Samstag, April 20, 2024

Arzneimittelfälschungen im Visier

Arzneimittelfälschungen sind ein Milliardengeschäft im Internet. Von der Anonymität geschützt, verwenden skrupellose Fälscherbanden das Web als Umschlagplatz für gefälschte Ware.

 

Arzneimittelfälschungen aus dem Internet sind oft Produkte, die unter schlimmsten hygienischen Bedingungen hergestellt werden – mit Staub, Straßenfarbe, Giften und Abfall verunreinigt sind und dann über illegale Websites als vermeintlich sichere Arzneimittel in die ganze Welt verkauft werden. Die Österreichische Apothekerkammer, das Innenministerium und das Gesundheitsministerium warnen nun in der gemeinsamen Aufklärungskampagne „Auf der sicheren Seite“ vor gefälschten Medikamenten aus dem Internet.

95 Prozent der untersuchten Medikamente sind Arzneimittelfälschungen

Es ist in Österreich illegal, rezeptpflichtige Arzneimittel online zu verkaufen. Trotzdem gelingt es den Fälscherbanden mit gefinkelten Tricks, Kundinnen und Kunden auf ihre Websites zu locken und ihnen gefälschte Ware zu zum Teil horrenden Preisen unterzujubeln. „Die AGES Medizinmarktaufsicht, die dem Gesundheitsministerium untersteht, hat in den letzten Jahren mehr als 4.000 Verdachtsproben analysiert. 95 Prozent aller dieser getesteten Proben waren gefälschte oder illegale Produkte, oftmals mit anderen Inhaltsstoffen als deklariert und in falscher Dosierung“, erklärt Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser die Gefahr gefälschter Medikamente.

Bei der von Interpol, den Zoll- und Gesundheitsbehörden akkordierten Zugriffsaktion Pangea VII im Mai 2014 wurden alleine 12.000 solcher illegaler Websites aus dem Verkehr gezogen und 10 Millionen Arzneimittelfälschungen sichergestellt. „Gefälschte Arzneimittel gefährden nicht nur die Gesundheit jeder einzelnen Konsumentin und jedes einzelnen Konsumenten, sondern finanzieren kriminelle Machenschaften! Und dieser Form der Kriminalität sagen wir mit dem Bundeskriminalamt in enger Kooperation mit dem Gesundheitsministerium, der Apothekerkammer sowie der internationalen Organisation Interpol entschieden den Kampf an“, so Innenministerin Mag.a Johanna Mikl-Leitner.

In Österreich laufen die Ermittlungen gegen diese Form der organisierten Kriminalität im Referat „Integrity in Sports Unit“ im Bundeskriminalamt zusammen, die für die Bereiche Doping, Arzneimittel und Match Fixing (Wettbetrug) zuständig sind. In diesem Referat wurde 2014 auch die Sonderkommission „Vigorali“ geführt, der bis heute größte Arzneimittelfälschungsfall in Österreich.

Neue Umfrage: Wenig Wissen über rechtliche Lage und Medikamente

Jede/r kennt die aggressiven Angebote per Mail von Potenzmitteln, Schlankheitsprodukten oder Muskelaufbaupräparaten. Meist handelt es sich dabei um rezeptpflichtige Arzneimittel, deren online-Verkauf illegal ist. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit für Fälschungen. Eine repräsentative Umfrage unter 1000 Personen im April und Mai 2015 zeigt, dass die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher (48 Prozent) nicht weiß, dass der Verkauf von rezeptpflichtigen Medikamenten im Internet verboten ist. Mag. pharm. Max Wellan, Präsident der Österreichischen Apothekerkammer dazu: „Wer nicht über die Illegalität Bescheid weiß, kann sich schwer vor Fälschungen schützen. Mit dem Kauf von rezeptpflichtigen Medikamenten aus dem Internet werden kriminelle Netzwerke unterstützt und die Gesundheit gefährdet.“ Die Apothekerschaft setzt sich vehement für mehr Arzneimittelsicherheit ein und sieht es als ihre Aufgabe, die online-Kundinnen und -Kunden auf das gesundheitliche Risiko, das von Arzneimittelfälschungen ausgeht, zu warnen. Was rezeptpflichtig ist und was nicht, ist jedoch für viele Kundinnen und Kunden nicht klar. So gaben 31 Prozent der Befragten an, das Potenzmittel Viagra sei rezeptfrei. Gar 60 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher glauben, testosteronhältige Arzneimittel (hormonelle Muskelaufbaupräparate) seien erlaubterweise rezeptfrei im Internet zu bestellen. Richtig ist vielmehr, dass beide Produktgruppen rezeptpflichtig sind, und nur illegal im Internet erhältlich sind.

Sichere Arzneimittel aus der Apotheke

Sichere und geprüfte Arzneimittel erhält man über die Apotheke. Aufgrund der strengen Auflagen, Sicherheitskontrollen und der engmaschigen Lieferkette haben Fälscherbanden in den öffentlichen Apotheken keine Chance. Ab 25. Juni 2015 dürfen österreichische Apotheken außerdem rezeptfreie Medikamente über das Internet verkaufen. „Die hohen Qualitätsvorgaben und der Versand ausschließlich über Apotheken schützen die Konsumentinnen und Konsumenten vor Arzneimittelfälschungen und erhöhen die Arzneimittelsicherheit“, erklärt Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser.

Rezeptpflichtige Arzneimittel erhält man weiterhin nur vor Ort in einer Apotheke durch Vorlage eines von einer Ärztin bzw. von einem Arzt ausgestellten Rezeptes. Mögen die Begehrlichkeiten noch so groß sein, ohne Ärztin/Arzt und Apothekerin/Apotheker an ein Medikament zu kommen, so gefährdet man damit das eigene Leben und die eigene Gesundheit. Selbst Motive wie Bequemlichkeit oder Anonymität dürfen nicht rechtfertigen, kriminelle Netzwerke zu unterstützen.

