Freitag, März 29, 2024

Klare Vorgaben: Schilddrüsenknoten nicht immer operieren

Man muss einen Schilddrüsenknoten nicht unbedingt operieren, vor einer Operation sollte man aber alle diagnostischen Optionen ausschöpfen.

Unter Strich will mit der Schilddrüsenoperation das krankhafte Schilddrüsengewebe vollständig entfernen. Gleichzeitig sollen die umliegenden Strukturen geschont werden. Schilddrüsenknoten muss man allerdings nicht immer operieren. Hierzu muss der Experten jedenfalls die Indikation zur Operation sorgfältig stellen. Denn es können auch Komplikationen auftreten. So könnte es passieren, dass durch die falscher Indikationsstellung ein im Grunde genommen gesunder Mensch dann lebenslang an den Folgen einer Operation leidet.



 

Die Schilddrüse

Die Schilddrüse besteht beim Menschen aus zwei Lappen, die seitlich der Luftröhre angelagert und über eine schmale Brücke verbunden sind. Sie ist die größte Hormondrüse des Menschen und wiegt beim Erwachsenen durchschnittlich 18 bis 60g.

Die Hormone der Schilddrüse entfalten weit gestreute Wirkungen im Herz- Kreislauf-Bereich, sind an der Regulation des Zucker-, Fett- und Bindegewebsstoffwechsels beteiligt, aber – zum Beispiel – auch an der Aktivität der Darmmotorik. Schilddrüsenhormone steigern wesentlich den allgemeinen Energieverbrauch und Grundumsatz des Menschen wie auch die Erregbarkeit von Nervenzellen.

Unterschiedlichste Ursachen können entweder die Funktion oder die Größe und Struktur der Schilddrüse betreffen. Gehen die Störungen mit einer Über- oder Unterfunktion des Organs einher, können sie entsprechend der Vielfalt der Funktionen die Patienten merklich in ihrem Alltag beeinträchtigen.

Strukturveränderungen, wie Vergrößerungen der Schilddrüse mit und ohne Schilddrüsenknoten-Bildung machen sich vor allem durch Schluckstörungen, Atemnot, Druckgefühl oder psychisch beeinträchtigende kosmetische Veränderung bemerkbar.

 

Schilddrüse bei jedem Dritten vergrößert

Wie häufig sind nun Vergrößerungen und Knotenbildungen der Schilddrüse? In Deutschland wurde unter Mitwirkung vieler Arbeits- und Betriebsmediziner ein breites Ultraschall-Screening auf Schilddrüsenvergrößerungen – knotig, diffus oder beides – durchgeführt. 96.278 Angestellte aus 214 Unternehmen (im Alter von 18 bis 65 Jahren) wurden in diese Untersuchung eingeschlossen.

Abnorme Vergrößerungen wurden bei 31%, also ungefähr einem Drittel dieser Population berufstätiger Erwachsener gefunden. Die Prävalenz dieser Befunde stieg mit dem Alter an, erreichte ihren höchsten Wert um das Alter von 45 Jahren und blieb dann auf diesem Plateau. Allerdings lag der Wert für Personen unter 25 Jahren auch schon bei etwa 10%. Frauen und Männer waren in dieser Kohorte im gleichen Maß betroffen.



 

Schilddrüsenknoten nur selten bösartig

Was aber ist das weitere Schicksal erstmals entdeckter Schilddrüsenknoten? Wie verändern sie sich in Bezug auf Größe und Zahl, können sie sich zurückbilden, werden sie zu gefährlichen Krebsherden?

Zu diesen Fragen liegt eine rezente, gut konzeptionierte und prominente Studie aus Italien vor. 992 Patienten, bei denen jeweils bis zu vier Schilddrüsenknoten festgestellt worden waren, wurden fünf Jahre lang regelmäßig mit Ultraschall nachuntersucht.

Die meisten dieser Schilddrüsenknoten (75,8%) zeigten über die Jahre hinweg eine konstante Größe, 11,1% wurden größer, wobei das Wachstum schon nach einem Jahr festgestellt werden konnte und dann langsam und stetig verlief. Nur 13,1% der Schilddrüsenknoten wurden spontan kleiner. Daher ist es also eher selten, dass sich Schilddrüsenknoten von selbst zurückziehen.

Besonders wichtig: von all den Schilddrüsenknoten dieser Teilnehmer fanden sich in nur bei fünf Patienten (0,3%) zytologische Hinweise auf eine bösartige Erkrankung. So gesehen, erscheint es daher wirklich sinnvoll, speziell vor dem Hintergrund folgender Daten, bevor man sich für eine Operation entscheidet, alle diagnostischen Möglichkeiten auszuschöpfen.

