Donnerstag, März 28, 2024

Ursachen für einen Verwirrtheitszustand, dem Delir, im Alter

Auch kognitive Störungen und Demenz können Ursachen für einen Verwirrtheitszustand sein. Man spricht auch von einem Delir oder Delirium.

Delir ist ein akutes, vorübergehendes, normalerweise reversibles neuropsychiatrisches Syndrom, das bei aktuem Auftreten schwer zu behandeln ist. Obwohl es in allen Altersgruppen vor kommen, sind ältere Menschen eher davon betroffen. Ein Verwirrtheitszustand spiegelt im Wesentlichen die Dekompensation der Gehirnfunktionen infolge eines oder mehrerer pathophysiologischen Ursachen wider.

 

Demenzpatienten im Krankenhaus

Laut ­Lipofsky (1980) leiden 25 bis 40% der hospitalisierten Demenzpatienten an Delirien. Die Inzidenz von Delirien beträgt in neueren Studien sogar bis zu 50% bei stationären Demenzpatienten (Stein W. M., 2005). Außerdem zeigen Studien, dass kognitiv beeinträchtige Patienten ein bis zu 45% hohes Risiko haben, einen Verwirrtheitszustand zu entwickeln (Britton A., Cochraen Library, 2005). Dadurch verlängern sich nicht nur Spitalsaufenthalte. Schließlich steigen auch die Komplikationsrate, das Mortalitätsrisiko sowie die Kosten.

Dass die Demenz ein zentraler Risikofaktor für einen Verwirrtheitszustand ist, ist seit langem bekannt (Schor, 1992). Trotzdem ist relativ wenig über superimponierende Delirien bei Demenz bekannt. Eine der wichtigsten Studien dazu war eine dreijährige retrospektive Studie. die eine Delir-Inzidenzrate von 13% bei insgesamt 7.347 in einer Gemeinde lebenden Demenzpatienten nachweisen konnte (Fick D. M. 2005).

 

Einbindung der Familienmitglieder

Im Idealfall müssen Patienten mit Delir im Krankenhaus bleiben, bis das Delir abgeklungen ist. Dabei müssen die Ärzte vor der Entlassung die Familie über weitere Therapieprobleme und die erforderliche Überwachung aufklären.

Außerdem sollten die Angehörigen die kognitiven Funktionen der Patienten mit Delir von Zeit zu Zeit überprüfen. Denn ein Delir erhöht das Risiko für eine Demenz sowie für weitere Delir-Episoden. Dementsprechend müssen die Familienmitglieder wissen, welche Symptome ein Verwirrtheitszustand zeigt.

Außerdem leiden viele Patienten unter erheblichen psychischen Beschwerden, wenn sie sich an ihre Delirerfahrungen erinnern. Deswegen sollte eine unterstützende psychotherapeutische Intervention erfolgen, um hierzu die Not zu lindern. Auch nach der Entlassung sollte man hier psychiatrische Dienste nutzen.

Auch Ärzte, die Delir-Patienten ambulant weiter behandeln, sollten die Patienten auf mögliche Symptome in jeder Nachsorge überprüfen. Dazu ist auch eine enge Verbindung mit dem behandelnden Krankenhausarzt beziehungsweise Chirurgen wichtig.

Das gilt auch für gemeinsame Entscheidungen im Sinne der Vorbeugung. Denn man kann mit verschiedenen Maßnahmen das Risiko für einen erneuten Verwirrtheitszustand bei einem neuerlichen Krankhausaufenthalt verringern. Dazu gehört die Bewertung der Risikofaktoren sowie das Absetzen aller unnötiger Medikamente. Weitere Maßnahmen umfassen eine angemessene Schmerztherapie. Weiter die Sicherstellung, dass der Patient ausreichend schläft sowie eine angemessene Flüssigkeitszufuhr und Ernährung. Schließlich sind auch Maßnahmen gegen kognitive Defizite von Vorteil.

 

Demenz und Delirien: Differentialdiagnose

Demenz und Delirien sind unterschiedliche Diagnosen, weisen aber gemeinsam gestörte kognitive Funktionen auf. Das wichtige differentialdiagnostische Kriterium zur Unterscheidung von Demenz und Delir ist die Zeit, in der die Veränderungen stattfinden. Demenzen haben generell einen langsamen Beginn, während Delirien sich schnell entwickeln. Delirante Symptome sind bei dementen und nicht-dementen Patienten vergleichbar. Nur psychomotorische Agitation, Desorientierung und irrationales Denken kommen bei Dementen häufiger vor (Cole M. G., 2002).

