Samstag, April 20, 2024

61. Deutscher Kongress für Endokrinologie – DGE2018-Highlights

DGE2018-Kongresspräsident Professor Dr. rer. nat. Ulrich Schweizer über die Highlights des 61. Deutschen Kongresses für Endokrinologie.

DGE2018 vom 14. bis 16. März. Zunächst möge man sich fragen, weshalb ein Biochemiker die Tagung der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie ausrichtete. Da geht es doch um Hormone, also im Rahmen eines medizinischen Kongresses um Krankheiten, bei denen entweder Hormone krankheitsbedingt fehlen oder es zu viele davon im Körper gibt. Gut, wenn man genauer hinschaut, dann gibt es auch Krankheitsbilder, bei denen das Hormon im Grunde da ist, scheinbar aber nicht seine Wirkung entfalten kann. Wozu braucht’s da also Biochemie?

Die Endokrinologie und die Biochemie sind seit ihren Anfängen eng miteinander verbunden. Biochemiker haben sich eingebracht bei der Identifizierung von Hormonen, wobei gesagt werden muss, dass auch heute noch immer neue Hormone gefunden werden; Biochemiker sind besonders wichtig bei der Entwicklung von Messverfahren, um die Menge von Hormonen im Blut von Patienten bestimmen zu können, aber auch bei der Produktion von Hormonen als Arzneimittel.

Ein weiteres Feld der endokrinologischen Grundlagenforschung sind die Identifizierung von zellulären Rezeptoren für Hormone und die Aufklärung der Signalwege, die durch diese Rezeptoren angeworfen werden, um die beobachteten Effekte letztlich zu bewirken. Gerade die genaue Kenntnis dieser Wege eröffnet schließlich die Möglichkeiten zur Modulation im Rahmen einer Arzneimitteltherapie. Wenigen Ärzten ist bewusst, dass ein deutscher Biochemiker, Axel Ullrich, den Insulinrezeptor gefunden hat.

Was waren die Highlights des DGE2018-Kongresses?

Am ersten Tag wurden sehr grundlagenorientiert im Plenum Hormonrezeptoren erörtert: Da bekam z.B. der Biochemiker Prof. Torsten Schöneberg aus Leipzig die Berthold-Medaille, das ist die höchste wissenschaftliche Auszeichnung dere DGE, für seine bahnbrechenden Arbeiten zu einer bisher wenig verstandenen Familie von Rezeptoren.

Danach haben wir uns Prof. Eric Prossnitz aus Albuquerque eingeladen, der vor ein paar Jahren einen völlig neuen Östrogenrezeptor entdeckt hat, und ich habe das Gefühl, dass diese Neuigkeit noch nicht die ganze deutsche Fachöffentlichkeit erreicht hat, sofern sie nicht direkt an Östrogen arbeitet.

Ein dritter Vortrag am heutigen Mittwoch wurde von Prof. Samuel Refetoff aus Chicago gehalten, der vor über 40 Jahren entdeckt hat, dass bei einem seltenen Syndrom der Rezeptor für das Schilddrüsenhormon nicht funktioniert, sodass quasi ein Schilddrüsenhormon-Mangel besteht, obwohl die Hormonspiegel sogar erhöht sind. Diese Schilddrüsenhormon-Resistenz wird auch Refetoff Disease genannt.

Refetoff hat über weitere seltene Erkrankungen in diesem Zusammenhang gesprochen, inklusive des klinischen Managements. Es ist nämlich ein Problem, dass es heute modern ist und wirtschaftlich geboten, sich um die großen Probleme zu kümmern, was aber im Umkehrschluss bedeutet, dass die Patienten mit selteneren Erkrankungen halt Pech haben können, weil ihre Ärzte die Erkrankung gar nicht einordnen können.

In der Medizinerausbildung gibt es erheblichen politischen Druck, nur das „Wichtige“ zu lehren, was die praktischen Ärzte in den Augen von Politikern wirklich brauchen, um die Hausarztversorgung auf dem Land sicherzustellen. Und Wichtigkeit wird anhand von Fallzahlen definiert. Zu Ende gedacht, sollten Patienten in ländlichen Gebieten also besser Abstand davon nehmen, an einer seltenen Erkrankung zu leiden.

Am zweiten Tag war ein Highlight neben dem Beitrag von Herrn Kollegen Schultze das Zusammentreffen von Prof. Sir Stephen O’Rahilly aus Cambridge und dem diesjährigen Leibniz-Preisträger Prof. Eicke Latz aus Bonn in der gleichen Plenarsession. Hier ging es um quantitativ große Probleme, Adipositas und Stoffwechselerkrankungen, zu denen beide Referenten hervorragende Beiträge geleistet haben.

Ich nehme aber an, dass es nach außen so aussieht, als hätten sie unterschiedliche Meinungen. Ich könnte mir vorstellen, dass es bei der Adipositas so ist wie beim Krebs. Es gibt zwar ein Wort für die Krankheit, aber tatsächlich sind es unterschiedliche Erkrankungen mit unterschiedlichen Ursachen, die letztlich unterschiedlich behandelt werden müssen, wenn es gelingt, sie diagnostisch voneinander abzugrenzen. Ich würde mich freuen, wenn wir mit diesem Kongress ein wenig mehr intellektuelle Schärfe in das Denken und die Argumentation um Adipositas bringen könnten. Am dritten Tag kam das Thema Oxytocin ebenfalls mehrfach vor.

Abgeschlossen wurde der wissenschaftliche Teil des Kongresses mit einer öffentlichen Podiumsdiskussion am Freitagabend zum Thema Doping. Wie beim Social Freezing finde ich, dass die öffentliche Diskussion sich manchmal frei gemacht hat von den anstrengenden wissenschaftlichen Grundlagen, und daher freute ich mich, dass diesmal Endokrinologen und Biochemiker zusammen mit Sportlern und Ethikern auf dem Podium gesessen sind.

DGE2018 sollte nicht nur eine Tagung sein, wo alte Meister schaulaufen, sondern es sollte auch der Nachwuchs gefördert und mit seinen neuen Ideen sichtbar gemacht werden. Deshalb werden eine ganze Reihe von Wissenschaftspreisen an Nachwuchswissenschaftler und Ärzte vergeben.

Quelle: EXPERTENSTATEMENT »Kongress-Highlights des 61. Deutschen Kongresses für Endokrinologie« von Professor Dr. rer. nat. Ulrich Schweizer, Kongresspräsident DGE, Institut für Biochemie und Molekularbiologie, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

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