Dienstag, April 16, 2024

Muskelabbau ist ein häufig unterschätztes Problem im Alter

Schwäche, Sturzgefahr und Knochenbrüche: der Muskelabbau im Alter mit seinen gravierenden Auswirkungen wird immer noch unterschätzt.

Im Grunde genommen ist eine ausreichend trainierte Muskulatur eine zentrale Voraussetzung für den Erhalt von Gesundheit, Selbstständigkeit und Lebensqualität bis ins hohe Alter. Das Problem Muskelabbau  im Alter – der Rückgang von Muskelmasse und Muskelfunktion, die sogenannte Sarkopenie – führt zu Gebrechlichkeit, Schwäche und Balancestörungen. Stürze und Knochenbrüche können die Folge sein. Dennoch wird der dem Alter bedingte Muskelabbau mit seinen gravierenden Auswirkungen für die Betroffenen immer noch unterschätzt. Der Muskelerhalt und der Muskelaufbau sei bis ins hohe Alter möglich. Ärzte sollten deshalb immer die Muskelmasse ihrer Patienten im Blick haben. Und gegebenenfalls frühzeitig Bewegung, gezieltes Training sowie eine eiweißreiche Diät verordnen.

Etwa ab dem 30. Lebensjahr beginnt ein physiologischer Umbau von Muskulatur in Fettgewebe von 0,3 bis 1,3 Prozent/Jahr. Wenn man nichts dagegen unternimmt, dann gehen 30 bis 50 Prozent der Muskelmasse bis zum Alter von 80 schleichend verloren. Doch eine gute Muskulatur ist die Voraussetzung für körperliche Leistungsfähigkeit.

Muskelmasse und eine gute Muskulatur sind auch entscheidend, um alltägliche Aktivitäten selbstständig zu bewältigen. Wie etwa Aufstehen, Anziehen, Treppensteigen oder Einkäufe. Zudem hilft eine trainierte Muskulatur, die Sturzgefahr zu vermindern. Sie erhöht die Widerstandskraft und tragt dazu bei, das Herz-Kreislauf-System, den Stoffwechsel sowie Funktionen des Gehirns aufrecht zu erhalten. Auch für die Erholung nach einer Operation ist ein gutes Muskelkorsett hilfreich. Denn wenn der Patient aktiv mitarbeiten kann, gelingen Frühmobilisation und Rehabilitation besser.

 

Problembewusstsein für das Problem Muskelabbau im Alter verbessern

Dennoch ist das Bewusstsein für das Problem Sarkopenie, auch unter Ärzten, bislang eher gering. Dabei kann man den Muskelschwund in gewissen Grenzen entgegenwirken. Jedenfalls ist Muskelaufbau bis ins höchste Alter möglich. Deshalb rät er, jede Gelegenheit zu nutzen, um körperlich aktiv zu sein.

Gerade ältere Menschen, die ohnehin viel sitzen, sollten längere Sitzperioden regelmäßig durch Aufstehen und ein paar Schritte Gehen für wenige Minuten unterbrechen. Optimal wäre eine gezielte körperliche Aktivität von 150 Minuten pro Woche, aufgeteilt in fünf Einheiten an verschiedenen Tagen.

 

Wichtige Nährstoffe

Mit guter Ernährung läßt sich ebenfalls der Muskelabbau bremsen. Allerdings kann im Alter der Körper das Eiweiß schlechter verwerten. Zudem benötigt er gleichzeitig mehr davon. Denn Proteine sind essentielle Bausteine für Muskelgewebe.

Deshalb sollten ältere Menschen gezielt mehr davon zu sich nehmen. Experten empfehlen eine tägliche Proteinzufuhr von 1,0–1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht (bei ausgezehrten Zuständen sogar noch etwas mehr). Dies ist mehr als die für gesunde Erwachsene empfohlene Menge von 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag.

Häufig ist dies nur durch die zusätzliche Einnahme von proteinreichen Nahrungsergänzungen erreichbar, welche der behandelnde Arzt verordnen kann. Aber auch Buttermilch enthält in recht hoher Konzentration das Protein Leuzin, das den Muskelaufbau unterstütze.

Schließlich ist auch das Vitamin D ebenfalls zum Muskelerhalt und zur Stärkung der Knochensubstanz wirkungsvoll und sinnvoll. Hierzu empfiehlt sich die Einnahme von täglich mindestens 800 Internationalen Einheiten (IE) Vitamin D.

 

Woran erkennt man, dass Muskelabbau – eine Sarkopenie – vorliegt?

Sarkopenie sollte als Risikofaktor für funktionelle Einbußen ernst genommen werden, bevor die Patienten irreversible Einschränkungen erleiden. Jedenfalls ist es rückwirkend viel schwerer, das verlorene Terrain zurück zu gewinnen.

Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Alterung unserer Gesellschaft ist hier ein Umdenken aller Beteiligten in Richtung Prävention erforderlich. Und zwar für Ärzte, Pflegekräfte, Physiotherapeuten und Patienten.

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Bei Sarkopenie sind Muskelmasse, Muskelkraft sowie die Muskelfunktion vermindert. Beispielsweise etwa die Greifkraft der Hände, die Gehgeschwindigkeit des Patienten oder die Fähigkeit, vom Stuhl aufzustehen. Ein Durchmesser des Unterschenkels von weniger als 31 cm ist ebenfalls ein Hinweis für das Vorliegen einer Sarkopenie.

 

Wie sieht die optimale Ernährung im Alter aus, worauf sollte man besonders achten, um Muskelabbau zu vermeiden?

Eine ausgewogene mediterrane Ernährung ist optimal. Dazu gehören viel Gemüse und Obst, Olivenöl, Eier und Nüsse. Das Eiweiß sollte mehr aus Pflanzen und Fisch stammen, als aus rotem Fleisch. Auch ein moderater Weinkonsum ist erlaubt. Eine angemessene Kalorienzufuhr von 25–30 Kcal pro Kilogramm Körpergewicht sowie etwa 1,5 Liter Flüssigkeitszufuhr sind gerade im Alter wichtig.

 

Welche Nahrungsergänzung  für Proteine ist zum Muskelaufbau im Alter geeignet? Kann ich Proteinpräparate für Sportler verwenden?

Im Grunde genommen sollte die tägliche Zufuhr von Proteinen 1,0–1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht betragen. Daneben zeigen „fast proteins“ einen besonders guten Muskel aufbauenden (anabolen) Effekt. Hier wird aktuell zumeist das Leuzin eingesetzt, das etwa in recht hoher Konzentration in Buttermilch enthalten ist.


Literatur:

Ute Hoffmann, Cornel C. Sieber: Ist Alter eine Komorbidität? Dtsch med Wochenschr 2017; 142(14): 1030–1036. DOI: 10.1055/s-0042-109861.

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Quelle: www.dgim2018.de.

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