Donnerstag, März 28, 2024

Akute Atemwegsinfektionen durch Rhinoviren und respiratorische Enteroviren

Mehr als die Hälfte aller Infektionen der oberen Atemwege werden durch Rhinoviren oder respiratorische Enteroviren verursacht.

Viele Viren, die eine Infektion der oberen Atemwege verursachen, zeigen ebenso wie die Influenzaviren eine epidemische Aktivität. Alljährlich lässt sich beobachten, dass neben der meist im Jänner und Februar stattfindenden Grippewelle noch weitere Viren zirkulieren, die entweder vor, während oder nach der Grippewelle, gehäuft Atemwegsinfektionen verursachen. Wenn über akute Atemwegserkrankungen berichtet wird, richtet sich das Hauptaugenmerk meist auf Influenzaviren oder das Respiratory syncytial Virus (RSV). Denn diese Viren können besonders schwere  Infektionen verursachen.

Studien (z.B. Makela et al, J.Clin.Microbiol, 36, 1998) zeigen jedoch, dass Rhinoviren (RV) oder respiratorische Enteroviren (EV) mehr als die Hälfte aller Infektionen der oberen Atemwege verursachen werden. Man bezeichnet diese als akute Respiratorische Infekte (ARI)“ (engl. „Common Cold“).

 



Im Grunde genommen kann man jedenfalls eine Zunahme von Infektionen der Atemwege durch Rhinoviren beobachten. Auch wenn Rhinoviren aufgrund ihrer eher milderen klinischen Symptomatik oft unterschätzt werden, sind sie, gemeinsam mit den respiratorischen Enteroviren jedoch die häufigsten Erreger von akuten Infektionskrankheiten des Menschen.

 

Rhinoviren und Enteroviren sind enge Verwandte

Genetisch betrachtet gehören Rhinoviren zur Familie der Picornaviridae und sind sehr eng mit den Enteroviren verwandt. Aufgrund dieser nahen Verwandtschaft ist die systematische Abgrenzung der Rhinoviren von den Enteroviren sehr schwierig, weswegen die Systematik innerhalb der letzten Jahrzehnte einige Male adaptiert werden musste.

Nach dem letzten Stand des Wissens zählen die Rhinoviren zum Genus der Enteroviren innerhalb der Familie der Picornaviridae (Tapparel et al, Infection, Genetics and Evolution 14, 2013).

Beim Genus EV werden 7 unterschiedliche humanpathogene Spezies unterschieden, 3 RV Spezies (RV-A bis und RV-C) und 4 EV Spezies (EV-A bis EV-D), die wieder in weitere Genotypen unterteilt werden. Derzeit sind insgesamt 130 humanpathogene RV Genotypen und 101 humanpathogene Enteroviren Genotypen bekannt, hinzukommen noch unzählige Genotypen von tierpathogenen Enteroviren.

 

Unterschiedliche Übertragung von Rhinoviren und Enteroviren

Im Gegensatz zu den Rhinoviren werden die Enteroviren in der Regel fäko-oral übertragen und verursachen je nach Genotyp klinisch unterschiedliche Krankheitsbilder, wie z.B.: die im vergangenen Sommer sehr häufig aufgetretene Hand-Fuß-Mund Krankheit, oder Herpangina, Konjunktivitis, Gastroenteritis, Pleurodynie, und v.a. Infektionen des Nervensystems.

So sind Enteroviren die häufigste Ursache von viralen Meningitiden. Dennoch kann man manche EV-Genotypen ausschließlich im Respirationstrakt nachweisen, wo sie akute Infektionen hervorrufen. Das sind hauptsächlich Vertreter der Spezies EV-C und EV-D.

Sie werden daher auch als respiratorische Enteroviren bezeichnet. Ihre Übertragung erfolgt, ebenso wie die Übertragung der Rhinoviren, größtenteils über Schmierinfektionen. Respiratorische Enteroviren-Genotypen und Rhinoviren bleiben an Oberflächen ebenso wie an Händen einige Stunden lang infektiös. Dadurch ist vor allem bei nicht ausreichender Händehygiene eine rasche und effiziente Übertragung von Mensch zu Mensch möglich ist. Eine Übertragung via Tröpfchen ist ebenso möglich, dennoch scheint dieser Übertragungsweg weniger effizient zu sein als jener der Schmierinfektion.

Die Mitglieder der Rhinoviren-Spezies sind für die Hälfte bis zwei Drittel aller „Erkältungen“ verantwortlich. Kinder stellen dabei das Reservoir für Rhinoviren dar. Und sie können 8 bis 12 Rhinoviren-Infektionen pro Jahr durchmachen. Während sich Erwachsene dagegen nur noch 2- bis 3-mal jährlich mit RV infizieren. In der Regel verlaufen Infektionen mit Rhinoviren oder respiratorischen Enteroviren komplikationslos.

Üblicherweise treten nach einer Inkubationszeit von ca. 2 Tagen bei den Betroffenen die charakteristischen Symptome (verstopfte Nase, Schnupfen, Husten, Niesen, Halsschmerzen und Krankheitsgefühl) auf, die in der Regel nach ca. 7 bis 14 Tagen enden. Neben dem Alter und der Immunkompetenz des Infizierten wird die Symptomatik und die Schwere der Erkrankung auch durch die RV Spezies und den Genotyp bestimmt.



Rhinoviren und respiratorische Enteroviren verursachen zahlreiche Symptome

Rhinoviren und respiratorische Enteroviren können daher ein breites Spektrum von Symptomen verursachen. Dies reicht von einer asymptomatischen Infektion über eine obstruktive Bronchitis und eine Pneumonie bis hin zu einer disseminierten Infektion.

