Dienstag, April 23, 2024

Medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz im Alter

In der Behandlung der ­Herzinsuffizienz im Alter müssen die medikamentöse Einstellung aber auch alternative Maßnahmen berücksichtigt werden.

Unter dem Strich kann man die Morbidität sowie die Mortalität von Patienten mit Herzinsuffizienz auch im Alter durch verschiedene Wirkstoffe und Substanzklassen verbessern. In diesem Sinne gehören ACE-Hemmer, Angiotensinrezeptorblocker, Betablocker sowie Aldosteronantagonisten zu den Basismedikamenten. Allerdings kann und soll man aber nicht jedem Patienten alle Substanzen verordnen. Deswegen ist es sinnvoll, einen individuell maßgeschneiderten Plan zur Therapie zu entwerfen.

 

Nicht alle Medikamente bei allen Patienten

In die Entscheidung für eine individuell maßgeschneiderten Therapie sollen neben Geschlecht und Alter auch der Schweregrad der Erkrankung, die Ursache der zugrundeliegenden Kardiomyopathie, Herzfrequenz und Blutdruck sowie vorhandene Zusatzerkrankungen wie beispielsweise Nierenfunktionsstörung, Stoffwechselerkrankungen und Lungenerkrankungen einfließen. Folgenden wichtigen Grundsatz in der Auswahl der Therapie für Patienten mit chronischer Herzinsuffizenz im Alter sollte man berücksichtigen. »Nicht alle Medikamente bei allen Patienten, aber die eingesetzten Medikamente in ausreichend hoher Dosis.«

Die Wirksamkeit der Medikamente bei Herzinsuffizienz im Alter beruhte bis vor wenigen Jahren noch auf empirischen Erfahrungswerten. Zudem auf die Exploration von Analysen von Subgruppen großer Studien zur Herzinsuffizienz. Aus diesen hat man schließlich abgeleitet, dass die gleichen Medikamente wie zur Behandlung jüngerer Patienten zum Einsatz kommen können.

Erst in den letzten Jahrzehnten hat die Forschung gezielt Untersuchungen zur Medikamentenwirksamkeit bei Herzinsuffizienz im Alter durchgeführt. Neben interessanten Ergebnisse zur Wirksamkeit der Betablocker sowie zu Angiotensin-II-Rezeptorblocker ergaben weitere interessante Aspekte in der Behandlung mit Statinen bei älteren Patienten mit Herzinsuffizienz. Hierzu vermuten Experten positive Aspekte unabhängig von der tatsächlichen Höhe des Wertes beim Cholesterin.

Sinnvoll ist oft eine Reduktion der Bedarfsmedikamente, allen voran Diuretika. Diese Medikamente sollten so gering wie möglich gehalten werden. Ein Ausschleichen der Diuretika sollte man bei jedem Besuch des Patienten aktiv neu bedenken. Auch Herzglykoside verbessern lediglich die Klinik, nicht aber die Prognose. Ein Ausschleichen kann daher im Einzelfall überlegt werden.

Bemerkenswert ist die Erkenntnis, dass eine Depression im Alter eine Herzinsuffizienz verstärken kann, und die Behandlung mittels Antidepressiva den Verlauf einer Herzinsuffizienz günstig beeinflusst.

Gerade die vielen indizierten Medikamente stellen den behandelnden Arzt allerdings oft vor das sehr große Problem, die verordnete Medikamentenzahl und mögliche unerwünschte Interaktionen so gering wie möglich zu halten. Im Grunde genommen gilt bei alten Menschen der Grundsatz »start low – go slow«.

 

Nicht-pharmakologische Therapie der Herzinsuffizienz im Alter

Bei den technischen Devices gewinnt die kardiale Resynchronisationstherapie mittels spezieller Herzschrittmachersysteme in der Behandlung der systolischen HI zunehmend an Bedeutung. Mit Verkürzung der Implantationszeiten wird diese Therapie nun auch vermehrt älteren Patienten zugänglich gemacht. Herz- und Stammzellentransplantationen haben aktuell keinen Stellenwert in der Behandlung älterer herzinsuffizienter Patienten.

 

Ambulante Betreuungsmodelle

Verschiedene international durchgeführte Projekte konnten zeigen, dass Betreuungsmodelle, wie Telemonitoring, Home Based Care und ­telefonbasiertes Nursing auch bei Herzinsuffizienz im Alter geeignet sind, die Rehospitalisierungen und die Mortalität zu verringern. In den Richtlinien der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) wurden diese Empfehlungen bei der Verringerung der Rehospitalisierung mit dem Evidenzgrad Ia und bei der Abnahme der Mortalität mit IIb bewertet. Damit bekamen diese Betreuungsmodelle teilweise ähnlich hohe Wirksamkeit zugesprochen, wie manche rein medikamentösen Therapien.