Auf der sicheren Seite

Eines ist fix: Rezeptpflichtige Arzneimittel aus dem Internet sind in Österreich illegal. Angesicht der hohen Sicherheit von Arzneimitteln in den heimischen Apotheken rechnen viele Österreicherinnen und Österreicher aber nicht mit gefälschten Medikamenten aus dem Internet. Deshalb startet die Informationskampagne: „Auf der sicheren Seite“.

Die Informationskampagne macht durch intensive Onlinewerbung auf die Thematik aufmerksam. Zusätzlich finden alle Userinnen und User sämtliche Informationen zum Thema Arzneimittelfälschungen auf der Webseite www.auf-der-sicheren-seite.at: Von der rechtlichen Situation in Österreich bis hin zu ständig neuen News zu den polizeilichen Aufgriffen von Fälschungen. Zusätzlich informiert der Apothekerverband mit seiner Facebook-Kampagne „Fakes don‘t care“ über die Problematik von gefälschten Arzneimitteln.

Apothekerverband startet zeitglich Facebook-Kampagne zu gefälschten Medikamenten: „Fakes don`t care – but we do!“

Mit der neuen Aufklärungskampagne „Fakes don`t care – but we do!“ („Fälschungen helfen nicht – wir schon!“) macht der Österreichische Apothekerverband auf die gesundheitliche Gefahr von gefälschten Medikamenten aufmerksam. Dafür begibt er sich direkt an den Tatort -also ins Internet – und hier in die Welt des sozialen Netzwerks Facebook.

Facebook-Seite www.facebook.com/fakesdontcare

Die zentrale Anlaufstelle der Kampagne ist die Facebook-Seite www.facebook.com/fakesdontcare. Sie berichtet bis September über aktuelle Fälle und gesundheitliche Folgen von Arzneimittelfälschungen, über Aufgriffe Krimineller, aber auch über die Services in den Apotheken und auf der Apotheken-Plattform www.apodirekt.at.

„Mit der Kampagne wollen wir alle Online-Käufer wachrütteln und vor den unzähligen Fake-Apotheken im Internet warnen. Fälschungssichere Medikamente und die entsprechende Beratung gibt es nur in der Apotheke vor Ort“, sagt Dr. Christian Müller-Uri, Präsident des Österreichischen Apothekerverbandes.

Movie ab 26. Juni als Kinospot

Parallel zum Start der Versandfreigabe rezeptfreier Arzneimittel in Österreich (ab 25. Juni 2015) wird über die Facebook-Seite ein Movie verbreitet, das zeigt, was gefälschte Medikamente anrichten können. Die Darsteller sind „Haari“ und „Molli“, die „Fakes don`t care“-Fans bereits über die Facebook-Seite kennen, wo sich soeben eine Lovestory zwischen den beiden anbahnt. Das Movie mit der Medikamenten-Geschichte von „Haari“ und „Molli“ ist das Highlight der Kampagne. Dran bleiben und jetzt „Fakes don`t care“-Fan werden!

Pharmaindustrie investiert bis zu elf Milliarden Euro in den Fälschungsschutz von Arzneimitteln. Großes Engagement aller Akteure im Gesundheitswesen im Kampf gegen Fälschungen.

Prof. Dr. Robin Rumler, Präsident der Pharmig und Dr. Jan Oliver Huber, Generalsekretär der Pharmig, begrüßen die beiden Initiativen gegen Arzneimittelfälschungen. Dazu Rumler: „Arzneimittelfälschungen stellen eine immense Gefahr für die Gesundheit der Patienten dar. Jede einzelne Kampagne, jede Initiative ist ein wichtiger Beitrag dazu, die Bevölkerung vor den Gefahren gefälschter Arzneimittel zu warnen und zu verhindern, dass Patienten geschädigt werden.“

Huber weist in diesem Zusammenhang auf das Engagement der pharmazeutischen Industrie hin, die intensiv an Modellen arbeitet, um die Fälschungssicherheit ihrer Produkte zu erhöhen: „Neue Sicherheitsvorkehrungen sollen in Zukunft Arzneimittel noch sicherer machen und verhindern, dass gefälschte Arzneimittel in die legale Lieferkette eingeschleust werden können. Dazu rüsten wir mit hohen Investitionen unsere Verpackungslinien auf, um den größtmöglichen Schutz unserer Originalprodukte sicherzustellen“, so Huber.

Einmalige Seriennummer gegen Arzneimittelfälschungen geplant

Konkret geht es um die Codierung und Serialisierung von Arzneimitteln: Künftig soll jede einzelne rezeptpflichtige Arzneimittelpackung mit einer einmaligen Seriennummer ausgestattet sein. Zusätzlich wird diese Seriennummer gemeinsam mit Chargennummer und Ablaufdatum des Medikaments in einen zweidimensionalen Barcode verschlüsselt. Für diesen Vorgang muss ein eigenes System, in dem alle Daten verwaltet werden, errichtet werden. So kann in Zukunft jede Arzneimittelpackung identifiziert werden – vom Werkstor bis zur Apotheke, wo die letztmalige Überprüfung direkt bei der Abgabe an den Patienten erfolgt. Die neuen Maßnahmen sollen voraussichtlich Ende 2018 umgesetzt sein.

Quellen: PA von Österr.Apothekerkammer, Österr. Apothekerverband,Bundesministerium für Gesundheit, Bundesministerium für Inneres, Pharmig,

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