Montag, März 18, 2024

Reisedurchfall, Reisediarrhoe, vorbeugen und behandeln

Reisedurchfall, Reisediarrhoe, vorbeugen ist schwer – trotz zahlreicher prophylaktischer Möglichkeiten zur Vermeidung dieser klassischen gesundheitlichen Problematik auf Reisen.

Nach wie vor ist Reisedurchfall das vorherrschende Krank­heitsbild seit den Anfängen des Tourismus, vor allem bei Fernreisen. Etwa 40% aller Fernreisenden erkranken an Durchfall – der so genannten Reisediarrhoe. Zwar sind medizinisches Wissen, ­klinische Bilder und Ansätze zu Reisedurchfall vorbeugen und therapieren vorhanden, doch die ­Dimension von Reisediarrhoe – Montezumas Rache – ist auch heutzutage noch unver­ändert groß.

Wenngleich es noch keine einheitliche Definition der Reisediarrhoe gibt, kann sie dennoch mit drei oder mehr ungeformten Stühlen pro Tag bei gleichzeitigem Vorliegen eines oder mehrerer begleitender Symptome wie Fieber, Bauchschmerzen, Übelkeit oder/und Erbrechen beschrieben werden. Abhängig ist das Risiko einer Reisedurchfall-Erkrankung vom

  • Reiseziel – also ob der Betroffene in ein Hochrisikogebiete reist, wie beispielsweise der Mittlere Osten oder Nordafrika –,
  • Reisestil – Individualtourismus oder zum Beispiel geführte Rundreise,
  • Unterbringung,
  • Aufenthaltsdauer sowie
  • Herkunftsland und Alter des Reisenden.

 

Ernährungsfehler von Fernreisenden

Der Slogan »Boil it, cook it, peel it or forget it« macht grundsätzlich zwar Sinn, doch das Ergebnis eines strikten Einhaltens von Essensrichtlinien wirkt sich nur in geringem Ausmaß positiv im Sinne einer Verhinderung von Reisedurchfall aus. So ergab eine Untersuchung an 7.000 Reisenden mit allgemeinen Diätrichtlinien, dass durch striktes Einhalten der erhaltenen Ernährungsempfehlungen lediglich eine Inzidenzreduktion von 8% erreicht werden konnte. Einen besseren Effekt zeigte die Aushändigung eines detaillierten Menüplanes, der alle erlaubten und verbotenen Nahrungsmittel auflistete.

Weiters lässt sich der Tourist offensichtlich von einem luxuriösen Ambiente täuschen. Dort werden Risiken verdeckt, die dennoch vorhanden sind – im Gegenteil zu einer weniger ansprechenden Umgebung. Aufenthalte in Luxushotels bringen deswegen keine Risikoreduktion, im Gegenteil: Die Häufigkeit einer Reisediarrhoe ist in luxuriösen Etablissements eher höher als in Standardhotels, da die Touristen dort weniger aufpassen.

 

Reisedurchfall vorbeugen

Noch stärker als der Wunsch nach einer guten Therapie war bei Reisenden stets das Verlangen nach einer effektiven Prophylaxe ausgeprägt. Zwei Ansätze sind pharmakologisch erprobt:

  • Probiotika – bisher nicht ­klinisch relevanter Schutz
  • Antibiotika – ungünstige Nutzen/Risiko-Relation

Reisedurchfall vorbeugen mit Probiotika wären natürlich sehr gut geeignet, da diese Substanzgruppe praktisch nebenwirkungsfrei ist. Leider sind sie bisher, abgesehen von geringfügigen Inzidenzreduktionen, nicht dazu geeignet, in einem wirklich relevanten Prozentsatz die Häufigkeit des Auftretens von Reisedurchfall zu beeinflussen. Auch Saccharomyces boulardii kann nicht generell als Prophylaktikum eine ausreichende Wirksamkeit attestiert werden, jedoch eine durchaus brauchbare Wirksamkeit bei Reisen in den nordafrikanischen Raum.

