Donnerstag, April 18, 2024

Amyloid-Plaques stören bei Alzheimer die Gedächtnisbildung im Schlaf

Amyloid-Plaques lösen direkt Störungen bei den langsamen Schlafwellen aus. Bestimmte Schlafmittel scheinen hier niedrigst dosiert positiv entgegenwirken zu können.

Alzheimerpatienten leiden häufig unter Schlafstörungen. Tatsächlich ist das oft schon der Fall, bevor sie vergesslich werden. Außerdem ist hinreichend bekannt, dass Schlaf bei der Gedächtnisbildung eine sehr wichtige Rolle spielt. Forscher der Technischen Universität München (TUM) haben unlängst erstmals zeigen können, wie sich die krankmachenden Veränderungen im Gehirn auf die Vorgänge der Informationsspeicherung im Schlaf auswirken. Anhand von Tiermodellen konnten sie den genauen Mechanismus entschlüsseln und die Störung mit medikamentösen Wirkstoffen abmildern. β-Amyloid-Plaques beziehungsweise Alzheimer-Plaques spiel dabei eine entscheidende Rolle.

 

Langsame Schlafwellen verfestigen das Gedächtnis und verschieben Erinnerungen ins Langzeitgedächtnis.

Vor allem die langsamen Schlafwellen – die sogenannten Slow Oscillations –, die unser Gehirn nachts erzeugt, verfestigen gelerntes Wissen und verschieben Erinnerungen ins Langzeitgedächtnis beziehungsweise in einen Langzeitspeicher. Ein Netzwerk an Nervenzellen in der Hirnrinde bilden die Schlafwellen, die sich dann in andere Hirnareale wie den Hippocampus ausbreiten.

Damit stellen diese Schlafwellen eine Art Signal dar, mit dem sich die Hirnareale gegenseitig bestätigen ‚ich bin bereit, der Informationsaustausch kann losgehen‘. Während des Schlafes herrscht daher ein hohes Maß an Organisation beziehungsweise Abstimmung (Kohärenz) zwischen den lokal weit entfernten Nervenzellnetzwerken.

 

Gestörte Ausbreitung der Schlafwellen bei Alzheimer

Wie die Forscher herausfanden, ist bei Alzheimer diese Organisation gestört. Sie zeigten für ihre Studie in Mausmodellen solche Defekte im Gehirn von Alzheimer-kranken Tieren auf. Dabei bildeten die Tiere dieselben Proteinablagerungen – sogenannte β-Amyloid-Plaques oder Alzheimer-Plaques –, die auch in Patienten sichtbar sind.

Die Wissenschaftler konnten weiters zeigen, dass diese Amyloid-Plaques direkt Störungen bei den langsamen Schlafwellen auslösen. Einerseits traten die langsamen Schlafwellen zwar noch auf. Allerdings konnten sie sich aber nicht mehr richtig ausbreiten. Dementsprechend fehlte das Signal für den Informationsabgleich in den entsprechenden Hirnbereichen.

Den Wissenschaftlern gelang es auch auf molekularer Ebene diesen Defekt zu entschlüsseln. Damit sich die Wellen korrekt ausbreiten können, muss eine präzise Balance zwischen Anregung und Hemmung auf Nervenzellen gegeben sein. Bei den Alzheimer-Mäusen kam dieses Gleichgewicht durch die Proteinablagerungen durcheinander – die Hemmung war vermindert.

 

Geringe Dosen Schlafmittel als mögliche Therapie

Dieses Wissen nutzten die Forscher wiederum dazu, diesen Störungen medikamentös entgegenzuwirken. Von speziellen Schlafmitteln, den Benzodiazepinen, ist beispielsweise bekannt, dass sie die hemmenden Einflüsse im Gehirn verstärken. Dementsprechend verabreichten die Wissenschaftler den Mäusen geringe Mengen des Schlafmittels. Mit etwa einem Zehntel einer Standarddosis konnten sich in Folge tatsächlich auch die langsamen Schlafwellen wieder korrekt ausbreiten. Schließlich verbesserte sich dann auch die Lernleistung wie, wie anschließende Verhaltensexperimente bei den Tieren beweisen konnten.

Für die Forscher sind die Ergebnisse ein Anfang auf dem Weg zu einer geeigneten Therapie gegen Alzheimer. Wobei ihre Erkenntnisse aus zwei Gründen hochinteressant waren. Erstens haben Mäuse und Menschen dieselben Schlafoszillationen im Gehirn, was die Ergebnisse übertragbar macht. Zweitens lassen sich diese Schlafwellen mit einem normalen EEG-Gerät erfassen und somit könnte eine dementsprechende Diagnostik solche Störungen im Gehirn schon früh erkennen.


Literatur:

Busche MA, Kekuš M, Adelsberger H, Noda T, Förstl H, Nelken I, Konnerth A. Rescue of long-range circuit dysfunction in Alzheimer’s disease models. Nat Neurosci. 2015 Nov;18(11):1623-30. doi: 10.1038/nn.4137. Epub 2015 Oct 12. PMID: 26457554.

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