Freitag, April 19, 2024

Rechenschwäche – Dyskalkulie: wenn man Mathematik einfach nicht versteht

Schulkinder die trotz normaler Intelligenz in Mathematik völlig versagen, können an einer Rechenschwäche – der sogenannten Dyskalkulie – leiden.

Kinder mit Dyskalkulie beziehungsweise Rechenschwäche sind oft nicht unintelligent oder unwillig, sondern verstehen Mathematik einfach sehr schwer. Einerseits können die betroffenen Kinder zwar oft abstrakt gut denken, andererseits erkennen sie Zahlen nicht in ihren mengenmäßigen Zusammenhängen. Um ihrer Dyskalkulie entgegenzuwirken, entwickeln sie gerne eine eigene Logik in zur Mathematik, die nicht wirklich funktioniert. Wobei Dyskalkulie-Symptome bei Kindern oft eine große Herausforderung für Lehrer und Schulpsychologen darstellen. Übrigens geht man davon aus, dass 3 bis 7 Prozent aller Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen an Dyskalkulie leiden.

Therapien mittels Interventionen, bei denen bestimmte mathematische Inhalte trainiert werden, erzielen übrigens die besten Ergebnisse. Im Grunde genommen besteht jedenfalls weiterhin Bedarf an qualitativ hochwertigen Interventionsstudien. Sowie an geeigneten Tests und Lernprogrammen vor allem für ältere Jugendliche und Erwachsene.

Die Diagnose einer Dyskalkulie ist aber nur dann notwendig, wenn die betroffene Person im Zusammenhang mit relevanten Informationen aus der Anamnese, den Testergebnissen, der klinischen Untersuchung und weiteren psychosozialen Bewertungen eine unterdurchschnittliche mathematische Leistung aufweist. Die Therapie sollte die einzelnen mathematischen Problembereiche einbeziehen.

 

Dyskalkulie: Rechenschwäche durch mangelhafte Vermittlung der Zusammenhänge in der Mathematik

Experten-Schätzungen zufolge sind rund sechs bis sieben Prozent der Kinder von einer solchen Dyskalkulie betroffen. Rechenschwäche liegt definitionsmässig vor, wenn kein Verständnis für grundlegende mathematische Einsichten vorhanden ist.

Als ein Grund für das Entstehen der Dyskalkulie wird die mangelhafte Vermittlung mathematischer Zusammenhänge in der Schule angesehen. Betroffene Schüler verstehen dann ihre Mathematik-Aufgaben und Regeln inhaltlich nicht und denken „in die falsche Richtung“. Dadurch kann sich eine fatale Angst vor Mathematik entwickeln.

Rechenschwäche ist ein oft spät erkanntes Problem, das noch immer wenig bekannt ist. Weiters fallen Defizite beim Rechnen in den ersten Schuljahren oft noch nicht auf, da da das Zählen zumindest teilweise noch weiterhilft und schlechte Zensuren deswegen noch nicht die Regel sein müssen.

Manchmal hören verunsicherte Eltern, es handle sich um eine Konzentrationsschwäche. Oder den Betroffenen wird geraten, mehr zu üben. Doch zusätzliche Förderstunden helfen nach Expertenmeinung bei einer Dyskalkulie kaum weiter, weil nur der aktuelle Mathematik-Lernstoff wiederholt wird.

Jedenfalls sollte man psychometrische Tests (der mathematischen Leistung) einsetzen, um das Gesamtbild der Defizite so vollständig wie möglich zu dokumentieren.

 

Dyskalkulie kann aggressiv machen

Kinder mit Rechenschwäche fühlen sich nicht verstanden, manchmal werden sie aggressiv. Verschärft sich das Problem, kann Mathematik-Angst zu kompletter Lernabneigung führen. Dyskalkulie führt ohne gezielte Intervention häufig zu Schulversagen und Schulabwesenheit

Bei der Therapie ergründen Fachleute, welche Gedanken sich die Kinder bei ihren Berechnungen machen. Wo sie aus der strengen Logik der Mathematik aussteigen, um mit eigenen, teils hoch komplizierten Regeln ans Ziel zu kommen.

Doch wenn eine betroffene person einen grundlegenden Gedanke nicht verstanden hat, dann entstehen zwangsläufig immer größere Lücken. Nicht selten sollte man dann bei der Therapie ganz von vorne wieder angefangen. Doch das ist mühsam, weil jahrelang genutzte falsche Denkmuster nur schwer verblassen. Rund zwei Jahre kann es dauern, bis die Betroffenen wieder auf dem Stand der Dinge sind.

 

Symptome bei Diskalkulie: wenn Rechenschwäche gesundheitliche Beschwerden verursacht

Typisch für eine Rechenschwäche ist es, dass die betroffenen Kinder mühsam erlernte Mathematik-Aufgaben nach kurzer Zeit wieder vergessen ist. Rechnen bleibt stures Abzählen. Alle sich aus der Logik des Zahlenaufbaus ergebenden Rechenerleichterungen bleiben ungenutzt.

Auf eine Rechenschwäche deutet auch hin, wenn Rechenarten verwechselt und offensichtlich falsche Lösungen nicht erkannt werden.

Betroffenen fällt auch der praktische Umgang mit Größen wie Geld, Gewichten und Zeit schwer oder gelingt kaum. Psychische Auffälligkeiten sind neben Schlafstörungen Angst vor Leistungsanforderungen, Tränenausbrüche bei den Hausaufgaben und ein beeinträchtigtes Selbstwertgefühl.

Bei Dyskalkulie geht die Rechenschwäche auch oft mit bei Lese- und / oder Rechtschreibstörungen einher. Etwa 30 bis 40% der Betroffenen leiden auch an Legasthenie, weiter 10 bis 20%  an Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS). Wobei der Umgang mit Legasthenie-, Dysgraphie- und Dyskalkulie-Symptomen ist eine große Herausforderung für Lehrer und Schulpsychologen.


Literatur:

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Haberstroh S, Schulte-Körne G. The Diagnosis and Treatment of Dyscalculia. Dtsch Arztebl Int. 2019;116(7):107–114. doi:10.3238/arztebl.2019.0107

Kucian K, von Aster M. Developmental dyscalculia. Eur J Pediatr. 2015 Jan;174(1):1-13. doi: 10.1007/s00431-014-2455-7. Epub 2014 Dec 23.

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Shalev RS, Gross-Tsur V. Developmental dyscalculia. Pediatr Neurol. 2001 May;24(5):337-42.

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