Reisedurchfall vorbeugen mit Antibiotika, die auch in der Therapie von Reisedurchfall zum Einsatz gelangen, sollte nur in Ausnahmefällen gemacht werden. Dies wurde bereits in einer Konsensuskonferenz im Jahr 1985 festgelegt und erfreulicherweise hat sich diese Denkart fest etabliert: Personen, die für kurze Zeit – im Bereich weniger Tage – in sogenannte »critical missions« unterwegs sind und bei denen durch eine Reisediarrhoe der Zweck des Aufenthaltes in Frage gestellt wäre, sind potentielle Kandidaten für eine Antibiotikaprophylaxe.

Als zweite Gruppe sind jene Personen zu benennen, bei denen eine Grundkrankheit besteht, die im Falle einer aufgepfropften Reisedurchfall wahrscheinlich wesentlich verschlimmert würde: Patienten mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa wären hier Beispiele.

Doch auch im Falle dieser Patienten gilt die Regel, eine Antibiotikaprophylaxe nur über einen überschaubaren, kurzen Zeitraum bei genauer Abwägung des zu erwartenden Nutzens gegenüber des in Kauf zu nehmenden Risikos durchzuführen.

Reisedurchfall vorbeugen mit Antibiotika geschieht meist mit einem der Gyrasehemmer in niedriger Dosierung, z.B. Ciprofloxacin 250mg/täglich. Die Effektivität einer derartigen Antibiotikaprophylaxe wird mit über 95% angegeben.

 

Die häufigsten Erreger von Reisedurchfall

Das Paradigma des klassischen toxininduzierten Durchfalls stellen enterotoxinproduzierende Stämme von Escherichia coli (ETEC) dar, die bei weitem die häufigsten Auslöser einer Reisediarrhoe sind. Die Toxinwirkung entspricht der des klassischen Choleratoxins: Die Adenylatcyclase wird durch eine Untereinheit des Toxins aktiviert und führt zu einer plasmaisotonen sekretorischen Diarrhoe, wobei gleichzeitig die Mechanismen der Rückresorption gehemmt werden.

Auch bei den fast ebenso häufigen Infektionen mit Campylobacter (v.a. jejuni), Shigella spp. und enteritischen Salmonellosen, spielen Enterotoxine eine pathogenetische Rolle, allerdings nicht ausschließlich: Die drei letztgenannten Erreger sind in erster Linie enteroinvasiv und führen zu einer direkten Schädigung der Darmwand in weit größerem Ausmaß als ETEC. Unter den Protozoen sind es vor allem Giardia-Infektionen, die zwar als Auslöser einer akuten Diarrhoe nur eine unterge­ordnete Rolle spielen, jedoch überaus häufig zu längerdauernden chronisch-rezidivierenden Durchfällen führen, wodurch derartige Infektionen bei tropenmedizinischen Nachsorgeuntersuchungen überrepräsentiert sind.

Bei fast allen enteropathogenen Bakterien zeigt sich, dass die Krankheitsauslösung oft von mehr als einem pathogenen Mechanismus mediiert wird und erst das Zusammenspiel für das Vollbild der Erkrankung verantwortlich ist.

So findet man in der akuten Krankheitsphase in etwa 20% der Stuhlproben von Erkrankten mehr als einen potentiell enteropathogenen Keim. Weiters bleiben (je nach Untersuchung) 15-55% der Akutkranken mikrobiologisch unklar und ein auslösendes Agens kann nicht gefunden werden.

Hausmittel wie »Cola und Soletti« – eine unkontrollierte Zufuhr von Kohlenhydraten, Elektrolyten und Ballaststoffen – können sogar zu einer Verschlechterung der Diarrhoe und zu Elektrolytentgleisungen führen.