 

Klare Vorgaben für eine Operationsindikation

Die Zahl der neu diagnostizierten (Inzidenz) Schilddrüsenkarzinome beträgt in unseren Breiten knapp 10 pro 100.000 Einwohner. Die histologische Auswertung der Operationspräparate ergibt ein Verhältnis von 15:1 für gutartige zu bösartigen Befunden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Endokrinologen als zuständige Fachärzte klare Vorgaben für eine Indikation einfordern, um Schilddrüsenknoten zu operieren oder eben nicht.

 

Häufigsten Indikationen für chirurgische Therapie

In erster Linie sind es die sogenannten „suspekten“ Schilddrüsenknoten, die als „kalte“ Schilddrüsenknoten in der Szintigraphie oder als verdächtige Schilddrüsenknoten im Ultraschall auffallen, und den Patienten zu operieren. Leider kommt es aber zur OP oftmals ohne vorherige dezidierte Abklärung mittels einer Feinnadelpunktion.

In zweiter Linie sollte man Patienten operieren, deren Schilddrüsenknoten lokale Symptome verursachen. Die dritte Möglichkeit liegt in Zystenbildungen, die – ob symptomatisch oder nicht, häufig ebenso entfernt werden wie beim letzten Szenario von »Knotenstrumen« (vergrößerte Schilddrüsen mit zumeist mehreren Knotenbildungen).



Bei all diesen Veränderungen wird die Indikation zur Entfernung des betroffenen Schilddrüsenlappens (Lobektomie) oder des ganzen Organs (totale Thyreoidektomie) gestellt. Irgendwie spielt da der Gedanke, dass damit die Angelegenheit ein für alle Mal erledigt wäre und weitere Nachuntersuchungen und Komplikationen vermieden sein sollten, eine große Rolle. Aber ist das wirklich so?

 

Schilddrüsenknoten operieren verursacht potenziell Nebenwirkungen und Folgen

Die Liste der möglichen Nebenwirkungen und Folgen eines operativen Eingriffs ist lang, und je nach Verlauf der Operation und Persönlichkeit der Betroffenen stehen unterschiedliche Störungen im Vordergrund. Da kann es zum einen zu Nachblutungen, Stimmveränderungen oder postoperativem Hypoparathyreoidismus (Kalziumregulationsstörungen) kommen, zum anderen steht eine mehr oder weniger störende Narbe am Hals als Langzeitfolge bevor.

Stationärer Aufenthalt und nachfolgender Krankenstand bedeuten für viele Menschen (Selbständige, Alleinerziehende) ein gewichtiges, oft schwer zu lösendes Problem. Alter und Komorbiditäten können die erforderliche Vollnarkose erschweren oder unmöglich machen, und nicht zuletzt bedeutet die Entfernung der hormonproduzierenden Drüse die Notwendigkeit einer lebenslangen Ersatztherapie mit den dazugehörigen Untersuchungen und Kontrollen.

 

Metaanalyse zu Nebenwirkungen

Unlängst hat man zu den Themen Komplikationen und Nebenwirkungen die Ergebnisse einer großen Untersuchung vorgelegt. Eine amerikanische Forschergruppe hatte dazu Daten von 62.722 Operationen (Lobektomien sowie totale Thyreoidektomien) analysiert. Die meisten Totalresektionen, nämlich 57,9%, wurden aufgrund gutartiger Veränderungen durchgeführt.

Die Zahl der postoperativen Komplikationen betrug insgesamt 16,4%. 20,4% für die vollständige Entfernung der Schilddrüse und 10,8% für die Entfernung eines Lappens. Die Erfahrung des Chirurgen reduzierte zwar das Risiko. Doch auch hochroutinierte Operateure mit mehr als 99 Thyreoidektomien im Jahr konnten Komplikationsraten von 14,5% bzw. 7,6% nicht verhindern.

Neue diagnostische und therapeutische Methoden erlauben nun eine individuellere Vorgehensweise gegenüber früher, als hauptsächlich Operation und in manchen Fällen eine Radiojodtherapie zur Verfügung standen.




Literatur:

Reiners C. et al. Prevalence of Thyroid Disorders in the Working Population of Germany. Thyroid 2004;14(11): 926-932

Durante C. et al. The Natural History of Benign Thyroid Nodules. JAMA 2015;313(9): 926-935

Yassa L. et al. Long-term assessment of a multidisciplinary approach to thyroid nodule diagnostic evaluation. Cancer 2007;111(6): 508-516

Hauch A. et al. Total Thyroidectomy is Associated with Incresed Risk of Complications for Low- and High-Volume Surgeons. Annals of Surgical Oncology 2014;21(12): 3844-52

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