Freitag, April 19, 2024

Alzheimer: Neues stark neurotoxisches Peptid entdeckt

Ein neu entdecktes Peptid im Gehirn von Alzheimer-Patienten wirkt sehr stark giftig auf die Nervenzellen, und wird in sehr frühen Erkrankungsstadien gebildet.

 

Wissenschaftler der Universitäten Bonn, Ulm und Göttingen haben im Gehirn von Alzheimer-Patienten ein neues Peptid entdeckt, das auf Nervenzellen stark giftig wirkt. Es scheint vor allem in sehr frühen Stadien der Erkrankung gebildet zu werden. Möglicherweise eröffnet der Fund mittelfristig neue diagnostische und therapeutische Möglichkeiten. Die Ergebnisse erscheinen in der Fachzeitschrift „Acta Neuropathologica“.

Im Gehirn von Alzheimer-Patienten finden sich regelmäßig massive Ablagerungen des Peptids ß-Amyloid. Die Protein-Fragmente lagern sich außerhalb der Nervenzellen zu langen fädigen Strukturen zusammen. Diese Amyloid-Knäuel werden im Hirngewebe als so genannte Plaques sichtbar. Sie sind für die Krankheit charakteristisch.

Früher ging man davon aus, dass die Plaques wesentlich für die Symptome der Demenzerkrankung verantwortlich sind. Neue Forschungsergebnisse liefern jedoch ein anderes Bild: Demnach sind die langen Fäden aus vielen hundert ß-Amyloid-Molekülen und die Plaques selbst für das Gehirn weniger schädlich. Wenn sich allerdings nur wenige ß-Amyloid-Moleküle als so genanntes Oligomer stabil zusammenlagern, wird es dagegen kritisch: Diese Oligomere verursachen eine weitaus größere funktionelle Störung von Nervenzellen.

Glücklicherweise sind Amyloid-Oligomere kurzlebig: Sie verschmelzen normalerweise schnell zu den vergleichsweise harmlosen Fäden. Die Wissenschaftler aus Bonn, Ulm und Göttingen haben aber nun eine Variante von ß-Amyloid entdeckt, die sich weniger gesellig zeigt: Aufgrund einer kleinen chemischen Änderung lagert diese Variante sich zwar zu Oligomeren zusammen. Sie bildet aber keine langen Fäden. „Die von uns entdeckte Variante ist daher für Nervenzellen extrem gefährlich“, erklärt Dr. Sathish Kumar, Erstautor der Studie.

 

Das neu entdeckte Peptid bietet Hoffnung auf bessere Diagnose

Das veränderte ß-Amyloid findet sich sowohl in Mäusen mit einer Alzheimer-ähnlichen Erkrankung als auch in Alzheimer-Patienten. In den Alzheimer-Plaques ist es allerdings kaum nachzuweisen. Stattdessen bildet es in den Nervenzellen selbst kleinere Ablagerungen. Dabei tritt es auch in sehr frühen Phasen der Erkrankung auf. Möglicherweise eignet es sich daher für eine bessere Früherkennung.

Langfristig eröffnet die Entdeckung eventuell auch neue therapeutische Optionen. So ist es beispielsweise denkbar, die gefährliche ß-Amyloid-Variante gezielt durch Antikörper auszuschalten und so zu inaktivieren. Prof. Dr. Jochen Walter von der Abteilung für Neurologie der Universität Bonn warnt aber vor überzogenen Hoffnungen: „Wir wissen bislang noch nicht einmal, wie wichtig dieses veränderte Peptid für die Entstehung der Alzheimer-Demenz ist. Das ist eine ganz zentrale Frage, der wir nun in Folgestudien nachgehen wollen.“

 

Quelle: Sathish Kumar, Oliver Wirths, Kathrin Stüber, Patrick Wunderlich, Philipp Koch, Sandra Theil, Nasrollah Rezaei-Ghaleh, Markus Zweckstetter, Thomas A. Bayer, Oliver Brüstle, Dietmar R. Thal, Jochen Walter: Phosphorylation of the amyloid ß-Peptid at Ser26 stabilizes oligomeric assembly and increases neurotoxicity; Acta Neuropathologica; DOI: 10.1007/s00401-016-1546-0

Related Articles

Aktuell

Zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom kultivieren

Wichtig zur Klärung der Metastasierung: Forscher gelang es, zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom zu kultivieren. Die Forschung zum kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC), einer besonders aggressiven Form...
- Advertisement -

Latest Articles

Individuelle Beratung zur Ernährung für Krebspatienten

Beratung zur Ernährung für Krebspatienten: Verbesserung der Lebensqualität durch individuelle ernährungsmedizinische Unterstützung. Eine rechtzeitige und individuell angepasste Beratung zur Ernährung kann wesentlich zur Verbesserung der...

Warum HIV trotz Kombinationstherapie höchst aktiv sind

Neue Herausforderungen in der HIV-Behandlung sind, dass aktive HI-Viren trotz Kombinationstherapie weiterhin aktiv bleiben. Die HIV-Kombinationstherapie, eingeführt in den 1990er Jahren, gilt als Meilenstein in...

Partnerschaft mit Diabetes-Patienten: auch die Partner profitieren von Einbeziehung

Den Partner in die Diabetes-Behandlung zu integrieren, verbessert die Partnerschaft und das gemeinsame Wohlbefinden. Diabetes Typ-2 stellt nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für...