Dienstag, März 19, 2024

Arachnophobie verschwand nach einer Therapie mittels Hirn-OP

Einem Mann mit Arachnophobie oder Spinnenphobie konnte man mit einer Gehirnoperation als neuartigen Therapie die Angst vor Spinnen entfernen.

Im Grunde genommen kann die Arachnophobie oder Spinnenphobie dazu führen, dass Betroffene Spinnen früher erkennen und bedrohlicher wahrnehmen. Wobei eine Arachnophobie anfallsartig auftreten kann. So besprühte ein betroffener Patient an einem Tag die Spinnen mit Haarspray. Und dann entsorgte ihre erstarrten Körper schnell mit dem Staubsauger. Am nächsten Tag war er wieder völlig im Reinen mit der achtbeinigen Bedrohung. Die Geschichte dieses Mannes, der seine Arachnophobie oder Spinnenphobie über Nacht verlor, war Gegenstand einer Fallstudie, bei der als erfolgreiche Therapie eine Operation des Gehirns zum Einsatz kam.

 

Anfallsartig kam kam es zur Arachnophobie

Vierundvierzig Jahre alt und gelähmt durch seine Angst vor Spinnen begann der Mann Anfälle aus heiterem Himmel zu erleben. Gehirn-Scans zeigten einige Auffälligkeiten an seiner Amygdala, dem walnussgroßen Teil des Gehirns, der teilweise für den Umgang mit Ängsten verantwortlich ist.

 

Granulomatöse Enzephalitis Grund für Arachnophobie

Weitere Tests zeigten allerdings, dass diese Anfälle nicht direkt mit diesem Angstzentrum zu tun hatten, sondern Auswirkungen einer seltenen – als granulomatöse Enzephalitis bekannte – Krankheit waren. Diese greift das zentrale Nervensystem an. Wie sonst bei Krebsgeschwüren oder Patienten mit Epilepsie üblich, entschlossen sich die Ärzte, die befallenen Teile der Amygdala chirurgisch zu entfernen.

Die Operation war erfolgreich und bot auch interessante Einblicke in die Art, wie Angst „funktioniert“. Im gleichen Ausmaß wie der Patient seine Krampfanfälle verlor, verlor er auch einige andere Empfindungen. Musik zum Beispiel verlor ihren Anreiz für ihn. Was einst wie eine schöne Melodie klang, erregte nun Abscheu. Aber während diese Gefühle schließlich wiederkehrten, kam seine Arachnophobie bzw. seine Angst vor Spinnen nie mehr zurück.

 

Statt Arachnophobie Gleichgültigkeit gegenüber Spinnen nach der Therapie mittels Hirn-OP

Statt wie früher mit einem Spray immobilisiert und prompt aufgesaugt zu werden, riefen die Spinnen nun keinerlei Reaktion mehr hervor – die Abscheu wandelte sich in Gleichgültigkeit und endete schließlich in hochgradiger Faszination. Die Berührung von Spinnen – sogar das Krabbeln auf seinen Händen und Armen – rief ein angenehmes Gefühl hervor.

Diese Auswirkungen brachten die Ärzte dazu, das gesamte Problem „Ängste“ zu überdenken und sich zu fragen, ob man Phobien in Zukunft nicht so heilen könnte.

Wissenschaftler können nur darüber spekulieren, was die Arachnophobie des Mannes verschwinden ließ, aber seine anderen Ängste – wie z.B. die Angst in der Öffentlichkeit zu sprechen – intakt ließ.

Die Theorie geht von zwei verschiedenen Arten von Angstreaktion aus: Da ist einmal die „Panikreaktion“. „Sie ist nicht sehr zielführend, aber sie ist notwendig, um das grundlegende Überleben zu sichern“, sagt Nick Medford, der behandelnde Arzt des Mannes an der Brighton and Sussex Medical School. Und dann gibt es noch eine nuanciertere Einschätzung der Angst. Und zwar eine die länger braucht um sich zu entwickeln, aber genauer ist. Diese „Angst“ wirkt langsamer und löst eine allgemeines Unbehagen aus. Dazu gehören z.B. eher soziale Ängste wie das Sprechen in Öffentlichkeit oder Ängste zu versagen.

