Bislang entstanden Sulfonamide im Reagenzglas, doch nun wurden ähnliche Verbindungen in Bakterien entdeckt, die natürlicherweise in Mangrovenpflanzen leben.
Infektionen im Krankenhaus sind tendenziell steigendes Problem. Neue Wirkstoffe gegen Infektionen werden also dringend benötigt, wobei die Entdeckung neuer chemischer Verbindungen den Anfang einer Reise auf dem Weg zu neuen Therapeutika darstellt.
Die neuen Wirkstoffe, die Ling Ding und Martin Baunach vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut nun bei ihrer Forschung an Bakterien aus Mangrovenpflanzen entdeckt haben, sind vielversprechend: sie sind aktiv gegen Antibiotika resistente Keime, ohne dabei menschliche Zellen zu schädigen.
Sulfonamide neu entdeckt
Diese neuen Wirkstoffe sind allerdings keine gänzlich unbekannten Verbindungen, denn bereits vor über 100 Jahren wurden ähnliche Wirkstoffe – die Sulfonamide – synthetisch hergestellt. 1935 entdeckte der spätere Nobelpreisträger Paul Domagk die Wirksamkeit der Sulfonamide gegen bakterielle Erkrankungen, was zum medizinischen Einsatz der Sulfonamide als Antibiotika führte.
Sulfonamide aus Mangrovenpflanzen statt aus dem Reagenzglas
Während die meisten Antibiotika aus Bakterien und Pilzen gewonnen werden, entstehen die bislang bekannten Sulfonamide im Reagenzglas und wurden in der Natur nie gefunden. Umso überraschter waren die HKI-Wissenschaftler also, als sie ähnliche Verbindungen in Bakterien entdeckten, die natürlicherweise in Mangrovenpflanzen leben.
„Teile der Wirkstoffe, die wir gefunden haben, haben frappierende Ähnlichkeit mit den alten Verbindungen aus dem beginnenden 20. Jahrhundert“, weiß Martin Baunach, der in der Abteilung Biomolekulare Chemie am HKI promoviert. „Schaut man sich dann aber den genauen Aufbau an, so stellt man fest, dass sie sich in einem für die Wirkung wichtigen Abschnitt unterscheiden. Demnach scheint die Natur nicht dieselben Mechanismen zu nutzen, die die synthetischen Stoffe zu solch wirksamen Antibiotika macht – vielmehr handelt es sich sehr wahrscheinlich um einen neuartigen Wirkmechanismus.“
Die Unterschiede zu den synthetisch hergestellten „klassischen“ Sulfonamiden könnten sich nun als Vorteil für die neuen Naturstoffe erweisen: Vor allem im Einsatz gegen multiresistente Krankheitserreger sind Wirkstoffe mit abweichendem chemischen Aufbau von Bedeutung. Sie können gefährliche Erreger anders und in unerwarteter Weise ‚angreifen‘ und eignen sich somit für die Weiterentwicklung zum Medikament. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten Ling Ding und Martin Baunach soeben in der weltweit renommierten Zeitschrift Angewandte Chemie International Edition.
Weitere Informationen:
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/anie.201506541/abstract
http://www.leibniz-hki.de/de/newsdetails/337.html