Mittwoch, April 24, 2024

Altern mit allen Sinnen

Altern mit allen Sinnen ist für den HNO-Arzt eine zunehmende Herausforderung, nahezu jeder dritte HNO-Patient wird im Jahre 2030 über 65 Jahre alt sein.

Bedingt durch den demografischen Wandel soll nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit der Anteil der über 60-Jährigen im Jahre 2030 auf 16 Prozent und im Jahre 2050 auf 22 Prozent der Gesamtbevölkerung ansteigen, das Altern mit allen Sinnen ist eine große Herausforderung, auch für das HNO-Fach.

Für den HNO-Arzt ist die Auseinandersetzung mit dem älteren und alten Menschen und seinen Besonderheiten von wesentlicher Bedeutung, da laut einer Hochrechnung 30 Prozent der sich beim HNO-Arzt vorstellenden Patienten im Jahre 2030 über 65 Jahre alt sein werden. Ältere Menschen leiden überproportional häufig unter Hals-Nasen-Ohren-ärztlichen Problemen, allen voran einer meist beidseitigen Hörstörung (sogenannte Presbyakusis = Altersschwerhörigkeit) (Creighton, 2012). So findet sich bei jedem dritten 65-Jährigen eine sogenannte behindernde Schwerhörigkeit, das heißt eine mittlere Hörschwelle von über 40 Dezibel (dB) auf dem besser hörenden Ohr (WHO, 2001). Schätzungen gehen von zirka 15 bis 22 Millionen Menschen aus, die in Deutschland an einer relevanten Schwerhörigkeit leiden (Sohn, 2001). Die damit verbundenen volkswirtschaftlichen Kosten werden pro Jahr auf mehrere Milliarden Euro beziffert (Neubauer 2011).

Dabei führt eine Hörstörung nicht nur dazu, dass im Anfangsstadium vor allem die hohen Töne, wie zum Beispiel beim Vogelgezwitscher, schlechter gehört werden. Eine nicht versorgte Hörstörung im Alter geht auch mit einem erhöhten Sturzrisiko (Lin, 2012) einher und ist mit neuropsychiatrischen Veränderungen wie einem vermehrten sozialen Rückzug (Mick, 2014) bis hin zu einer Depression, wie sie auch bei Beethoven bestand, assoziiert. Daneben scheint eine Hörstörung das Risiko zu erhöhen, an einer Demenz zu erkranken, und zwar bei einer mittelgradigen Hörstörung um das Doppelte, bei einer hochgradigen um das 5-Fache (Lin, 2012).

Häufig werden Hörstörungen im Alter nicht oder erst spät erkannt und behandelt, sei es durch ein Negieren aufseiten der Betroffenen oder auch das hierfür fehlende Bewusstsein der Umgebung. So sind, je nach Datenlage, zwischen 16 Prozent und 50 Prozent der mittel- bis hochgradig Schwerhörigen nicht mit einem Hörgerät versorgt (Deutscher Schwerhörigenbund, 2018, und Johnson, 2010). Dabei verfügen im Gegensatz zu den Hörgeräten der Vergangenheit, die oft in der Nachttischschublade verschwanden, moderne digitale Hörgeräte über vielfältige Zusatzfeatures wie zum Beispiel eine Störschallunterdrückung. Auch führt eine langsame Gewöhnung an aktuelle Hörgeräte durch einen adaptiven Anpassungsvorgang zu einer besseren Akzeptanz derselben.

Auch hochgradige Schwerhörigkeiten bis hin zu einer Ertaubung lassen sich heutzutage erfolgreich therapieren. In diesen Fällen kommt ein sogenanntes Cochlea-Implantat (CI) zum Einsatz, das den Hörnerven elektrisch stimuliert. Zahlreiche Studien konnten zeigen, dass ältere Patienten in vielfältiger Weise von einem CI profitieren und die Rate an potenziellen Komplikationen bei älteren CI-Trägern nicht höher ist als bei Jüngeren (Büchsenschütz, 2014).

Auch der Gewinn an Lebensqualität ist durch ein CI, wie verschiedene Studien belegen konnten, erheblich (Olze, 2012 und 2016). Diskutiert wird derzeit die Frage, ob sich durch eine postoperative Hörrehabilitation auch kognitive Fähigkeiten verbessern lassen, wie erste Pilotstudien von Mosnier (2015) und Cosetti (2016), aber auch eigene Untersuchungen (Völter, 2018) andeuten.

Gemeinsam mit Geriatern, Gerontologen und Ophthalmologen wollen wir daher auf der diesjährigen Tagung diskutieren, welche gemeinsamen Wege es geben kann und muss, damit wir in Zukunft gut „altern“ können.

Quelle: Statement » Altern mit allen Sinnen – wie kann dies gelingen? « von Priv.-Doz. Dr. med. Christiane Völter Leiterin Hörrehabilitation an der Universitäts-Hals-Nasen-Ohrenklinik, St. Elisabeth-Hospital Bochum zur 89. Jahresversammlung der DGHNO-KHC

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