Samstag, April 20, 2024

Zulassung von Arzneimitteln

Für die Zulassung von Arzneimittel – unabhängig ob synthetischer oder pflanzlicher Natur – muss laut Gesetz Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität nachgewiesen sein.

Die Wirksamkeit pflanzlicher Präparate wird von Kritikern immer wieder angezweifelt – völlig zu unrecht. Denn: Für jedes hierzulande auf dem Markt befindliche Arzneimittel – unabhängig ob synthetischer oder pflanzlicher Natur – muss laut Gesetz der Nachweis der Wirksamkeit, der Unbedenklichkeit und der pharmazeutischen Qualität erbracht sein. Zulassungsanträge für Arzneimittel werden in Österreich durch die AGES Medizinmarktaufsicht kritisch geprüft und durch das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen beschieden.

 

Höchste Anforderungen an Arzneimittel, um eine Zulassung zu erhalten

Sobald ein Arzneimittel seine Zulassung erhalten hat, sind seine Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität gewährleistet. Grundsätzlich gibt es für pflanzliche Arzneimittel verschiedene Formen der Zulassung:

Neuzulassung: Für die Zulassung eines völlig neuen Präparates müssen doppelblinde, randomisierte klinische Studien sowie pharmakologische und toxikologische Studien durchgeführt werden.

Well established use („Allgemeine medizinische Verwendung“): Diese Form der Zulassung kann für Wirkstoffe angewendet werden, die bereits mindestens zehn Jahre auf dem Markt sind und deren Patentschutz abgelaufen ist. Für solche Arzneistoffe existieren bereits publizierte klinische Studien, die ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nachgewiesen haben. Ein anderer Hersteller kann auf Basis dieser Daten um die Zulassung eines Arzneimittels mit dem gleichen Wirkstoff ansuchen.

Traditional use („Traditionelle Verwendung“): Für sogenannte traditionelle pflanzliche Arzneimittel sind keine klinischen Studien zur Registrierung erforderlich. Stattdessen müssen sie über einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren in Anwendung stehen, davon mindestens 15 Jahre in der Europäischen Union. D.h., wenn durch entsprechende Belege nachgewiesen ist, dass dieses Arzneimittel über diesen langen Zeitraum in dieser Form zur Behandlung bestimmter Krankheiten verwendet wurde und die Wirksamkeit sich als plausibel erwiesen hat, wird auf diese medizinische Erfahrung vertraut. Letztendlich könnte man dieses Procedere einer 30-jährigen Anwendungsbeobachtung gleichsetzen. Die Unbedenklichkeit wird meist ebenso über bibliographische Daten nachgewiesen, nötigenfalls aber auch noch durch zusätzliche Tests gestützt.

Hinsichtlich der Anforderungen an die pharmazeutische Qualität gibt es grundsätzliche keine Unterschiede zwischen diesen drei Formen. Dazu gehören u.a. die Einhaltung und regelmäßige Kontrolle standardisierter Herstellungs- bzw. Verarbeitungsverfahren sowie deren detaillierte Dokumentation. Die Prüfung der ordnungsgemäßen Erfüllung aller Kriterien erfolgt durch die Medizinmarktaufsicht der AGES.

 

Unterschiede bei Nahrungsergänzungsmitteln

Von Arzneimitteln zu unterscheiden sind sogenannte Nahrungsergänzungsmittel (NEM). Sie sind eigentlich nicht dazu gedacht, Krankheiten zu behandeln, sondern dienen dem Zweck, gesunde Menschen mit bestimmten Substanzen zu versorgen, um sie in verschiedenster Weise zu stärken und so einer Erkrankung vorzubeugen. Allerdings sind diese Bereiche oft nicht klar zu definieren und zu unterscheiden, teilweise gibt es auch Überlappungen. Beispielsweise kann man sich die Frage stellen, ob Wechselbeschwerden eine Krankheit darstellen oder in einem bestimmten Lebensabschnitt ein normaler Zustand sind.

Nahrungsergänzungsmittel unterliegen weniger strengen Auflagen, weshalb es beträchtliche Qualitätsunterschiede geben kann. Auch für Nahrungsergänzungsmittel fordert eine entsprechende EURichtlinie, dass Wirkungsaussagen durch Studien belegt sein müssen. Die Experten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA geben dann eine Bewertung ab, welche Aussagen akzeptiert werden können. Daher gibt es auch NEM für die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in klinischen Studien belegt sind.

 

Fazit

Grundsätzlich spricht nichts gegen eine kritische Auseinandersetzung mit pflanzlichen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln. Wünschenswert und zielführend ist jedoch ausschließlich eine differenzierte, konstruktive Herangehensweise. Nur so lassen sich nichtfundierte Behauptungen erkennen, sowie pauschale Verurteilungen und Vorurteile vermeiden. Ziel sollte letztendlich immer eine objektive, auf Fakten beruhende Aufklärung und Information der Patienten und Verbraucher, sowie die Vermeidung von unbegründeter Verunsicherung sein.

Univ.-Prof. Dr. Rudolf Bauer, Vizepräsident der HMPPA, Leiter des Instituts für Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Graz
Univ.-Prof. Dr. Rudolf Bauer, Vizepräsident der HMPPA, Leiter des Instituts für Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Graz

Quelle: Statement von Univ.-Prof. Dr. Rudolf Bauer, Vizepräsident der HMPPA, Leiter des Instituts für Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Graz, am 12. Mai 2016 zum Thema „Wechselbeschwerden – Pflanzliche Präparate auf dem Prüfstand“

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