Donnerstag, April 18, 2024

Varizellen-Impfung gegen Varizellen in der Schwangerschaft

Die beste Vorbeugung einer Infektion mit Varizellen in der Schwangerschaft stellt die aktive Immunisierung mit der Varizellen-Impfung dar.

Varizellen, die Manifestation der Erstinfektion mit Varizella-Zoster-Virus, sind äußerst ansteckend, nach einer Exposition erkranken über 90 von 100 empfänglichen Personen. Da 95% der über 30-jährigen Bevölkerung bereits gegen Varizellen immun ist, sind VZV Erstinfektionen in der Schwangerschaft seltene Ereignisse mit einer Inzidenz von nur ca. 1-5 Fällen auf 10.000 Schwangerschaften. Sie können aber schwer wiegende Auswirkungen auf die Gesundheit der Mutter und des Feten bzw. des Neugeborenen haben.



Schwangere haben – unabhängig vom Infektionszeitpunkt im Verlauf der Schwangerschaft – ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf der Varizellen und für das Auftreten von Komplikationen. Sie sind für die Entwicklung einer Varizellenpneumonie, die mit einer hohen Mortalität von 10 bis 20% bei unbehandelter Infektion einhergeht, besonders gefährdet.

Eine VZV Erstinfektion in der ersten Schwangerschaftshälfte kann in seltenen Fällen zum Auftreten eines kongenitalen Varizellensyndroms (CVS) führen, das mit intrauterinem Fruchttod, fetalen Missbildungen, segmental angeordnete Hautläsionen, neurologischen Defekten, Augenschäden und einer erhöhten Sterblichkeit in den ersten Lebensmonaten einhergehen kann.

Das Risiko einer vertikalen Transmission mit konsekutiven fetalen Schädigungen beträgt bis zur 12. SSW ca. 0,4%, zwischen der 13. und 20. SSW ist es mit maximal 2% am größten. Nach mütterlichen Varizellen im 3. Trimenon sind keine Fälle von CVS bekannt.

Allerdings kann eine Primärinfektion der Mutter am Ende der Schwangerschaft, i.e. innerhalb von 5 Tagen vor bis zu 2 Tagen nach der Geburt zu lebensbedrohlichen neonatalen Windpocken führen. Bei diesen zeitlichen Gegebenheiten hat das Neugeborene transplazentar noch keine mütterlichen Antikörper erhalten, und bedingt durch die Unreife des kindlichen Immunsystems sind die Verläufe sehr schwer. Unbehandelt muss mit einer Letalität von bis zu 20% gerechnet werden.

 

Mit der Varizellen-Impfung eine Infektion mit Varizellen in der Schwangerschaft vorbeugen

Zur prä- und postexpositionellen Prophylaxe der Varizellen sowie zur spezifischen antiviralen Therapie der Varizellen in der Schwangerschaft und beim Neugeborenen gelten aktuell folgende Empfehlungen:

Die beste Vorbeugung einer Infektion mit Varizellen in der Schwangerschaft stellt die aktive Immunisierung dar. Die Varizellen-Impfung wird im Österreichischen Impfplan für alle empfänglichen Personen ab dem vollendeten 1. Lebensjahr, insbesondere u.a. für seronegative Frauen vor Eintritt der Schwangerschaft, empfohlen („Prepare for Pregnancy“).



Die negativen Auswirkungen einer Varizelleninfektion auf die mütterliche, die fetale und die neonatale Morbidität und Mortalität sind mit der Impfung vor Eintritt der Schwangerschaft vermeidbar. Da es sich bei der Varizellen-Impfung um einen Lebendimpfstoff handelt, ist die Verabreichung in der Schwangerschaft kontraindiziert. Und es soll auch noch bis 4 Wochen nach der Varizellen-Impfung der Eintritt einer Schwangerschaft vermieden werden.

 

Postexpositionelle Prophylaxe mit Varizella-Zoster-Immunglobulin

Für die postexpositionelle Prophylaxe seronegativer Schwangerer steht ein Varizella-Zoster-Immunglobulin (VZIG) zur Verfügung.

Nach Exposition wird die Verabreichung eines VZIG möglichst rasch innerhalb von 96 Stunden, maximal bis zu 10 Tagen, empfohlen: Bis zur 23. SSW zum Schutz des Feten, nach der 23. SSW zum Schutz der Schwangeren vor schweren Komplikationen.

Die Abklärung der Immunität (Testung auf VZV-spezifische IgG-Antikörper) sollte in jedem Fall so rasch wie möglich erfolgen: Sollte bei Exposition vor der 23. SSW der Immunitätsnachweis nicht innerhalb von 24 Stunden möglich sein, soll das VZIG sofort verabreicht werden.

