Donnerstag, April 18, 2024

Juckreiz: Pruritus in der Schwangerschaft

Pruritus in der Schwangerschaft ist ein wichtiges Symptom und sollte niemals bagatellisiert werden. Verschiedene Hautprobleme können den Juckreiz verursachen.

Von den Frauen, die in der Schwangerschaft an Juckreiz leiden, ist bei etwa jeder fünften werdenden Mutter eine zufällig in der Schwangerschaft auftretende Dermatose an Pruritus in der Schwangerschaft schuld. Solche Hautinfektionen und Erkrankungen sind beispielsweise die Krätze (Skabies), Nesselsucht (Urticaria) oder ­Pityriasis rosea. In den übrigen 80 Prozent der Fälle ist der Juckreiz das Leitsymptom der spezifischen Hautprobleme in der Schwangerschaft.



 

Pruritus in der Schwangerschaft durch Schwangerschaftsdermatosen

Schwangerschaftsdermatosen umfassen, gereiht nach Häufigkeit, die atopische Schwangerschafts­der­matose (51%), die polymorphe Schwangerschaftsdermatose (22%), die intrahepatische Schwangerschaftscholestase (3–6%), und Pemphigoid gestationis (1–2%).

Pruritus ist das gemeinsame Charakteristikum dieser Erkrankungen der Haut. Dabei begleiten oft sehr ähnliche Effloreszenzen den heftig auftretenden Juckreiz. Einige dieser Dermatosen bergen jedoch ein potenzielles Risiko für das Kind. Deshalb ist eine rasche Diagnose und Therapie essenziell. Die ­retrospektive Analyse eines großen Patientinnenkollektivs mit Pruritus in der Schwangerschaft ergab signifikante und differenzialdiagnostisch hilfreiche Unterschiede zwischen diesen Erkrankungen, die die Grundlage für den angeführten Algorithmus bildeten.

 

Wenn eine atopische Schwangerschaftsdermatose (atopic eruption of pregnancy, AEP) Juckreiz in der Schwangerschaft verursacht

Die Atopische Schwangerschaftsdermatose ist die mit Abstand häufigste mit Pruritus vergesellschaftete Dermatose bei werdenden Müttern. Dabei umfasst sie ekzematöse sowie papulöse Veränderungen bei Patientinnen mit atopischer Eigen- beziehungsweise Familienanamnese. Und kann mit der für die Schwangerschaft typischen Dominanz einer Th2-Immunität in Verbindung gebracht werden. Sie manifestiert sich meist deutlich früher als die anderen Schwangerschaftsdermatosen, häufig bereits während des 1. und 2. Trimesters.

Klinisch kommt es in 20% der Fälle zur Exazerbation einer ­bestehenden atopischen Dermatitis, während 80% der Patientinnen erstmalig oder nach langer Zeit wieder (beispielsweise seit der Kindheit) atopische Hautmanifestationen aufweisen. Diese präsentieren sich zu 2/3 als flächig-ekzematösen Veränderungen (E-Typ-AEP) in typisch atopischer Lokalisation (Gesicht, Hals, Dekolleté, Beugeseiten der Extremitäten) oder zu 1/3 als ­papulöse Läsionen (P-Typ-AEP).

Auffällig sind weiters die meist ausgeprägte Xerosis cutis sowie zahlreiche weitere atopische Stigmata. Die Histopathologie ist unspezifisch; direkte und indirekte Immunfluoreszenz (IF) sind negativ; die Gesamt-IgE-Werte im Serum können erhöht sein. Unter rückfettender Lokaltherapie, beispielsweise mit harnstoffhältigen oder antipruriginösen Zusätzen (Menthol, Polidocanol) und topischen Kortikosteroiden (Methylprednisolon aceponat, Momethason fuorat), kommt es meist rasch zur Besserung.

Schwere Fälle können ­systemische Kortikosteroide (Prednisolon) und Antihistaminika (Dimetinden maleat, Loratadin, Cetirizin) erfordern, eventuell ergänzt durch Lichttherapie (UVB). Rezidive in Folgeschwangerschaften sind aufgrund der genetisch determinierten atopischen Disposition häufig. Die fetale Prognose ist unbeeinträchtigt.



 

Polymorphe Schwangerschafts­dermatose (polymorphic erup­tion of pregnancy, PEP)

Die Polymorphe Schwangerschafts­dermatose, vormals auch unter dem Namen »pruritic urticarial papules and plaques of pregnancy (PUPPP)« bekannt, manifestiert sich typischerweise in den letzten Schwangerschaftswochen oder unmittelbar postpartal (15%), charakteristischerweise bei Erstgebärenden, Mehrlingsschwangerschaften oder exzessiver mütterlicher Gewichtszunahme. Trotz der hohen Inzidenz (1:160) ist die Ätiopathogenese nach wie vor ungeklärt. Es wird ein Zusammenhang mit einer Schädigung der kollagenen Fasern ­infolge von Überdehnung vermutet.

Die Polymorphe Schwangerschafts­dermatose beginnt mit juckenden urtikariellen Papeln fast ­immer innerhalb der Striae ­distensae, vornehmlich am Unterbauch, ­wobei die Umbilikalregion ausgespart bleibt. Rasch kommt es zur Streuung der Läsionen auf Gesäß und proximale Extremitäten.