Es besteht Evidenz, dass ein Delir zu einer kognitiven Verschlechterung nach der Spitalsentlassung führt, und dass auch sechs Monate danach 30% nicht remittiert sind (Francis, 1990). Das Delir kann als akuter Verwirrtheitszustand mit Bewusst­seinstrübung angesehen werden. Eine kurze Dauer spricht für eine toxische Belastung. Zur deliranten Symptomatik gehören Störungen des kohärenten Denkens, Unruhe, Ängstlichkeit, Insomnie, störende Träume und flüchtige Halluzinationen (Stein, W. M., 2005).

Delirien können entweder hyperaktiv mit Hyperarousal, agitiertem Verhalten, Wahn, Halluzinationen oder Desorientierung imponieren und somit leichter diagnostiziert werden. Hypoaktive Delirien, wie sie bei Demenz­prozessen zumeist vorkommen, weisen eine Hypoarousal, reduzierte Wachsamkeit und Lethargie auf, und sind dadurch schwerer zu diagnostizieren.

 

Ursachen für einen Verwirrtheitszustand bei Demenz identifizieren

Im Grunde genommen gibt es zum Management von Delirien bei Demenz nach wie vor relativ wenige Studien. Das therapeutische Ziel muss es sein, die Ursachen des Verwirrtheitszustands zu identifizieren und zu behandeln. Statt nur den Patienten zu sedieren (wie es in Praxis leider oftmals der Fall ist). Unter dem Strich fokussiert sich das Delirmanagement bei Demenz auf die Früherkennung, die Differentialdiagnose der zugrunde liegenden Krankheiten sowie der Behandlung von Risikofaktoren (siehe Tabelle 1).


Vulnerabilitätsmodell Delir (Inouye SK, 1996)

Prädisponierende Faktoren

  • Demenzschwere
  • hohes Alter
  • männliches Geschlecht
  • Sehstörung
  • Depression
  • Funktionelle Störungen
  • Immobilität
  • Hüftfraktur
  • Dehydration
  • Alkoholabhängigkeit
  • Schwere somatische Erkrankungen
  • Schlaganfall
  • Metabolische Störungen

Präzipitierende Faktoren

  • Hypnotika, Narkotika
  • Schwere akute Erkrankungen
  • Harnwegsinfekt
  • Hypernatriämie
  • Hypoxämie
  • Schock
  • Anämie
  • Schmerz
  • Physische Beschränkung
  • Blasen-Katheter
  • Orthopädische OP, Herz-OP, OPs
  • Intensivstation
  • viele Spitalsbehandlungen

Tab. 1: Vulnarbilitätsmodell des Delirs


Im Grunde genommen sollte man immer eine genaue körperliche Untersuchung durchführen, um die Ursache für einen Verwirrtheitszustand herauszufinden. Denn oftmals können auch Harnverhaltung oder Obstipation, sensorische Deprivation, Infektionen sowie Fieber Ursachen für den Verwirrtheitszustand sein.

Auch die im Alter häufig praktizierte Polypharmazie gehört kritisch hinterfragt und die Behandler sollten potentiell delirogene Substanzen absetzen. Das sind beispielsweise Benzodiazepine, trizyklische Antidepressiva oder Neuroleptika, Analgetika sowie Opiate, Anticholinergika und Antiepileptika.

 

Benzodiazepine eine der ersten Ursachen für einen Verwirrtheitszustand im Alter

Beispielsweise zeigte eine Studie, dass die häufige Einnahme von Benzodiazepinen im Alter eine der ersten Ursachen für einen Verwirrtheitszustand ist. Im Grunde genommen können Benzodiazepine die kognitiven Funktionen beeinträchtigen und zu übermäßiger Sedierung führen. Daher werden Benzodiazepine auch nicht als Mittel der ersten Wahl für die Behandlung von Delir angesehen. Allerdings können Benzodiazepine helfen, wenn Beruhigungsmittel oder ein Alkoholentzug das Delir verursacht oder wenn gleichzeitig Anfälle auftreten.


Literatur:

Sandeep Grover and Ajit Avasthi. Clinical Practice Guidelines for Management of Delirium in Elderly. Indian J Psychiatry. 2018 Feb; 60(Suppl 3): S329–S340. doi: 10.4103/0019-5545.224473

Inouye SK, Charpentier PA. Precipitating factors for delirium in hospitalized elderly persons. Predictive model and interrelationship with baseline vulnerability. JAMA. 1996 Mar 20;275(11):852-7.

Slatkin N, Rhiner M. Treatment of opioid-induced delirium with acetylcholinesterase inhibitors: a case report. J Pain Symptom Manage. 2004 Mar;27(3):268-73.

Britton AM, Russell R. Multidisciplinary team interventions for delirium in patientswith chronic cognitive impairment (Review). Cochrane Database of Systematic Reviews. Cochrane Library.


Quelle: Der Verwirrtheitszustand des ­dementen Menschen. OA Dr. Michael Rainer. MEDMIX 1-2/2007

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