Die postexpositionelle Prophylaxe durch passive Immunisierung mit VZIG ist auch bei Neugeborenen, deren Mutter 5 Tage vor bis 2 Tage nach der Entbindung an Varizellen erkrankt, indiziert. Nach Exposition in der
Neonatalperiode sollen Frühgeborene ab der 28.SSW, deren Mütter keine Immunität aufweisen, VZIG erhalten. Für Frühgeborene vor der 28. SSW wird die Gabe von VZIG unabhängig vom Immunitätsstatus der Mutter empfohlen.

Die postexpositionelle Gabe von VZIG kann den Ausbruch einer Erkrankung verhindern oder deutlich abschwächen und wird daher in den genannten Situationen unbedingt empfohlen. Neugeborene mit dem Risiko neonataler Varizellen bei mütterlicher, perinataler Infektion müssen trotz der Verabreichung von VZIG engmaschig monitiert werden und sollten, sobald klinische Zeichen einer Infektion auftreten, mit intravenösem Acyclovir therapiert werden. Eine Prophylaxe mit Acyclovir wird nicht empfohlen.



Die spezifische antivirale Therapie mit oralem Acyclovir wird für alle Schwangeren mit unkomplizierten Varizellen empfohlen, bei Varizellenpneumonie die Therapie mit intravenösem Acyclovir. Das Risiko-Nutzen-Verhältnis der Behandlung der mütterlichen Varizelleninfektion überwiegt alle theoretischen Bedenken hinsichtlich fetaler Toxizität: Acyclovir ist in der Schwangerschaft zwar nicht zugelassen, in mehreren großen Registerstudien konnte allerdings kein erhöhtes Fehlbildungsrisiko nachgewiesen werden. Ob Acyclovir das Risiko für ein CVS verringert, ist aufgrund der bisher vorliegenden Daten nicht klar.

 

Fallbeispiel: werdende Mutter mit dreijährigem, an Varizellen erkrankten Kind

Aktueller Fall vom Department für Virologie der Medizinischen Universität Wien: Eine werdende Mutter in der 38. Schwangerschaftswoche (SSW) hat ein dreijähriges Kind, das an Varizellen erkrankt ist. Die Diagnose wurde durch den Kinderarzt aufgrund des typischen klinischen Bildes gestellt.

Bei der Schwangeren wurde umgehend eine Untersuchung auf Immunität gegen Varizella-Zoster-Virus (VZV) in die Wege geleitet. VZV-spezifische IgG-Ak waren im Serum der Frau nicht nachweisbar, es bestand also keine nachweisbare Immunität gegen VZV und die Frau war für eine Erstinfektion mit dem Varizella-Zoster-Virus empfänglich.

Varizellen haben eine Inkubationszeit von 10 bis 21 Tagen, und bei der massiven Exposition der seronegativen Mutter in der 38. Schwangerschaftswoche konnte das Auftreten von Varizellen in dem kritischen Zeitfenster um die Geburt nicht ausgeschlossen werden.

Der Schwangeren wurde gemäß den aktuellen Empfehlungen VZIG verabreicht, allerdings war zum Zeitpunkt der Verabreichung des Immunglobulins bereits eine Woche seit der ersten Exposition vergangen. Das Zeitfenster für eine optimale protektive Wirkung des VZIG war in diesem Fall bereits verstrichen.

Gemeinsam mit dem behandelnden Gynäkologen wurde entschieden, zum Schutz des Kindes die Geburt vorzeitig einzuleiten. Die Patientin brachte ein gesundes Kind zur Welt, 4 Wochen post partum gibt es keinen Hinweis für das Auftreten von mütterlichen oder kindlichen Varizellen.




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Quelle:

VIRUSEPIDEMIOLOGISCHE INFORMATION NR. 05/18-7.

Dr. Claudia Honsig.

Department für Virologie der Med. Universität Wien.


Literatur:

  • S2k-Leitlinie Labordiagnostsik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen (DVV, GfV 2014)
  • Österreichischer Impfplan –https://www.bmgf.gv.at/cms/home/attachments/3/3/1/CH1100/CMS151575315
    3756/impfplan_2018.pdf
  • Smith CK and Arvin AM: Varicella in the fetus and newborn. Seminars in Fetal & Neonatal Medicine 14(2009) 209-217
  • www.uptodate.com Varicella-zoster virus infection in pregnancy
  • www.rki.de RKI Ratgeber für Ärzte: Windpocken, Herpes zoster (Gürtelrose)

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