie. Ihr Ziel ist es, das bisher bekannte Wissen über die Molekülstrukturen des Coronavirus zu validieren und die noch offenen Lücken zu schließen oder – wie sie sagt: „Alles rausholen, was geht“.

 

Frau Dr. Thorn, wie groß sind denn die Lücken im Wissen über das jetzt grassierende Coronavirus SARS-Cov-2?

Dr. Thorn: Da gibt es leider noch viele ungeklärte Details. Auf atomarer Ebene ist längst nicht alles bekannt. Zwar wissen wir beispielsweise, dass das Virus-Erbgut 28 Proteine kodiert, die unterschiedliche Aufgaben beim Befall der Wirtszelle übernehmen.

Sie unterdrücken etwa das Immunsystem oder programmieren die Zelle so, dass sie die Viren vermehrt. Von diesen 28 Proteinen kennt man aber nur von ungefähr der Hälfte die Strukturen – dabei sind die molekularen Strukturen potenzielle Angriffspunkte für Medikamente.

Darüber hinaus interagiert das Virus mit rund weiteren 150 Proteinen der Wirtszelle. Darüber ist ebenfalls noch sehr wenig bekannt.“



 

Wie große ist die Kunst, aus Daten ein exaktes Bild zu erzeugen?

Dr. Thorn: Strukturbiologen arbeiten – wie der Name bereits sagt – daran, die exakte Struktur großer biologischer Moleküle, wie beispielsweise von Proteinen, auf atomarer Ebene zu entschlüsseln und darzustellen. Die Synchrotron-Messungen, mit denen sie arbeiten, produzieren keine Bilder im landläufigen Sinne. Sie liefern stattdessen gewaltige Mengen an Daten.

Die Kunst der Strukturbiologen besteht darin, aus diesen Daten dreidimensionale Modelle der Moleküle zu gewinnen. Anhand dieser Strukturen können beispielsweise Bioinformatiker gezielt nach Wirkstoffen suchen, die an die jeweiligen Moleküle andocken und diese blockieren. So können sie am Rechner in kurzer Zeit Tausende von Substanzen auf ihre mögliche Eignung untersuchen.

Außerdem lassen diese Strukturen genaue Rückschlüsse auf die Funktion der Proteine, zum Beispiel bei der Infektion von Wirtszellen zu.

 

Hat man die Forschung am Coronavirus SARS-Cov-1 zu früh eingestellt?

Dr. Thorn: Parallel mit der Ausbreitung des neuen Coronavirus SARS-Cov-2 nimmt die Forschungsaktivität auf dem Gebiet von SARS zu. Wöchentlich erhalten Andrea Thorn und ihr Team Informationen über neue Strukturen, die sie am Computer bearbeiten. Gleichzeitig durchforsten sie bereits vorhandene Daten, kontrollieren deren Validität oder verbessern bestehende Strukturlösungen. Denn Coronaviren – und speziell das SARS-Virus – sind keine neuen Entdeckungen.

Bereits 2002/2003 hatte ein SARS-Virus eine Pandemie ausgelöst, an der weltweit fast 800 Menschen gestorben sind. Nachdem die Zahl der Neuinfizierten im Sommer 2003 stark zurückging, erklärte die WHO am 19. Mai 2004 die Pandemie für beendet.

 

Das Coronavirus, mit dem wir es heute zu tun haben, ist nicht gänzlich unbekannt. Hilft Ihnen das bei Ihrer Arbeit?

Dr. Thorn: Tatsächlich sind sich die beiden SARS-Coronaviren in ihrem Erbgut und ihren Molekülstrukturen sehr ähnlich. Dass die Krankheitsverläufe und das Ausbreitungsverhalten so stark voneinander abweichen, ist aber durch die Unterschiede bedingt. Wir arbeiten deshalb mit Hochdruck daran, diese Unterschiede auch strukturell zu identifizieren. Leider hat man mit dem Ende der Pandemie vor 15 Jahren die Forschung an SARS-Viren wieder zurückgefahren. Hätte man die Forschung kontinuierlich fortgeführt, gäbe es möglicherweise heute ein wirksames Medikament.



 


Suche nach einem geeigneten Medikament

An einem Medikament gegen das Coronavirus SARS-Cov-2 will Andrea Thorn in nächster Zeit forschen. Im Blickpunkt ihres Forscherteams steht eine spezielle Protease – ein Enzym aus der Wirtszelle des Coronavirus, das dem Virus bei der Vermehrung hilft. Mithilfe eines Arzneimittel-Screenings hoffen die Wissenschaftler einen Stoff zu identifizieren, der diese Protease hemmt. Dann könnte das Virus keine weiteren Kopien seiner selbst mehr herstellen.

Wie lange das Coronavirus SARS-CoV-2 noch die Welt in Atem hält, vermag auch Andrea Thorn nicht abzuschätzen. Von der Zukunft nach der Coronakrise hat sich aus Sicht der Wissenschaft allerdings sehr genaue Vorstellungen: „Wir haben bereits in den wenigen Wochen, die die Task Force jetzt existiert, gesehen, dass die verschiedenen Arbeitsgruppen eng zusammengerückt sind. Strukturbiologen und Modellentwickler haben eine neue Wissensbasis geschaffen und ihre Methoden verbessert. Diese Erfahrungen sind auf zukünftige Projekte übertragbar.“


Quelle: https://www.uni-wuerzburg.de/

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