Montag, März 18, 2024

Husten, Schnupfen, Heiserkeit: akute respiratorische Infekte nehmen stark zu

Akute respiratorische Infekte machen sich früher als sonst bemerkbar und fordern Ärztinnen und Ärzte im ambulanten und stationären Bereich.

Viel früher als in den vergangenen 20 Jahren rollen seit einigen Wochen akute respiratorische Infekte als Welle unaufhaltsam über Mitteleuropa. Und zwar scheinbar unabhängig von der SARS-Pandemie. Unter dem Strich machen sich akute respiratorische Infekte nicht nur in den Familien, Kindergärten, Schulen sowie Arbeitsstätten bemerkbar. Sondern sie sind auch eine Herausforderung im ambulanten und stationären Bereich.



 

Akute respiratorische Infekte oder SARS CoV2

Jedenfalls ist die Verunsicherung bei Ärzten und Eltern groß. Denn wegen der vierten Welle in der Corona-Pandemie denken viele bei einem respiratorischen Infekt doch immer auch an SARS CoV2 und Covid 19 als Ursache der Infektion.

Eine der Ursachen für den sehr frühen Beginn der Erkältungssaison ist – so paradox es klingen mag – auch in den Corona bedingten Hygienemaßnahmen zu finden. Vor allem Kleinkinder sind nun mit Krankheitserregern konfrontiert, die ihr Immunsystem aufgrund der Corona Maßnahmen nicht kennenlernen konnte.

Durch die Kontaktbeschränkungen und die Verwendung von Masken etc. sind mittlerweile fast zwei komplette Geburtenjahrgänge nicht mit den herkömmlichen, normalerweise alljährlich zirkulierenden respiratorischen Viren in Kontakt gekommen. Dadurch ergibt sich nun eine mittlerweile große Anzahl an komplett „naiven“ Kindern, die erste Infekte mit respiratorischen Viren durchmachen können.



 

Mit einer Erstinfektion geht auch eine sehr hohe Viruslast einher sowie eine lange Ausscheidungsdauer von infektiösen Viruspartikeln (bis zu 7 Tagen).

Das bedeutet, dass Kinder bei einer Erstinfektion mit einem respiratorischen Virus zu Superspreadern werden können und die Infektion sehr leicht an Ihre Kontaktpersonen weitergeben. Den Erwachsenen wiederum fehlt das immunologische Training durch die ausgebliebenen Wildvirusboosterungen im letzten Jahr und sie haben nun bei neuerlichem Kontakt eine größere Wahrscheinlichkeit, die Infektion symptomatisch durchzumachen.

Das Ausmaß der derzeit herrschenden Infektionswelle bildet sich auch in der Anzahl an Neuerkrankungen an grippalen Infekten ab, die während der Wintermonate regelmäßig von der MA15 (Grippemeldedienst der Stadt Wien) erhoben werden. Mit Kalenderwoche 41/2021 sind in Wien über 10.000 Personen an einem grippalen Infekt erkrankt (zum Vergleich, normalerweise liegt die Anzahl an Neuerkrankungen pro Woche im Oktober zwischen 4.000 und 6.000).

Das Überwachungssystem der respiratorischen Viren in Österreich zeigt, dass die derzeitigen grippalen Infekte fast ausschließlich von Rhinoviren und Respiratorischen Synzytial Viren (RS Viren) verursacht werden (ausgenommen natürlich immer die SARS CoV 2 Infektionen).

 

Zirkulation der Rhinoviren und RSV während der letzten beiden Jahre

Abbildung 1: Nachweise von Rhinoviren (RHINO) und Respiratorische Synzytial Viren (RSV) im virologischen Sentinelsystem für respiratorische Viren am Zentrum für Virologie der Medizinischen Universität Wien
Abbildung 1: Nachweise von Rhinoviren (RHINO) und Respiratorische Synzytial Viren (RSV) im virologischen Sentinelsystem für respiratorische Viren am Zentrum für Virologie der Medizinischen Universität Wien

Abbildung 1 zeigt die Zirkulation der Rhinoviren und RSV während der letzten beiden Jahre. Bemerkenswert ist v.a. die jeweils starke Zunahme der Rhinovirusnachweise unmittelbar nach Schulbeginn. Zusätzlich kann aus Abbildung 1 auch die derzeit äußerst starke Aktivität der RS Viren entnommen werden.

