Samstag, April 20, 2024

Menschen mit angeborenen Immunsystem-Störungen rasch gegen Covid 19 impfen

Dringender Appell von Experten zu Covid 19: Menschen mit angeborenen Immunsystem-Störungen müssen rasch und sicher geimpft werden.

In der Debatte über Priorisierungen im Zuge der aktuellen Impfkampagne gegen Covid 19 lenkt jetzt eine Gruppe von Expertinnen und Experten die Aufmerksamkeit auf Menschen, die an primärer Immundefizienz (PID) – der angeborenen Immunsystem-Störungen (IEI) – leiden. Diese kleine Gruppe – in Österreich sind mehr als 1000 Menschen diagnostiziert, wobei die Dunkelziffer groß ist – ist von der Pandemie besonders betroffen. Patientinnen und Patienten mit solchen angeborenen Immunsystem-Störungen haben im Fall einer Covid-19-Erkrankung im Durchschnitt längere und schwerere Krankheitsverläufe, weisen eine höhere Mortalitäts- und eine mehrfach erhöhte Hospitalisierungsrate auf. Dies zeigt eine rezente internationale Studie ebenso wie die klinischen Erfahrungen österreichischer Zentren. Außerdem gibt es zunehmend Hinweise, dass diese Gruppe von Patientinnen und Patienten auch länger infektiös sind als Personen ohne angeborene Immundefekte.

Vor diesem Hintergrund gibt es „eine klare Empfehlung für alle derzeit in Österreich zugelassenen Corona-Impfstoffe, Patientinnen und Patienten mit angeborener Abwehrschwäche zu impfen“, heißt es in einem soeben veröffentlichten Positionspapier von Expertinnen und Experten aus spezialisierten Zentren in ganz Österreich.

In der Anfang Februar vom Sozialministerium publizierten Version zum COVID-19 Impfplan wird empfohlen, vulnerable Populationen, die zentral angebunden an eine Betreuungseinrichtung sind, in Phase 1 zu impfen: „2. Priorität Hoch (Phase 1B): Personen (unabhängig vom Alter) mit Vorerkrankungen und besonders hohem Risiko, sofern institutionell erreichbar (z.B. über Tageskliniken, Dialysestationen)“.

Aus Sicht der Expertinnen und Experten sollte dringend eine Klarstellung erfolgen, „dass diese Definition auch Menschen mit Immundefekt umfasst, die in der Regel in einem Zentrum bzw. an eine tagesklinische Struktur angebunden und dort auch gut erreichbar sind“, heißt es im Positionspapier. Sie appellieren an „die für die Zuteilung verantwortlichen Stellen und Personen im Bund und Ländern, diesen Risiko-Patientinnen und -Patienten rasch eine frühzeitige Impfung zu ermöglichen. Im Falle von Kindern mit Immundefekt schließt diese Forderung auch deren gesunde Angehörige ein, da für die Betroffenen selbst derzeit noch keine Impfung zugelassen ist.“

Um diese vulnerable Patientinnen- und Patientengruppe nicht einem zusätzlichen Infektionsrisiko auszusetzen, sollte eine Impfung vorzugsweise an ihren gewohnten Behandlungseinrichtungen verabreicht werden können, so die Expertinnen und Experten. „Sie erfüllen alle fachlichen, technischen und organisatorischen Voraussetzungen dafür. Öffentliche Impfstraßen mit entsprechender Menschendichte sind für Menschen mit immunologischer Abwehrschwäche als Risikoumgebung einzustufen, sofern es nicht möglich gemacht wird, spezielle Slots für diese vulnerable Personengruppe freizuhalten.“

Das Positionspapier beschäftigt sich auch mit der Versorgungssituation von Patientinnen und Patienten mit angeborenen Störungen des Immunsystems in den verschiedenen Phasen der Pandemie. Essenziell sei es in jedem Fall, „eine kontinuierliche Betreuung von Menschen mit Immun-/Abwehrschwäche aufrechtzuerhalten und nicht auszusetzen. Therapieunterbrechungen wären nicht nur eine grundlegend falsche, sondern auch eine gefährliche Strategie. Menschen, die selbst keine Antikörper produzieren können, sind – besonders im Kontext einer viralen Pandemie – auf die Gabe von Immunglobulinen angewiesen, um lebensbedrohliche Infektionen zu verhindern“, heißt es in dem Positionspapier.


Quelle:

Positionspapier „Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie auf Personen mit primärer Immundefizienz: Versorgung, Erkrankungsrisiko, Impfstrategie“ (https://www.pains.at/wp-content/uploads/Positionspapier-Auswirkungen-der-SARS-CoV-2-Pandemie-auf-Personen-mit-prim%C3%A4rer-Immundefizienz.pdf); Univ.-Prof. Dr. Ulrike Demel, Klinische Abteilung für Rheumatologie und Immunologie, Medizinische Universität Graz; Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Förster-Waldl, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde; Abteilung für Neonatologie, Pädiatrische Intensivmedizin und Neuropädiatrie, Medizinische Universität Wien/AKH Wien mit Center for Congenital Immundeficiencies & Jeffrey Modell Center Vienna; Prim. Univ.-Prof. Dr. Christian Huemer, Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, Landeskrankenhaus Bregenz; OÄ Dr. Andrea Schroll, PhD , Universitätsklinik für Innere Medizin II, Medizinische Universität Innsbruck; Univ.-Prof. Dr. Hermann Wolf, Immunologische Tagesklinik, Wien

 

Related Articles

Aktuell

Zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom kultivieren

Wichtig zur Klärung der Metastasierung: Forscher gelang es, zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom zu kultivieren. Die Forschung zum kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC), einer besonders aggressiven Form...
- Advertisement -

Latest Articles

Individuelle Beratung zur Ernährung für Krebspatienten

Beratung zur Ernährung für Krebspatienten: Verbesserung der Lebensqualität durch individuelle ernährungsmedizinische Unterstützung. Eine rechtzeitige und individuell angepasste Beratung zur Ernährung kann wesentlich zur Verbesserung der...

Warum HIV trotz Kombinationstherapie höchst aktiv sind

Neue Herausforderungen in der HIV-Behandlung sind, dass aktive HI-Viren trotz Kombinationstherapie weiterhin aktiv bleiben. Die HIV-Kombinationstherapie, eingeführt in den 1990er Jahren, gilt als Meilenstein in...

Partnerschaft mit Diabetes-Patienten: auch die Partner profitieren von Einbeziehung

Den Partner in die Diabetes-Behandlung zu integrieren, verbessert die Partnerschaft und das gemeinsame Wohlbefinden. Diabetes Typ-2 stellt nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für...