Dienstag, April 23, 2024

Update 2017 zu Röteln

Nach einer sehr geringen Virusaktivität in den letzten Jahren ist heuer auch eine Zunahme an Röteln-Virus-Infektionen zu verzeichnen.

Wie bereits berichtet, ist seit Jahresbeginn ein massiver Anstieg an Masernfällen zu verzeichnen, mittlerweile ist die Anzahl bereits auf 72 gestiegen. Weiters sind heuer auch – nach einer sehr geringen Virusaktivität in den letzten Jahren – eine Zunahme an Röteln-Virus-Infektionen zu verzeichnen. Anlässlich eines kürzlich stattgefundenen lokalen Ausbruchs an einer Wiener Schule soll dieses kurzes Update zu den Röteln aktuell informieren.

Röteln an Wiener Schule

In einer Wiener Schule war bei einigen Kindern ein fieberhaftes Exanthem aufgetreten und zunächst klinisch ein Masernverdacht (Meldepflicht!) geäußert worden. Daraufhin wurden die Gesundheitsbehörden (Magistrat der Stadt Wien / MA15 / sowie Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit AGES, Abteilung Surveillance und Infektionsepidemiologie) eingeschaltet. Neben den virologischen Untersuchungen von Probenmaterial erkrankter Kinder wurde auch eine umfangreiche Abklärung des Masern-Immunitätsstatus des Lehrpersonals und exponierter, gesunder (meist leider ungeimpfter) Kinder an unserem Zentrum vorgenommen. Dabei stellte sich einerseits heraus, dass so gut wie alle untersuchten Kinder und auch einige Lehrer nicht immun gegen Masern waren, andererseits aber auch, dass es sich bei den Erkrankungsfällen gar nicht um Masern handelte. Bei der differentialdiagnostischen serologischen Abklärung mittels weiterer Untersuchungen stellten wir fest, dass Rötelnviren die Erkrankungsursache waren. Wir konnten insgesamt 17 Infektionen (14 bei Kindern, drei bei Erwachsenen) serologisch bzw. auch durch direkten Virusnachweis mittels der PCR bestätigen, wobei die allermeisten Infektionen auf den Ausbruch an der Schule zurückzuführen waren. Insgesamt (inkl. rein klinischer Diagnosen) wurden 26 Infektionen im elektronischen Meldesystem (EMS) gemeldet. Dabei traten 12 Röteln Erkrankungen in der Altergruppe 5-9 Jahre (46,2%), 6 in der Altersgruppe 10-14 Jahre (23%) auf und 8 Personen waren älter als 20 Jahre (30,8%). Bis auf eine 61-Jährige waren zum Glück sämtliche untersuchten Lehrer gegen Röteln immun, die ungeimpften Kinder hingegen erwartungsgemäß nicht. Dieses Beispiel zeigt uns, dass auch Infektionen, die bereits längere Zeit bei uns kaum bis wenig beobachtet wurden, jederzeit wieder ausbrechen können, wenn sie wie hier (im Umfeld von Impfskeptikern) auf eine empfängliche Population treffen.

Zur Epidemiologie der Röteln ist zu berichten, dass am Zentrum für Virologie der Med. Universität Wien im Jahr 2015 drei und im Jahr 2016 keine Röteln-Virus-Infektionen nachgewiesen werden konnten. Für Europa liegen bisher keine veröffentlichten Daten des ECDC (30 EU/EWR Länder) für das gesamte Jahr 2016 vor. In der WHO-Region Europa (53 Staaten) sank die Zahl der Röteln-Infektionen von 2000 bis 2016 um 98%, im Jahr 2016 wurden insgesamt 1327 Fälle gemeldet. Mit Abstand die meisten (86%) davon traten in Polen auf (n=1144), gefolgt von Deutschland (94 Fälle) und Italien (35 Fälle). Bei diesen Daten ist jedoch zu beachten, dass der Großteil der gemeldeten Infektionen nicht serologisch abgesichert wurde.

Das Röteln-Virus

Das Röteln-Virus ist ein hochinfektiöses Einzelstrang-RNA-Virus aus der Familie der Togaviridae. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfchen- oder Kontaktinfektion über die Schleimhäute der oberen Atemwege. Die Inkubationszeit beträgt im Durchschnitt 18 (12-21) Tage, Kontagiosität besteht bereits eine Woche vor bis zu einer Woche nach Exanthem-Beginn. Röteln gelten als klassische „Kinderkrankheit“ mit in der Regel mildem Verlauf, feinfleckigem Exanthem und Lymphknotenschwellung (vor allem nuchal und retroaurikulär). 20 bis 50% der Infektionen verlaufen – im Gegensatz zu den Masern – asymptomatisch. Als Komplikationen treten bei Erwachsenen gelegentlich Arthritiden auf, sehr selten können auch eine Thrombozytopenie oder Enzephalitis vorkommen. In der Frühschwangerschaft (bis zur 17. Schwangerschafts-woche – Stadium der Organogenese!) birgt eine Röteln-Infektion ein hohes Risiko schwerer kindlicher Missbildungen. Dieses kongenitale Röteln-Syndrom – auch Röteln-Embryopathie oder Gregg-Syndrom genannt – ist durch die Trias Innenohrschwerhörigkeit /-taubheit, Katarakt und Herzfehler gekennzeichnet, es können aber auch Blindheit, geistige Behinderung, Autismus oder andere Störungen auftreten. Daher sind die Röteln zu Recht die gefürchtetste Virusinfektion in der Frühschwangerschaft.

Verhindert werden kann eine Röteln-Virus-Infektion durch Verabreichung der beiden laut Impfplan vorgesehenen MMR-Impfungen. Auf Grund der derzeit hohen Masern-Virus Aktivität wird die Impfung bereits ab dem vollendeten 9. Lebensmonat empfohlen. Leider bestehen auch hier zu Lande nach wie vor Impflücken bei den Adoleszenten und jungen Erwachsenen, bei denen die erforderlichen Impfungen unbedingt nachgeholt werden sollten.

Da der Mensch das einzige natürliche Reservoir des Röteln-Virus ist, könnte durch ausreichend hohe Durchimpfungsraten (mindestens 95% mit zwei Dosen) die Viruszirkulation, genauso wie bei Masern, unterbrochen, das Virus eliminiert und diese Erkrankung somit zur Gänze zum Verschwinden gebracht werden, was auch ein erklärtes Ziel der WHO darstellt. Erst eine WHO-Region (Amerika) hat jedoch mit 2015 die endemische Übertragung von Röteln und somit auch das Auftreten des kongenitalen Röteln-Syndroms erfolgreich unterbrochen bzw. beendet. Auch in Europa konnten in einigen Ländern schon große Erfolge erzielt werden. Dennoch sind weitere Anstrengungen zur Erhöhung der Durchimpfungsraten notwendig.

Bei einem klinischen Verdacht auf Röteln kann Material (Serum, Sputum, Harn) an das nationale Referenz-Zentrum an der Virologie der Med. Universität Wien übermittelt werden – mit genauen Angaben betreffend Klinik, Anamnese inkl. Erkrankungsbeginn und Impfstatus.


Quelle: VIRUSEPIDEMIOLOGISCHE INFORMATION” NR. 07/17, Röteln-Update 2017 von Dr. Eva Geringer und Prof. Dr. Heidemarie Holzmann, logo-virusepidemiologische-informationenDepartment für Virologie der Med. Universität Wien.

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