Freitag, April 19, 2024

Neu entdeckte Immunzellen an Multipler Sklerose beteiligt

Ein bislang unbekannter Immunzelltyp ist im Gehirn wesentlich an Multipler Sklerose beteiligt. Nun hoffen Forscher auf spezifischere und nebenwirkungsarme Therapieansätze.

Ein Team von Forschern unter Leitung des Universitätsklinikums Freiburg konnte im Tiermodell nachweisen, dass bislang völlig unbekannte Immunzelltypen im Verlauf von Multipler Sklerose (MS) im entzündeten Gehirn zu finden sind. Der Nachweis gelang mittels einer neuen, hochauflösenden Methode zur Untersuchung von Einzelzellen. So konnten die Forscher aus Freiburg und München eine Art Immunzell-Atlas für das Gehirn erstellen. Sie zeigten außerdem, wie diese Zellen die Autoimmun-Erkrankung MS vorantreiben.

„Unsere Ergebnisse stellen einen Durchbruch für das Verständnis von autoimmunen Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose dar“, sagt Projektleiter Prof. Dr. Marco Prinz, Ärztlicher Direktor des Instituts für Neuropathologie am Universitätsklinikum Freiburg. Die Forscher hoffen jetzt neue zellspezifischere und nebenwirkungsarme Therapieansätze entwickeln zu können, um entzündliche Erkrankungen wie MS zu behandeln. „Das Hauptproblem bei der bisher unzureichenden Therapie war, dass das gesamte Immunsystem gehemmt wurde. Wir konnten jedoch neuartige Subtypen von Zellen finden, die spezifisch für die lokale Entzündung und Zerstörung bei der MS sind. Die könnten somit ganz gezielt ausgeschaltet werden“, sagt Prof. Prinz.

 

Vor allem Frauen leiden unter Multipler Sklerose

Multiple Sklerose ist eine der häufigsten entzündlichen Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS), das Gehirn und Rückenmark umfasst. Frauen sind häufiger als Männer betroffen, typischerweise tritt die Erkrankung im Alter zwischen 20 und 40 Jahren erstmals auf. In Deutschland sind etwa 120.000 Menschen an MS erkrankt. „Man nimmt an, dass die MS eine Autoimmunerkrankung ist, bei der Immunzellen irrtümlicherweise Strukturen des zentralen Nervensystems angreifen und dadurch die Entzündung hervorrufen“, erklärt Prof. Prinz, der auch an den Exzellenzclustern Centre for Biological Signalling Studies – BIOSS und Centre for Integrative Biological Signalling Studies – CIBSS der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg beteiligt ist.

Dass bei Multipler Sklerose Fresszellen des Blutes und des Gehirns beteiligt sind, wusste man schon seit vielen Jahren. Welche Subtypen genau, war jedoch bislang unklar. Schließlich konnten die Wissenschaftler im Tiermodell der Multiplen Sklerose dies in jahrelanger Forschungsarbeit herausfinden.

 

Weiße Flecken im Immunzell-Atlas gefüllt

Die Forschern verwendeten neueste, hochauflösende Einzel-Zellmethoden, um die komplexe Zusammensetzung der am Entzündungsherd vorhandenen Zellen, das sogenannte Entzündungsinfiltrat, zu entschlüsseln. So konnten sie einen neuen Immunzell-Atlas des Gehirns etablieren. Die von den Forschern verwendeten Einzelzellanalysen (englisch single cell analyses) sind neuartig und dienen in der Medizin zur Untersuchung einzelner Zellen aus Geweben. In den Augen der Forscher haben sie ein enormes Potential.

„Diese Methoden erlauben uns, ein völlig neues zelluläres Bild von sehr komplexen Geweben wir dem Hirn zu erlangen“, sagt Dr. Dominic Grün, einer der Pioniere dieser Technik und Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Immunbiologie sowie Epigenetik Freiburg, der an dieser Studie beteiligt war.

Die Erstautorin der Studie Marta Joana Costa Jordão, Doktorandin am Institut für Neuropathologie des Universitätsklinikums Freiburg, konnte darüber hinaus zeigen, dass verschiedene Fresszellen im Gehirn während der Erkrankung chronisch aktiviert bleiben. Bislang wurde angenommen, dass sie durch zirkulierende Blutzellen rasch erneuert werden. „Diese Daueraktivierung der Immunzellen könnte erklären, warum bei MS das Gehirn über Jahre chronisch angegriffen wird“, sagt Costa Jordão.

Literatur:

Single-cell profiling identifies myeloid cell subsets with distinct fates during neuroinflammation
DOI: 10.1126/science.aat7554. http://science.sciencemag.org/content/363/6425/eaat7554


Quelle: Universitätsklinikum Freiburg

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