Dieser außergewöhnlich frühe und starke Beginn der RS Virus Saison wurde bislang noch nicht in dieser Ausprägung beobachtet. In der Regel beginnt die epidemische RS Virus Zirkulation um die Kalenderwochen 46-48 und erreicht ihren Höhepunkt im Jänner/Februar. Besonders die hohe RSV Zirkulation führt teilweise zu schweren Krankheitsfällen. Die RS Viren gehören zur Familie der Paramyxoviren, eine Infektion äußert sich mit Symptomen wie hohem Fieber, Schnupfen, Husten und Atembeschwerden.



 

Bei Kleinkindern und vor allem bei Säuglingen kommt es häufig zu schweren Verläufen mit Bronchitis / Bronchiolitis, die in weiterer Folge zu Hospitalisierungen und schlimmsten Falls auch zur Aufnahme auf Intensivstationen führen.

In der Regel erkranken 65% aller Kinder innerhalb des 1. Lebensjahres an RS Virus, nahezu alle Kinder (97%) haben bis zum Ende ihres 2. Lebensjahres eine RS Virusinfektion durchgemacht. Dies schützt die Kinder zwar nicht vor erneuter Ansteckung, aber der Krankheitsverlauf bei Re-Infektion wird dadurch stark abgemildert. Weltweit versterben laut WHO jährlich über 80.000 Kleinkinder an einer RS Virusinfektion.

In Österreich müssen üblicherweise jährlich ca. 1100 Kinder wegen eines schweren Verlaufes einer RS Virusinfektion hospitalisiert werden. Eine Prophylaxe steht derzeit nur in Form einer passiven Immunisierung für Risikokinder zur Verfügung. Forschungen und Studien zu weiteren Medikamenten zur passiven Prophylaxe gegen RSV sind jedoch bereits weit fortgeschritten und zeigen erste vielversprechende Ergebnisse.

 

Influenzaviren in Europa

Wie die weitere Saison sich entwickeln wird, hängt sehr stark von der Frage ab, ob es eine Influenzawelle geben wird, und wie sie verläuft. Zurzeit beobachten wir eine regionale Aktivität von Influenzaviren in Kroatien, damit assoziiert sind auch einige sporadische Influenzafälle in Europa, die durch Reisende verschleppt wurden. Ansonsten kann man aktuell nur vereinzelt Influenzaviren in Europa nachweisen. Eines steht jedoch bereits jetzt schon fest, wir können uns auf eine ungewöhnliche Herbst- /Wintersaison einstellen, die mit Sicherheit anders als die letzte verlaufen wird.




logo-virusepidemiologische-informationen

Quelle:

VIRUSEPIDEMIOLOGISCHE INFORMATION” 21/21-4. Dr. M. Redlberger-Fritz. Department für Virologie der Med. Universität Wien.

http://www.virologie.meduniwien.ac.at/home/upload/vei/2016/1516.pdf

Related Articles

Aktuell

Depressive Störung im Alter rechtzeitig erkennen und wirksam behandeln

Eine depressive Störung im Alter kann man durchaus erfolgreich behandeln. Bedeutend ist eine rechtzeitige Diagnose und das Erkennen der Ursachen. Laut demoskopischer Voraussagen sind wir eine Bevölkerung,...
- Advertisement -

Latest Articles

Intermittierendes Fasten gegen Diabetes und Fettleibigkeit

Intermittierendes Fasten ist vielversprechend gegen Diabetes und Fettleibigkeit. Wobei man trotz Schummeltagen von den Vorteilen profitieren kann. Aktuelle Forschungen beleuchten die positiven Effekte, die Intermittierendes...

Zervikale Bandscheibenprothese: zukunftsweisende Behandlung für Bandscheibenvorfälle

Die Behandlung mit einer zervikalen Bandscheibenprothese ist eine zukunftsweisende Therapie für Bandscheibenvorfälle. In Europa ist die anteriore Diskektomie und Fusion, oft durchgeführt mit einem Cage,...

Gesunde Wirkungen der Katzenkralle: gegen Rheumatoide Arthritis, Entzündungen bei vielen anderen Erkrankungen

Die südamerikanische Heilpflanze Katzenkralle, Uncaria tomentosa, zeigt Wirkung bei Patienten mit rheumatoider Arthritis und verbessert die eingeschränkte Beweglichkeit. Die Katzenkralle – auch als Krallendorn oder...