Freitag, April 19, 2024

Zyklotid gegen Multiple Sklerose vielversprechend

Das Pflanzenpeptid Zyklotid könnte den Ausbruch einer Multiplen Sklerose verhindern, die einmalige orale Gabe von Zyklotid konnte die Symptome stark verbessern.

Ein neuer Ansatz zur Behandlung von Multipler Sklerose (MS) macht macht Betroffenen große Hoffnung. Eine internationale Forschergruppe konnte nachweisen, dass es nach der Behandlung mit dem speziellen synthetischen Pflanzenpeptid Zyklotid – engl. Cyclotide – zu keiner weiteren Entwicklung üblicher klinischer Anzeichen einer Multiplen Sklerose kommt.

Zyklotid ist ein ringförmig aufgebauter Wirkstoff, der sich aus Pflanzen wie Kürbis, Kaffee und speziell auch Veilchengewächsen isolieren lässt. Die einmalige orale Gabe von Zyklotid zeigt in Untersuchungen eine starke Verbesserung der MS-Symptome. Es kam zu keinen Schüben der Erkrankung. Die Experten vermuten auch, dass die Anwendung von Zyklotid den Verlauf der Multiplen Sklerose generell deutlich verlangsamen könnte.

 

Chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose

Multiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems, bei der die Isolierschichten der Nervenfasern zerstört werden. Die Erkrankung verläuft in Schüben und ist derzeit nicht heilbar. Ein Schub definiert sich durch das Auftreten neuer oder das Wiederaufflammen bereits bekannter Symptome. Durch die einzelnen Schübe kommt es zu einer sofortigen oder auch verzögerten, weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustands der PatientInnen.

Die Mechanismen der Entzündung im Nervensystem sind partiell aufgeklärt. Auf der Basis dieser Erkenntnisse stehen Therapien zur Verfügung, die den Verlauf verzögern können aber vor allem bei Dauertherapie mitunter erhebliche Nebenwirkungen aufweisen. Weltweit sind Schätzungen zufolge rund 2,5 Millionen Menschen von MS betroffen.

 

Zyklotid oral verabreicht reduzierte MS-Symptome

Die Entdeckung der Forscher lässt darauf hoffen, die Erkrankung zukünftig bereits in einer sehr frühen Phase stoppen oder ihre Entwicklung zumindest stark verlangsamen zu können. Sobald funktionelle neurologische Defizite auftreten und im MRI-Scan erste krankheitsbedingte Veränderungen im Zentralnervensystem sichtbar sind, könnte man laut Meinung der Forscher das Zyklotid zur Basistherapie verabreichen.

In einem Tiermodell für MS wurde das Auftreten von Symptomen durch die orale Verabreichung von Zyklotid erheblich reduziert. Es wird vermutet, dass sich die Zeitspanne zwischen den Schüben verlängert oder möglicherweise ein Ausbruch der Erkrankung verhindert werden kann.

Basierend auf dieser Entwicklung hat die MedUni Wien zusammen mit dem Universitätsklinikum Freiburg Patente in mehreren Ländern angemeldet, und an die eigens für die Weiterentwicklung gegründete Firma Cyxone (www.cyxone.com) auslizensiert. Ziel dieser Zusammenarbeit ist es, ein oral aktives, sicheres Medikament für die Behandlung von Multipler Sklerose zu entwickeln. Dafür könnte eine klinische Studie der Phase I, so Gruber, mit Ende 2018 starten.

 

Zyklotid: leicht verfügbar und oral einsetzbar

Cyclotide sind makrozyklische Pflanzenpeptide, die aus allen bedeutenden Pflanzenfamilien (z.B. Kaffeegewächse, Kürbisgewächse, aber auch Gräser und Nachtschattengewächse) isoliert werden können und daher eine vielseitige und große Gruppe von Naturstoffen darstellen. Weiterer Vorteil: Das daraus gewonnene Medikament kann oral eingenommen werden. Viele der derzeit gängigen MS-Therapien müssen intravenös verabreicht werden.

Der Wirkmechanismus der Cyclotide wurde vor etwa 5 Jahren von Wissenschaftlern an der MedUni Wien in Zusammenarbeit mit Forschern des Universitätsklinikums Freiburg entdeckt. Sie unterdrückten den Botenstoff Interleukin-2 und damit die Zellteilung der T-Zellen, die bei der Reaktion des menschlichen Immunsystems als „Killer“- oder „Helfer“-Zellen wirken. Cyclotide könnten daher möglicherweise auch bei anderen Erkrankungen eingesetzt werden, die durch ein überaktives, fehlgeleitetes Immunsystem gekennzeichnet sind wie etwa die rheumatoide Arthritis.


Literatur:

Kathrin Thell, Roland Hellinger, Emine Sahin, Paul Michenthaler, Markus Gold-Binder, Thomas Haider, Mario Kuttke, Zita Liutkevičiūtė, Ulf Göransson, Carsten Gründemann, Gernot Schabbauer, Christian W. Gruber. Cyclic peptide for multiple sclerosis treatment. Proceedings of the National Academy of Sciences Mar 2016, 201519960; DOI: 10.1073/pnas.1519960113


Quelle: MedUni Wien

Related Articles

Aktuell

Zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom kultivieren

Wichtig zur Klärung der Metastasierung: Forscher gelang es, zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom zu kultivieren. Die Forschung zum kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC), einer besonders aggressiven Form...
- Advertisement -

Latest Articles

Individuelle Beratung zur Ernährung für Krebspatienten

Beratung zur Ernährung für Krebspatienten: Verbesserung der Lebensqualität durch individuelle ernährungsmedizinische Unterstützung. Eine rechtzeitige und individuell angepasste Beratung zur Ernährung kann wesentlich zur Verbesserung der...

Warum HIV trotz Kombinationstherapie höchst aktiv sind

Neue Herausforderungen in der HIV-Behandlung sind, dass aktive HI-Viren trotz Kombinationstherapie weiterhin aktiv bleiben. Die HIV-Kombinationstherapie, eingeführt in den 1990er Jahren, gilt als Meilenstein in...

Partnerschaft mit Diabetes-Patienten: auch die Partner profitieren von Einbeziehung

Den Partner in die Diabetes-Behandlung zu integrieren, verbessert die Partnerschaft und das gemeinsame Wohlbefinden. Diabetes Typ-2 stellt nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für...