 

Charakteristische Klinik

Allgemein ist die Reisediarrhoe als Erkrankung für den Erwachsenen als mittelschwer einzustufen, hat einen ausgeprägt selbstlimitierenden Charakter und die Symptomatologie ist selten bedrohlich. Doch sie bedeutet aufgrund der Verschiebung von geplanten Aktivitäten einen wesentlichen Verlust des Urlaubsvergnügens.

In über 90% der Fälle tritt die Druchfallerkrankung zwischen dem dritten und neunten Aufenthaltstag in Form von wässrigen Stühlen (85%) durchschnittlich drei- bis sechsmal pro Tag in Erscheinung und hält über 2 bis 6 Tage an. In 15% der Fälle ist die Stuhlbeschaffenheit allerdings schleimig und/oder blutig.

An Begleitsymptomen sind besonders Tenesmen, Übelkeit und Erbrechen sowie Fieber vorhanden. Nur 10% der Erkrankten haben nach dem fernen Aufenthalt noch gastroenterologische Probleme und nur ein kleiner Teil dieser Patienten empfindet die Beschwerden als so unangenehm, dass eine weiterführende Untersuchung in Angriff genommen wird.

 

Drei Säulen der Behandlung von Reisedurchfall

Schon in den Reisevorbereitungen werden die drohenden gastrointestinalen Beschwerden bedacht, doch existiert kein Einzelmedikament, das alle Anforderungen erfüllt: Die Therapie gestaltet sich prinzipiell aus einfacher Rehydratation, nichtantibiotischen Therapeutika und Antibiotika, die entweder parallel oder konsekutiv verabreicht werden.

 

Empfehlungen zu oraler Rehydratationslösung nach WHO

Die einfachste Therapie und gleichzeitig komplikationsverhindernd ist die orale Rehydrierung. Durch den Transporteffekt von Glukose werden unter Umgehung des in seiner Resorptionsfähigkeit gestörten Darmes Flüssigkeit und Elektrolyte ersetzt.

Die orale Rehydratationslösung nach WHO enthält 20g Glukose, 3,5g Natriumchlorid, 2,5g Na-Bicarbonat, 1,5g Kaliumchlorid pro Liter Wasser (Gluc: 111 mMol, Na: 90 mM, Cl: 80 mM, K: 20 mM, HCO3: 2,5mM).

Die orale Rehydratationsterapie (ORT) arbeitet mit Arzneimitteln auf wissenschaftlicher Basis. Bei Hausmitteln wie »Cola und Soletti« handelt es sich um eine unkontrollierte Zufuhr von Kohlenhydraten, Elektrolyten und Ballaststoffen. Das kann sogar eine Verschlechterung der Diarrhoe (Fortschreiten von Schleimhautschäden, nicht resorbierbare Ballaststoffe) und Elektrolytentgleisungen (Hypokalämie, hypernatriämische Dehydratation) provozieren.

 

Nichtantibiotische Mittel zum Vorbeugen von Reisedurchfall, der Reisediarrhoe

Zur nichtantibiotischen Behandlung einer Reisediarrhoe stehen Adsorbentien – die allerdings mit Ausnahme von Wismuth-Subsalicylat keinen wirklichen Wert besitzen –, Peristaltikhemmer (Loperamid, Diphenoxylat plus Atropin) und Probiotika (Lactobacillus, Saccharomyces boulardii, Streptococcus faecium) zur Verfügung.

Entscheidend bei allen nichtantibiotischen Mitteln ist, dass ihre Wirksamkeit nach harten klinischen Kriterien messbar ist. Nur eine signifikante Verkürzung der Krankheitsdauer in einem (bereits kurzen) Beobachtungszeitraum von etwa 48 Stunden ist akzeptabel.

Loperamid hältige Präparate die gleichzeitig verlorengegangene Elektrolyte substituieren, sind einerseits zwar zu begrüßen. Motilitätshemmer – vor allem Loperamid – sollten allerdings nicht leichtfertig und kritiklos lange vom Laien selbst eingesetzt werden.