 

Bestimmte Nervenbahnen könnten mit Arachnophobie assoziert gewesen sein

Medford nimmt an, dass die Nervenbahnen, die mit Arachnophobia assoziiert sind, irgendwo in dem Teil der Amygdala, den man entfernt hatte, beheimatet waren. Aber es ist immer noch reine Vermutung, wie und wo genau der Körper die spezifischen Ängste im Gehirn organisiert. Nur weil Medford eine grobe Richtung anbieten kann, bedeutet dies nicht, dass Wissenschaftler Ängste one-by-one weg zappen können.

Mit dem Hinweis auf eine interessante Randnotiz sagt Medford: „Es ist nicht ungewöhnlich, dass man Patienten mit schwerer Epilepsie am Temporal- oder Schläfenlappen operiert. Und nehmen wir an, dass Arachnophobia weitläufig bekannt ist. So könnte man Patienten vor und nach dieser Operation auf diese oder auch jede andere Art von Phobie testen.“

Die Amygdala ist für minimalinvasive Techniken nicht geeignet – sie ist einfach zu tief im Gehirn situiert – es sind aber bereits auch andere Methoden im Einsatz. Am häufigsten wendet man bei Arachnophobia die Therapie mittels Exposition an.

 

Hätte eine Spinne in der Hand bei Arachnophobie die gleiche Wirkung wie eine Therapie mittels Hirn-OP?

Es wird allerdings auch kontrovers argumentiert, dass eine Spinne in der Hand des Mannes die gleiche Wirkung erzielt hätte wie die Hirnoperation. Es wäre somit kein Eingriff notwendig gewesen. Weiter gibt es auch den therapeutischen Ansatz, dass Erinnerungen an gewisse Ängste komplett gelöscht werden könnten, auch wenn das wissenschaftlich ebenfalls erst bestätigt werden muss.

Momentan hat man aber offensichtlich zumindest bei Arachnophobie bessere Resultate durch die Entfernung eines Gehirnteiles erzielt als durch die „theoretische Löschung“ von gewissen Erinnerungen. Doch jede Operation birgt auch Risiken. Das muss man ebenfalls berücksichtigen. Zu generellen Operationen des Gehirns gegen verschiedene Ängste wird es vermutlich so schnell doch nicht kommen.


Literatur:

Rosenbaum D, Leehr EJ, Rubel J, Maier MJ, Pagliaro V, Deutsch K, Hudak J, Metzger FG, Fallgatter AJ, Ehlis AC. Cortical oxygenation during exposure therapy – in situ fNIRS measurements in arachnophobia. Neuroimage Clin. 2020;26:102219. doi: 10.1016/j.nicl.2020.102219. Epub 2020 Feb 19. PMID: 32135488; PMCID: PMC7052440.

Binks S, Chan D, Medford N. Abolition of lifelong specific phobia: a novel therapeutic consequence of left mesial temporal lobectomy. Neurocase. 2015 Feb;21(1):79-84. doi: 10.1080/13554794.2013.873056. Epub 2014 Jan 27. PMID: 24460482.

Smith S. Arachnophobia: a practical management device. Br J Psychiatry. 2000 Oct;177:372. doi: 10.1192/bjp.177.4.372-a. PMID: 11116787.


Quelle:

http://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/phobias/basics/symptoms/con-2002347821


Bild: Die Arachnophobie konnte man bei einem Betroffenen mittels operativer Therapie entfernen. Seitdem ruft die Berührung von Spinnen sogar ein gutes Gefühl hervor. © Will Howe / shutterstock.com

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