Freitag, März 29, 2024

Röteln 2017 – Situation in Österreich und Europa

Eine Rötelninfektion verläuft häufig klinisch sehr diskret bis inapparent, was zu einem Unterdiagnostizieren der Röteln-Erkrankung führt.

Neben der – weiterhin – besorgniserregenden Masernsituation in Österreich beziehungsweise Europa (im Jahr 2017 und 2018) kam es 2017 auch zu einer starken Zunahme der Rötelnvirus-Aktivität. Die 39 im nationalen Röteln Surveillance System gemeldeten Röteln-Infektionen im Jahr 2017 stellen die höchste Fallzahl seit 2010 dar. Mit einer Inzidenz von 4,49 Röteln-Erkrankungen pro 1 Million Einwohner liegt Österreich damit nach Angaben des European Centers of Disease Control (ECDC) und auch der World Health Organization (WHO) Europe an der unrühmlichen zweiten Stelle (nach Polen mit einer Inzidenz von 13,06 / 1 Mio.) im europäischen Vergleich mit 29 bzw. 53 Ländern!

Am Zentrum für Virologie wurden (in seiner Funktion als Nationale Referenzzentrale (NRZ) für Masern, Mumps und Röteln (MMR) ) 32 (82%) der 39 gemeldeten Röteln-Fälle durch den Nachweis spezifischer Röteln-IgM-Antikörper und niederavider IgG-Antikörper bzw. den Virusnukleinsäurenachweis verifiziert. Der Großteil der Infektionen war auf zwei Röteln-Ausbrüche zurückzuführen. In beiden Ausbrüchen konnte an der NRZ das verursachende Rötelnvirus mittels PCR nachgewiesen und anschließend auch genotypisiert werden, was wichtig ist im Hinblick auf die Nachverfolgung der Infektionsketten in Österreich und auch Europa. Der erste Ausbruch (n= 21 Fälle) wurde, wie eingangs erwähnt, zwischen Februar und April an einer anthroposophischen Schule in Wien beobachtet, ausgelöst durch den Genotyp (GT) 2B. Betroffen waren Schüler und Schulpersonal im Alter von 6 bis 32 Jahren, wobei der Median bei 9 Jahren lag.

 

Missbildungsrisiko durch Röteln

18 Patienten (90%) waren ungeimpft, bei den verbleibenden drei war der Impfstatus unbekannt. Der zweite Ausbruch in Oberösterreich mit insgesamt 19 Fällen (11 davon 2017) begann Ende Oktober 2017 auf und dauerte bis Jänner 2018. Hier konnte der Rötelnvirus GT 1E nachgewiesen werden. Eingeschleppt wurde das Virus aus Bali von einem 34 Jahre alten Mann, der in Folge seine beiden Kinder infizierte, über die das Virus in Kindergärten und Schulen gelangte. Betroffen waren ungeimpfte Personen im Alter von 2 bis 39 Jahren (Median 9 Jahre). Beide Ausbrüche erforderten umfangreiche arbeits- und kostenintensive Kontrollmaßnahmen zur Verhinderung einer weiteren Ausbreitung dieser hochansteckenden Virusinfektion (WHO EpiBrief No.1/2018, Regional Office for Europe). Besonders bedauerlich war eine Rötelninfektion in der Frühschwangerschaft (4.-5. Schwangerschaftswoche) im November 2017 nach Aufenthalt in Südafrika. Die Schwangere war nur einmal MMR geimpft. Das Missbildungsrisiko für das Ungeborene in dieser Phase ist hoch, Kontrolluntersuchungen zeigten bisher keine Auffälligkeiten.

Insgesamt waren in Österreich 2017 von den Rötelninfektionen vor allem ungeimpfte Kinder im Alter von 5 bis 14 Jahren betroffen, gefolgt von den über 20-Jährigen. Laut den Daten der Europäischen Region der WHO (53 Länder) ist die Zahl der Rötelnerkrankungen im letzten Jahr weiter gesunken. Im Vergleich zum Vorjahr mit 1322 Fällen wurden insgesamt letztes Jahr 724 Rötelninfektionen gemeldet. Die meisten Fälle traten wieder in Polen auf (n=496, allerdings nur wenige Labor-bestätigt), aber auch dort ist die Zahl der Rötelninfektionen rückläufig (2015: 2029 Fälle; 2016: 1105 Fälle). An der 2. Stelle lag Deutschland mit 74 gemeldeten Fällen, gefolgt von Italien (n=68) und Österreich (n=39), wobei Österreich bezogen auf die Inzidenz (also die Erkrankungshäufigkeit in der Bevölkerung) bedauerlicherweise an zweiter Stelle liegt.

