Donnerstag, April 25, 2024

Alternative Erklärung für Antibiotika-Resistenzen

Mögliche neue Erklärung für Antibiotika-Resistenzen: Bacillus cereus kann sich bestimmten Antibiotika-Therapien entziehen, indem es sich in eine Art Ruhezustand begibt.

 

Bacillus cereus ist ein Krankheitskeim, der Erbrechen, Durchfall sowie systemische und lokale Infektionen, wie beispielsweise Blutvergiftungen oder Augeninfektionen verursacht. Ein Team der Vetmeduni Vienna zeigte nun erstmals, dass dieses Bakterium nach Kontakt mit bestimmten Antibiotika in einen besonderen Ruhezustand wechseln kann.

Es bildet dann sogenannte Small Colony Variants (SVCs), kleine Kolonien, die schwerer zu diagnostizieren und mit bestimmten Antibiotika kaum mehr zu bekämpfen sind. Der neu entdeckte Mechanismus könnte eine alternative Erklärung für Antibiotika-Resistenzen liefern. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal mBio veröffentlicht.

Das Bakterium B. cereus galt bisher als ausschließlich sporenbildendes Bakterium. Das heißt, es bildet unter schwierigen Lebensbedingungen Sporen aus und kann in dieser Lebensform lange Zeit ausharren. Verändern sich die Bedingungen, können sich die Sporen wieder zu aktiven Bakterien rückbilden.

Elrike Frenzel, Markus Kranzler und Monika Ehling-Schulz vom Institut für Mikrobiologie an der Vetmeduni Vienna haben nun erstmals gezeigt, dass Bacillus cereus eine weitere alternative Lebensform ausbilden kann, sogenannte Small Colony Variants. Das passiert, wenn die Bakterien Aminoglykosid-Antibiotika ausgesetzt werden. Charakteristisch für Small colony Variants sind ein verlangsamtes Wachstum, ein veränderter Stoffwechsel und eine erhöhte Resistenz gegenüber jenen Antibiotika, die diesen Zustand ausgelöst haben, den Aminglykosiden.

„Das Bakterium schützt sich vor dem schädlichen Einfluss der Antibiotika, indem es diese Small Colony Variants bildet. Bacillus cereus wird allerdings üblicherweise mit genau jenen Antibiotika behandelt, die diese Small Colony Variants induzieren. Entstehen bei der Verwendung dieser Antibiotika Small Colony Variants, entstehen also auch Antibiotika-Resistenzen“, erklärt die Erstautorin Frenzel.

 

Therapie und Diagnostik neu überdenken

Für den Klinikalltag ist der von Frenzel, Kranzler und Ehling-Schulz entdeckte Mechanismus von großer Bedeutung. Herkömmliche Diagnosemethoden weisen nämlich Stoffwechselvorgänge von Bacillus cereus nach. Da der Stoffwechsel der Small Colony Variants verlangsamt und verändert ist, funktionieren diese Tests nicht. Die Folge können falsche Antibiotika-Therapien oder gar übersehene Infektionen sein. Molekularbiologische Tests erachtet die Studienautorin Frenzel als einzige Möglichkeit, auch diese Form von Bacillus cereus diagnostizieren zu können.

Eine reine Aminoglykosid-Therapie könnte bei Infektionen mit Bacillus cereus auch das Risiko einer dauerhaften Infektion bergen. Small Colony Variants wachsen zwar langsamer, scheiden aber dennoch Toxine aus, die den Körper schädigen. „Eine Kombinationstherapie mit anderen Antibiotikagruppen wäre in diesem Fall sinnvoll“, empfiehlt Frenzel.

 

Neuer molekularer Mechanismus der »Small Colony Variants-Entstehung«

Ein Keim, der seit einigen Jahren als multiresistenter Krankenhauskeim bekannt ist und vor allem für immunschwache Personen lebensbedrohlich sein kann, ist Staphylococcus aureus. Auch dieser Keim bildet Small Colony Variants. Im Unterschied zu Bacillus cereus kann sich Staphylococcus aureus jedoch in seinen Ursprungszustand zurückentwickeln. Für Bacillus cereus scheint die Kleinkolonie-Form endgültig zu sein. „Wir gehen davon aus, dass die Bildung von Small Colony Variants bei Bacillus cereus anders abläuft als bei Staphylococcus aureus“, so die Studienleiterin Ehling-Schulz.

 

Ökologische Nische zur Stressabwehr

„Die Fähigkeit Small Colony Variants zu bilden, scheint für die Bakterien eine ökologische Bedeutung zu haben“, meint Frenzel. „Mit dieser alternativen Lebensform entgehen die Bakterien Stressfaktoren, wie den für sie gefährlichen Antibiotika. Auch im Boden, wo Bacillus cereus ebenso vorkommt, gibt es andere Mikroorganismen, die Antibiotika bilden. Auch hier wäre die Bildung von Small Colony Variants für die Bakterien von Vorteil.“

 

Quelle: Der Artikel „The Endospore-Forming Pathogen Bacillus cereus Exploits a Small Colony Variant-Based Diversification Strategy in Response to Aminoglycoside Exposure“ von Elrike Frenzel, Markus Kranzler, Timo D. Stark, Thomas Hofmann und Monika Ehling-Schulz wurde im Fachjournal mBio veröffentlicht. DOI:10.1128/mBio.01172-15

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