Freitag, April 19, 2024

Wie Imiquimod gegen Hautkrebs wirkt

Das Virostatikum Imiquimod wird zur Behandlung von kleinem, oberflächlichem Basaliom, aktinischer Keratose und Feigwarzen sowie kutanen Warzen eingesetzt.

Neben dem bereits bekannten Wirkungsmechanismus löst Imiquimod weitere Prozesse im Körper aus. Im Vorjahr wurden die molekularen Grundlagen dieser zusätzlichen Effekte durch ein Team der Technischen Universität München (TUM) aufklärt. Zusätzlich brachten die Ergebnisse weitere Details zu anderen molekularen Prozessen in den Blickpunkt, die ein Ansatz oder zur Behandlung inflammatorischer Erkrankungen wie Gicht sein könnten.

 

Imiquimod unter der Lupe

Imiquimod ist ein Virostatikum, mit dem seit 1997 erfolgreich virale Infektionen der Haut und bestimmten Formen von Hautkrebs behandelt werden. PD Dr. Olaf Groß, Gruppenleiter am Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie der TUM, und sein Team haben den Wirkstoff genauer untersucht. Als sogenannter Immunmodulator löst Imiquimod eine Immunreaktion aus, die dazu führt, dass das körpereigene Abwehrsystem die veränderten Zellen bekämpft. Dieser Prozess war lange der einzige bekannte Wirkungsmechanismus des Medikaments. Mittlerweile ist aber erwiesen, dass es weitere Prozesse im Körper startet: Zum einen beeinflusst der Wirkstoff direkt das Wachstum von Krebszellen. Zum anderen aktiviert Imiquimod einen Proteinkomplex, der Entzündungsprozesse im Körper steuert und als Inflammasom bezeichnet wird.

Der Begriff „Entzündung“ mag zunächst negative Assoziationen hervorrufen, im Normalfall unterstützen Entzündungsprozesse aber die Bekämpfung von Fremdkörpern und veränderten Zellen. Das Inflammasom kann sowohl zu diesen Schutzmechanismen beitragen, aber auch zerstörerisch wirken, wenn es überreagiert. „Wir nehmen an, dass diese anderen Wirkungsmechanismen von Imiquimod zu den positiven Auswirkungen des Medikaments oder zu seinen Nebenwirkungen beitragen“, sagt Olaf Groß.

 

Imiquimod greift in die Atmungsprozesse der Zellen ein

Imiquimod aktiviert das NLRP3-Inflammasom, ein Inflammasom, das auf zellulären Stress und Gewebeschäden reagiert. Olaf Groß und sein Team konnten zeigen, dass NLRP3 aktiviert wird, weil Imiquimod in die Atmungsprozesse der Zellen eingreift. Die Atmungskette ist eine komplexe Reihe biochemischer Reaktionen innerhalb von Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle, an deren Ende das Molekül Adenosintriphosphat, kurz ATP, gebildet wird, dass den Rest der Zelle mit Energie versorgt.

„Durch die Hemmung der Zellatmung wird nicht nur die Produktion von ATP gestoppt, sondern es werden auch Sauerstoffradikale freigesetzt, also giftige Formen von Sauerstoff, die besonders schnell mit anderen Stoffen reagieren“, erläutert Dr. Ritu Mishra, eine der beiden Erstautorinnen der Studie. „Imiquimod sorgt dafür, dass besonders viele Radikale freigesetzt werden. Anders als bei anderen Substanzen, die in die Atmungskette eingreifen, aber weniger Radikale erzeugen, wird hier eine Schwelle überschritten, die es möglich macht, dass NLRP3 aktiviert wird.“

 

Ansatz für Behandlung von inflammatorischen Erkrankungen

„Es herrscht allgemein großes Interesse an der Entwicklung von neue Medikamenten die NLRP3 hemmen und damit Entzündungen unterdrücken“, sagt Dr. Christina J. Groß , ebenfalls Erstautorin der Studie. „Wir hoffen, dass unsere Forschung dazu beiträgt, dass Medikamente entwickelt werden können, die die gefährliche Hyperaktivierung des NLRP3 Inflammasoms verhindern, wie sie bei Erkrankungen wie Gicht oder Multipler Sklerose auftritt.“ Wie sich Imiquimod genau auf Hautkrebszellen auswirkt, und ob die Hemmung der Zellatmung hinter dem Mechanismus der Hemmung des Wachstums von Krebszellen durch die Substanz steht, untersuchen Olaf Groß und sein Team in einer laufenden Nachfolgearbeit. Im Anschluss daran wollen sie neue, mit Imiquimod verwandte chemische Substanzen untersuchen, um herauszufinden, wie sich die verschiedenen Effekte des Medikaments entkoppeln lassen.

Publikation

C.J. Groß, R. Mishra, K.S. Schneider, G. Médard, J. Wettmarshausen, D.C. Dittlein, H. Shi, O. Gorka, P.-A. Koenig, S. Fromm, G. Magnani, T. Ćiković, L. Hartjes, J. Smollich, A.A.B. Robertson, M.A. Cooper, M. Schmidt-Supprian, M. Schuster, K. Schroder, P. Broz, C. Traidl-Hoffmann, B. Beutler, B. Kuster, J. Ruland, S. Schneider, F. Perocchi, O. Groß. „K+ Efflux-Independent NLRP3 Inflammasome Activation by Small Molecules Targeting Mitochondria“. Immunity (2016). DOI:http://dx.doi.org/10.1016/j.immuni.2016.08.010

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