Die Übertragung der Rötelnvirus (Einzelstrang-RNA-Viren aus der Familie der Togaviridae) erfolgt durch Tröpfchen- oder Kontaktinfektion über die Schleimhäute der oberen Atemwege. Die Inkubationszeit beträgt im Durchschnitt 18 (12-21) Tage, Kontagiosität besteht bereits eine Woche vor bis zu einer Woche nach Exanthembeginn. Der Krankheitsverlauf ist in der Regel mild mit Fieber, Exanthem und Lymphknotenschwellung, jedoch bis zu 50% der Infektionen verlaufen sogar asymptomatisch und bleiben somit oft unerkannt. Als Komplikationen können bei Erwachsenen manchmal Arthritiden vorkommen, sehr selten treten auch eine Thrombozytopenie oder sogar Enzephalitis auf. Bei einer Rötelninfektion in den ersten 17 Schwangerschaftswochen besteht ein sehr hohes Risiko schwerer kindlicher Missbildungen. Dieses konnatale Röteln-Syndrom (Synonyme Röteln-Embryopathie oder Gregg-Syndrom) ist durch die Trias Innenohrschwerhörigkeit oder –taubheit, Katarakt und Herzfehler gekennzeichnet. Die Röteln sind daher die am meisten gefürchtete Virusinfektion in der Frühschwangerschaft!

Durch die im Österreichischen Impfplan vorgesehene zweimalige MMRImpfung kann eine Rötelninfektion in über 99% verhindert werden. Auf Grund der derzeit hohen Masernvirus Aktivität wird die Impfung bereits ab dem vollendeten 9. Lebensmonat empfohlen. Leider bestehen auch bei uns nach wie vor Impflücken bei den Adoleszenten und jungen Erwachsenen, bei denen die erforderlichen Impfungen unbedingt nachgeholt werden sollten. Da der Mensch das einzige natürliche Reservoir des Rötelnvirus ist, könnte durch ausreichend hohe Durchimpfungsraten (mindestens 95% mit zwei Dosen) die Viruszirkulation, genauso wie bei Masern, unterbrochen, das Virus eliminiert und diese Erkrankung somit zur Gänze zum Verschwinden gebracht werden, was auch ein erklärtes Ziel der WHO darstellt. Erst eine WHO-Region (Amerika) hat jedoch mit 2015 die endemische Übertragung von Röteln unterbrochen und somit auch das Auftreten des kongenitalen Röteln-Syndroms erfolgreich beendet. Auch in Europa konnten in einigen Ländern schon große Erfolge erzielt werden. Dennoch sind weitere Anstrengungen zur Erhöhung der Durchimpfungsraten notwendig.

Wie bereits erwähnt kann eine Rötelninfektion häufig klinisch sehr diskret bis inapparent verlaufen, was sicher zu einem Unterdiagnostizieren dieser Erkrankung führt. Eine Awareness ist daher besonders wichtig – bei einem klinischen Verdacht auf Röteln sollte klinisches Material (Serum, Sputum, Harn) möglichst aus der Frühphase der Erkrankung an unser Nationales Referenz- Zentrum übermittelt werden. Wir bitten dabei immer um genaue Angaben betreffend Klinik, Anamnese inkl. Erkrankungsbeginn und Impfstatus und danken allen Einsendern für die Unterstützung dieser wichtigen Röteln-Surveillance.

logo-virusepidemiologische-informationenQuelle:

VIRUSEPIDEMIOLOGISCHE INFORMATION” NR. 10 / 18-7.

Dr. Eva Geringer und Prof. Dr. Heidemarie Holzmann

. Department für Virologie der Med. Universität Wien.

Related Articles

Aktuell

Steviosid: Eine revolutionäre Alternative zu Zucker

Mit seiner Süßkraft, die deutlich stärker ist als die von Zucker, hat Steviosid (ohne jegliche Kalorien) die Welt der Süßstoffe revolutioniert. Mit einer Süßkraft, die...
- Advertisement -

Latest Articles

Digital Detox: Der Weg zu einer besseren Männergesundheit

Die Entscheidung für einen Digital Detox ist ein Schritt hin zu bewussterem Leben und Arbeiten. In unserer heutigen, digital dominierten Welt ist es kaum noch...

Gartenmelde und seine Heilwirkung

Die Gartenmelde kommt in der Volksmedizin mit seiner diuretischen (harntreibenden) Heilwirkung als Brechmittel und als Abführmittel zum Einsatz. Gartenmelde ist ein vielseitiges Kraut in Küche...

Biosimilars in der Therapie der Psoriasis

Vergleich der Wirksamkeit und Sicherheit von Biosimilars mit Original-Biologika für die Behandlung von Psoriasis lässt Fragen offen. Bei der Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Psoriasis...