Eine Loperamid-Eigentherapie ist nicht länger als 48 Stunden und nicht bei akut-febrilen Durchfallerkrankungen durchzuführen, denn mittlerweile sind einige Fälle von nekrotisierender Kolitis als Folge eines Loperamid-Abusus bekannt: bei je einem Fall von Amöbenruhr, Campylobacter-Infektion, Gruppe-D-Salmonellose und Shigella sonnei-Infektion.

 

Antibiotika bei Reisedurchfall

Antibiotika haben schon seit langem ihren festen Platz als Therapeutika der Reisediarrhoe. Die am häufigsten in kontrollierten Studien evaluierten Substanzen, die eine zumindest signifikante Reduktion der Krankheitsdauer erbrachten, sind: Trimethoprim, Trimethoprim/Sulfamethoxazol, Doxycyclin, Bicozamycin, Aztreonam und Azithromycin sowie eine Reihe verschiedener Gyrasehemmer wie Ciprofloxacin, Norfloxacin, Ofloxacin, Fleroxacin und Enoxacin.

Auch Rifaximin, ein kaum resorbierbares Rifampicin-Derivat, hat eine ausgezeichnete Wirksamkeit. Jede antibiotische Therapie birgt für den Anwender Risken. Arzneimittelunverträglichkeiten sind nicht selten, die Wahl des falschen Therapeutikums bei nicht abgeklärter Mikrobiologie ist immanent und damit die Verschleppung der Erkrankung, und letztlich führt die kritiklose Anwendung von Antibiotika zum sattsam bekannten Problem der Resistenzbildungen, die eine zunächst sehr erfreuliche Substanz bereits nach kurzer Zeit wieder problematisch werden lassen.

Hier findet sich als typisches Beispiel die zunehmende Resistenz von Campylobacter in SO-Asien gegen Chinolone und auch in Indien die zunehmende Gyrasehemmerresistenz von enteritischen Salmonellosen. Die Wirkung von Antibiotika ist – mit Ausnahme von Rifaximin, das wesentlich rascher wirkt – oft erst nach 72 Stunden deutlich erkennbar. Somit sind sie den Antisekretorika und auch den Peristaltikhemmern etwas unterlegen, was angesichts der in der Mehrzahl der Fälle wohl toxinmediierten Durchfälle nicht verwundert.

Die begreifliche Zielvorstellung, einerseits die Wirkung eventueller Toxine des Erregers zu mildern und andererseits gleichzeitig eine mikrobiologische Heilung des Geschehens voranzutreiben, hat zu der Überlegung geführt, Peristaltikhemmer simultan mit einer Einzeldosis eines im allgemeinen hochwirksamen Antibiotikums zu kombinieren.

Es hat sich bei Patienten in der Frühphase ihres Krankheitsgeschehens die Kombination Loperamid / Ciprofloxacin (1.000mg Ciprofloxacin plus Loperamid) durchaus bewährt. Jüngere Untersuchungen kombinieren Loperamid auch mit Azithromycin, um dem Resistenzproblem zu begegnen. Insbesonders wird hier der dem Loperamid anhaftende Vorwurf der Verlängerung der Verweildauer von enteropathogenen Keimen im Darm zum Vorteil, da das Antibiotikum just durch diese Eigenschaft länger seine bakterizide Wirkung entfalten kann. Bei offensichtlich invasiven Diarrhoen ist diese Vorgangsweise jedoch nach wie vor kontraindiziert.


Quellen:

Die Reisediarrhoe – Reisedurchfall vorbeugen, Hygiene­maßnahmen reichen nicht aus. Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch. MEDMIX 06-2006.

http://cmr.asm.org/content/19/3/583.full

http://www.nlm.nih.gov/medlineplus/ency/article/002433.htm

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