In seltenen Fällen ergab sich auch eine Gastroenteritis oder eine Perikarditis. An dieser Stelle sind die schwer verlaufenden Infektionen mit dem respiratorischen EV D68 zu erwähnen. Diese konnte man im Jahr 1962 erstmals in Kalifornien aus respiratorischen Proben von Kindern mit ARI isolieren.

EV D68 verursachte im Sommer 2015 in den USA gehäuft bei Kindern akute Infektionen der unteren Atemwege, die in etlichen Fällen mit dem Auftreten akuter schlaffer Lähmungen assoziiert waren. Durch zunehmendes Wissen und bessere diagnostische Möglichkeiten werden seit 2015 nicht nur in den USA sondern auch in Europa immer wieder Fälle von schlaffen Lähmungen diagnostiziert, die in der Folge von EV D68 bedingten ARI aufgetreten sind.

Während die meisten fäko-oral übertragenen Enteroviren-Infektionen einen Häufigkeitsgipfel im Sommer haben, können Infektionen mit respiratorischen EV auch in den Wintermonaten nachgewiesen werden. Infektionen mit der RV- Spezies A (RV-A) und B (RV-B) zeigen einen Häufigkeitsgipfel im April und Mai sowie einen weiteren im September und Oktober, wobei RV-A häufiger bei Erwachsenen nachgewiesen werden.

 

Unterschiedliche Verläufe

RV-B verursachen Infektionen mit einem besonders milden Krankheitsverlauf. Das ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass ihre Vermehrung, verglichen mit jener von RV-A oder RV-C langsamer abläuft und niedrigerer Viruskonzentrationen produziert werden. Damit geht auch eine vergleichbar geringere Cytokinproduktion und Cytotoxizität einher.

Rhinoviren der Spezies C (RV-C) konnte man erst im Jahr 2006 entdecken. Rhinoviren der Spezies C können nicht mit Hilfe von Zellkulturen isoliert werden. Und ihr Nachweis kann ausschließlich durch molekulargenetische Methoden erfolgen. RV-C Infektionen treten vorwiegend während der Wintermonate auf. Und sie verursachen vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern schwer verlaufende Infektionen der tiefen Atemwege.

Da fast alle Genotypen der Rhinoviren und der respiratorischen Enteroviren ihr Vermehrungsoptimum bei einer Temperatur von 33°C haben, bietet der obere Respirationstrakt für sie optimale Infektionsbedingungen. Eine Ausbreitung der Infektion in den unteren Respirationstrakts ist daher bei immunkompetenten Jugendlichen und Erwachsenen eher selten.



Einfluss der Temperatur

Bis vor kurzem ging man davon aus dass die Sensibilität von Rhinoviren und den respiratorischen Enteroviren gegenüber höheren Temperaturen (37°C) auf viralen Faktoren beruht. Wobei man den genauen viralen Mechanismus trotz langjährigen Forschungen bis jetzt nicht aufgeklären konnte.

Neueste Forschungsergebnisse (Foxman et al, PNAS, 112, 2015) deuten jedoch darauf hin, dass durch die niedere Temperatur in den oberen Atemwegen die lokalen Abwehrmechanismen des angeborenen Immunsystems wesentlich langsamer  ablaufen.

Dadurch  entsteht für respiratorische Viren ein Vermehrungsvorteil. Das ist ein sogenannter Immun Evasionsmechanismus. Und diesen haben sich nicht nur Rhinoviren und respiratorische Enteroviren im Lauf ihrer Evolution zugelegt. Sondern das taten alle Viren, die Infektionen des oberen Respirationstraktes verursachen. Die genaue Aufklärung solcher pathogenetischer Mechanismen ist speziell für die Entwicklung von spezifisch wirksamen antiviralen Medikamenten und Impfstoffen von Bedeutung.

Bedingt durch die enorme genetische Variabilität von Rhinoviren und respiratorischen Enteroviren blieben alle bisherigen Strategien zur Entwicklung von Impfstoffen gegen Rhinoviren und/oder Enteroviren erfolglos. Vor allem auch aufgrund der fehlenden Kreuzprotektivität von Antikörpern gegen die einzelnen Genotypen der verschiedenen Rhinoviren- bzw. Enteroviren-Spezies.

Es gab viele verschiedene Ansätze, antivirale Medikamente mit einem breiten Wirkungsspektrum zu entwickeln. Allerdings haben alle bis jetzt nicht zu einer klinisch anwendbaren antiviralen Therapie geführt.

 

Fazit

Zusammenfassend ist zu sagen, dass Rhinoviren und respiratorische Enteroviren die häufigsten Erreger von akuten Infektionskrankheiten des Menschen sind. Wobei die Erkrankungen bei Immunkompetenten in der Regel mild und ohne Komplikationen verlaufen.

Jedoch muss bedacht werden, dass bedingt durch die enorme genetische Variabilität von Rhinoviren und Enteroviren neue Genotypen mit veränderter Pathogenität und Virulenz entstehen können, die auch veränderte epidemiologische Eigenheiten und Krankheitsbilder aufweisen.

Aus diesem Grund sollte bei schweren und/oder atypisch verlaufenden Infektionen der Atemwege bei immunkompetenten Patienten immer ein Virusnachweis aus respiratorischen Sekreten mittels molekulargenetischer Methoden und anschließender Feincharakterisierung durchgeführt werden.




Quelle:

logo-virusepidemiologische-informationenVIRUSEPIDEMIOLOGISCHE INFORMATION NR. 20/17-9. Dr. Monika Redlberger-Fritz und Prof. Dr. Theresia Popow-Kraupp.

Department für Virologie der Med. Universität Wien.

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