 

Körperliches Training bei Herzinsuffizienz im Alter

Entgegen früherer Anschauungen haben klinische Studien durchwegs positive Effekte eines angepassten körperlichen Trainings bei Herzinsuffizienz gezeigt. Es kann auch bei älteren Patienten Symptome vermindern. Weiter die Grenzen der Belastbarkeit erhöhen. Schließlich auch die Lebensqualität verbessern.

Unter dem Strich stellt daher heute ein passendes körperliches Training einen Eckpfeiler in der Behandlung der Herzinsuffizienz im Alter dar. Bei stabilen Patienten (NYHA I-II) unterstützen beispielsweise regelmäßige Bewegung das Herz und den Kreislauf. Dazu gehören Spazierengehen, Schwimmen und Fahrradfahren.  Wobei eine langsame Steigerung der Anforderung ohne Erschöpfung dort maßgeblich ist.

Im NYHA-Stadium III sollten Betroffene allerdings die Belas­tung reduzieren. Dafür sollten sie körperliche Aktivitäten häufiger am Tag anstreben. Die Trainingsfrequenz ist nur bedingt verwertbar, da Betablocker den adäquaten Anstieg ausbremsen.

 

Training optimieren

Auch viele Studienergebnisse sprechen dafür, dass ein an den Schweregrad der Erkrankung und an das Alter angepasstes Ausdauertraining bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz die Leistungsfähigkeit und damit die Lebensqualität verbessert und möglicherweise auch zu einer Lebensverlängerung beiträgt.

Die Festlegung der optimalen Intensität eines Trainings anhand von Herzfrequenzverhalten und Sauerstoffaufnahme unter Belastung durch einen Spezialis­ten ist grundsätzlich sinnvoll. Das gilt ebenso für eine entsprechende Trainingsbegleitung. Beispielsweise im Rahmen eines ambulanten Trainingsprogramms. Bei fehlendem oder nur bedingtem Zugang zu derartigen Einrichtungen, ist es aus Sicht einiger Experten praktikabel, ältere Patienten zur regelmäßigen Spaziergängen in Begleitung des Partners anzuhalten.

Körperliches Training bei Herzinsuffizienz ist also unzweifelhaft von enormer prognostischer Bedeutung, sowohl bei jungen als auch bei alten Menschen. Angepasstes Training kann aber nur solche Aktivitäten beinhalten, die der Patient von Seiten der Beweglichkeit her durchführen kann. Zudem solche, die er ohne allzu große Dyspnoe, Atembeschwerden, schaffen kann.

 

Fazit zu Herzinsuffizienz im Alter

Aufgrund epidemiologischer Entwicklungen vermutet man für die nächsten Jahrzehnten zu einem kontinuierlichen Anstieg der Herzinsuffizienz im Alter. Die heutigen Möglichkeiten der Behandlung um­fassen bereits ein breit gefächertes Angebot wirkungsvoller Maßnahmen, die speziell auf ältere Menschen abgestimmt werden können. Neben studiengeführter Nachweise der Wirksamkeit bestimmter Medikamente können betagten Menschen auch wirksame nicht-pharmakologische Therapien und Betreuungsmodelle angeboten werden.


Literatur:

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Díez-Villanueva P, Jiménez-Méndez C, Alfonso F. Heart failure in the elderly. J Geriatr Cardiol. 2021 Mar 28;18(3):219-232. doi: 10.11909/j.issn.1671-5411.2021.03.009. PMID: 33907552; PMCID: PMC8047189.

Havranek EP. Epidemiology of heart disease: The influence of socioeconomic position. Trends Cardiovasc Med. 2019 Jul;29(5):298-303. doi: 10.1016/j.tcm.2018.09.007. Epub 2018 Sep 17. PMID: 30270096.

Díez-Villanueva P, Arizá-Solé A, Vidán MT, Bonanad C, Formiga F, Sanchis J, Martín-Sánchez FJ, Ruiz Ros V, Sanmartín Fernández M, Bueno H, Martínez-Sellés M. Recommendations of the Geriatric Cardiology Section of the Spanish Society of Cardiology for the Assessment of Frailty in Elderly Patients With Heart Disease. Rev Esp Cardiol (Engl Ed). 2019 Jan;72(1):63-71. English, Spanish. doi: 10.1016/j.rec.2018.06.035. Epub 2018 Sep 27. PMID: 30269913.

Lye M, Donnellan C. Heart disease in the elderly. Heart. 2000 Nov;84(5):560-6. doi: 10.1136/heart.84.5.560. PMID: 11040022; PMCID: PMC1729496.


Quellen:

Die Chronische Herzinsuffizienz. Prim. Dr. Gerald Ohrenberger. MEDMIX 1-2/2008

http://www.atcardio.at/de/arbeitsgruppen/herzinsuffizienz/publikationen-zur-herzinsuffizienz/

http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/nvl-006.html

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