Freitag, April 26, 2024

Schulungsprogramm für Bluthochdruckpatienten

Häufig setzen Bluthochdruckpatienten die ärztlichen Therapieempfehlungen nicht um, was sich negativ auf den Behandlungserfolg auswirkt.

Weltweit leiden nach einer kürzlich in „The Lancet“ veröffentlichten Studie mehr als 1,1 Milliarden Menschen an Bluthochdruck. Auch wenn die Zahlen in den reicheren Ländern in den letzten Jahren gesunken sind, sind es immer noch 20 bis 30 Millionen Betroffene in Deutschland. Selbst wenn ein Bluthochdruck diagnostiziert und behandelt wird, besteht häufig das Problem der Nicht-Adhärenz. Dazu zählt, dass die ärztlichen Therapieempfehlungen von Bluthochdruckpatienten nicht umgesetzt werden und der Behandlungserfolg dadurch ausbleibt. Eine Folge können akute Komplikationen wie hypertensive Krisen sein. Auf der Pressekonferenz am 1. Dezember 2016 anlässlich des 40. Wissenschaftlichen Kongresses der Deutschen Hochdruckliga e. V. DHL® in Berlin diskutieren Experten, wie sich die Adhärenz verbessern lässt.

 

Mangelnde Adhärenz bei Bluthochdruckpatienten

Nach Schätzungen der World Health Organization (WHO) verhalten sich in den Industrienationen nur durchschnittlich 50 Prozent der Patienten mit chronischen Erkrankungen wie Bluthochdruck adhärent. Als Adhärenz bezeichnet man die Einhaltung der Therapieziele, die Patient und Behandler gemeinsam gesetzt haben: „Für den Therapieerfolg ist die Mitarbeit beider notwendig“, erläutert Dr. med. Siegfried Eckert, Oberarzt an der Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum, Klinik für Kardiologie, Herz- und Diabeteszentrum NRW.

Somit zählt zur Adhärenz neben der Therapietreue des Bluthochdruckpatienten, der sogenannten Compliance, auch die Aufklärung durch den Arzt. Die Adhärenz ist als Voraussetzung für jede erfolgreiche Therapie von großer Bedeutung – für den Patienten selbst, aber auch aus volkswirtschaftlicher Sicht.

Mangelnde Adhärenz hat verschiedene Gründe. So fürchten Bluthochdruckpatienten beispielsweise Nebenwirkungen bei der medikamentösen Behandlung der Hypertonie, vergessen die regelmäßige Einnahme, verdrängen ihre Krankheit oder sind, mangelhaft aufgeklärt, von der Behandlung nicht überzeugt. Es kommt hinzu, dass Bluthochdruckpatienten häufig mehrere Tabletten, also verschiedene Wirkstoffgruppen, einnehmen müssen, und bei zusätzlichen Erkrankungen noch weitere Tabletten: Aus Studien ist bekannt, dass mit der Anzahl der verschriebenen Tabletten die Therapietreue sinkt. Dies gilt auch für die Zeit zwischen den Arztbesuchen. Die Folgen der nicht-konsequenten Behandlung ist ein ausbleibender Therapieerfolg: Das Risiko für mit Bluthochdruck assoziierte Folgeerkrankungen – wie beispielsweise Herzinfarkt, Schlaganfall oder Nierenschwäche – kann nicht optimal gesenkt werden.

 

Lebensstiländerungen für Bluthochdruckpatienten entscheidend

Die gemeinsame Hypertonie-Leitlinie der Deutschen Hochdruckliga e. V. DHL® und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie betont die Bedeutung der Adhärenz: für die medikamentöse Behandlung der Hypertonie wie auch für die Behandlung durch sogenannte Lebensstiländerungen. Zu diesen zählen eine Ernährungsumstellung, ein reduzierter Salzkonsum, körperliche Aktivität und eine Gewichtsreduktion: „Lebensstiländerungen sind entscheidend in der Prävention der Hypertonie, sind aber ebenso bedeutsam in deren Behandlung. Sie können sicher und effektiv der Entstehung einer Hypertonie vorbeugen, sie verzögern oder vermeiden eine medikamentöse Therapie beim Hypertonie-Grad 1 und können bei hypertensiven Patienten eine Blutdrucksenkung bewirken […]. Der größte Nachteil ist jedoch die geringe Adhärenz über längere Zeiträume. Besondere Aufmerksamkeit ist deshalb erforderlich, um die Adhärenz zu verbessern.“

„Empfehlungen zur Umsetzung findet man in den Leitlinien aber leider nicht“, sagt Dr. Eckert. „Wir benötigen Maßnahmen zur Verbesserung der Adhärenz, die Ärzte und Patienten bei der Umsetzung der Therapieziele gleichermaßen unterstützen – sei es mit Medikamenten oder Lebensstiländerungen.“ Die Deutsche Hochdruckliga e. V. DHL® bietet daher das interaktive Schulungsprogramm „Mein Blutdruck-ok!“ an. Die Schulung erfolgt nach einem Zertifizierungsseminar durch das Praxisteam – den Arzt oder medizinisches Fachpersonal – in fünf Einheiten über jeweils 90 Minuten. Dem Praxisteam wird es dadurch erleichtert, den Patienten verständlich über den Sinn der verordneten Arzneimittel, mögliche unerwünschte Nebenwirkungen sowie seine Motivation zur Lebensstiländerung aufzuklären.

Die Teilnehmer erhalten Schulungsunterlagen und Aufgaben zur Vertiefung der gewonnenen Erkenntnisse. „Inhalte sind allgemeine Informationen über Blutdruckregulation, die medikamentöse und nicht-medikamentöse Behandlung einer Hypertonie sowie Anregungen zur Verbesserung der Therapietreue“, erläutert Dr. Eckert. Die Unterlagen stehen als CD zur Verfügung sowie analog in Heftform – so könne man auch die Patientengruppen erreichen, die nicht jederzeit auf einen Rechner zugreifen möchten oder können. Die Teilnehmer werden auf Wunsch auch nach der Schulung weiter begleitet – durch eine mögliche Anbindung an Selbsthilfegruppen der Hochdruckliga, eine telefonische Beratung und eine Zugangsberechtigung zur Informationsplattform der DHL®.

Quellen:

ADHERENCE TO LONG-TERM THERAPIES. Evidence for action. World Health Organization, 2003, 110 Seiten, ISBN 92 4 154599 2

ESC Pocket-Guideline: Leitlinien für das Management der arteriellen Hypertonie (2013), Deutsche Hochdruckliga e. V. DHL® – Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention und Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK), Version 2013

MS Gatley IR Coll Gen Pract, 1996

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