Mit zunehmender Krankheitsdauer entwickelt sich überwiegend ein polymorphes Bild mit flächigen Erythemen, winzigen Vesikeln, targetoiden und ekzematösen Veränderungen. Das histopathologische Bild ist unspezifisch, direkte und indirekte IF sind obligat negativ. PEP ist eine selbstlimitierte Erkrankung (durchschnittliche Abheilungsdauer 4–6 Wochen) und neigt nicht zu Rezidiven. Maternale und fetale Prognose sind unbeeinträchtigt. Topische Kortikosteroide und systemische Antihistaminika reichen üblicherweise zur Kontrolle der Symptome; schwere Fälle können einen kurzen systemischen Steroidstoß für wenige Tage erforderlich machen.

 

Intrahepatische Schwangerschaftscholestase (intrahepatic cholestasis of pregnancy, ICP)

Es handelt sich um eine hormonell getriggerte, reversible Cholestase bei genetisch prädisponierten Individuen, die sich in der Spätschwangerschaft manifestiert. Die Inzidenz für Mitteleuropa beträgt 0,02–2,4%. Durch eine Störung der Gallensäureexkretion kommt es zum Anstieg der Gallensäuren im ­Serum, was zu Pruritus bei der Mutter führt. Durch Übertritt ­toxischer Gallensäuren in den fetalen Kreislauf kann es, infolge kardiodepressiver Effekte und akuter Anoxie, jedoch auch zu erheblicher Beeinträchtigung des Feten kommen.

Im Gegensatz zu den übrigen Schwangerschaftsdermatosen kommt es bei der Intrahepatische Schwangerschaftscholestase zuerst zur alleinigen ­Manifestation eines generalisierten Juckreizes, ohne Primäreffloreszenzen. Erst sekundär, durch Kratzen, entwickeln sich, je nach Krankheitsdauer, Exkoriationen und Prurigoknoten. Ikterus findet sich lediglich in 10% der Fälle (erhöhtes Risiko für ­Vitamin-K-Mangel mit potenziellen Blutungskomplikationen und Cholelithiasis).



Die Diagnose wird laborchemisch anhand erhöhter Gesamtgallensäurewerte im Serum (>10µmol/l) gesichert, wobei die übrigen Leberfunktionsparameter häufig unauffällig sind. Nach der Entbindung klingt der Juckreiz binnen weniger Tage vollständig ab, ­Rezidive in Folgeschwangerschaften sind nahezu obligat. Die Brisanz dieser Erkrankung liegt jedoch nicht im mütterlichen Juckreiz, sondern in der erheblich beeinträchtigten fetalen Prognose (Frühgeburtenrate von 19–60%, intrapartaler ­»fetal distress« in 22–33% der Fälle, sowie Totgeburtenrate von 1–2%).

Die Therapie erfolgt mit Ursode­soxychol­­säure (15mg/kg/ Tag), einer natürlich vorkommenden, hydrophilen, nicht ­toxischen Gallensäure, die als einziges Therapeutikum auch die fetale Prognose verbessert. Da sie in Deutschland und Österreich jedoch nur für die Therapie der primär biliären Zirrhose zugelassen ist, ist eine entsprechende Aufklärung der Patientin erforderlich (Off-Label-Use). Rasche Diagnose, spezifische Therapie und engmaschiges geburtshilfliches Monitoring sowie entsprechende Aufklärung der Patientin in Hinblick auf Folgeschwangerschaften sind essenziell.

 

Pemphigoid gestationis (PG; syn. Herpes gestationis)

Pemphigoid gestationis ist eine sehr seltene (Inzidenz 1:50.000), autoimmunbullöse Dermatose, die sich vorwiegend in der 2. Schwangerschaftshälfte manifestiert, und zu Rezidiven in Folgeschwangerschaften neigt. Dabei kommt es pathogenetisch zur Produktion von Komplement-fixierenden Autoantikörpern, welche gegen das bullöse Pemphigoid Antigen 2, ein 180 kD Protein (BP180) im Bereich der dermoepidermalen Junktionszone (DEJ) gerichtet sind.

Klinisch zeigen sich pralle Blasen auf stark juckenden urtikariellen Erythemen. Der Hauptmanifestationsort ist wie bei PEP das Abdomen, wobei die Nabelregion mit erfasst wird und keinerlei Assoziation zu den Striae distensae besteht. Während das histopathologische Bild unspezifisch sein kann, ist die IF diagnostisch. Die direkte IF zeigt ­eine lineare C3-Ablagerung entlang der DEJ und mittels indirekter IF können zirkulierende IgG Antikörper im Serum nachgewiesen werden.

Pemphigoid gestationis bildet sich üblicherweise innerhalb von Wochen bis Monaten nach der Geburt zurück. Ein Flare-up zum Zeitpunkt der Geburt ist charakteristisch. »Small-for-date Babies« werden vermehrt beobachtet, und bei etwa 10% der Neugeborenen treten milde kutane ­Läsionen auf, die innerhalb ­weniger Tage bis Wochen spontan abklingen.

Jedenfalls gilt es wichtig für die Therapie, dass man den Pruritus, den Juckreiz, in der Schwangerschaft sowie die Blasenbildung beherrschen kann. Deswegen kommen systemische Kortikosteroide (Prednisolon, initial meist 0,5–1mg/kg/Tag) sowie Antihistaminika zum Einsatz. Bei therapierefraktären Fällen kann weiters während der Schwangerschaft auch eine Immunapharese helfen. Schließlich steht postpartal bei ­Bedarf die gesamte Palette immunsuppressiver Therapien zur Verfügung.




Literatur:

Bechtel MA. Pruritus in Pregnancy and Its Management. Dermatol Clin. 2018 Jul;36(3):259-265. doi: 10.1016/j.det.2018.02.012. Epub 2018 Apr 26.


Quelle: Pruritus in der Schwangerschaft. Dr. Christina M. Ambros-Rudolph. MEDMIX 6/2007

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