Sonntag, März 17, 2024

Pragmatische Behandlung von Parkinson-Patienten im höheren Alter

Eine pragmatische Behandlung von Parkinson-Patienten im höheren Alter kann die Lebensqualität und die Selbstständigkeit der Betroffenen deutlich verbessern.

Die Inzidenz von Morbus Parkinson steigt mit höherem Lebensalter an; das Lebenszeitrisiko, an Parkinson zu erkranken, liegt bei 1,5%. Bisher konnte keine medikamentöse Neuroprotektion in klinischen Studie nachgewiesen werden. Parkinson ist eine unheilbare progressive Krankheit, Lebensqualität und Selbstständigkeit können aber durch eine adäquate Behandlung von Parkinson-Patienten sehr stark verbessert werden.



Bezüglich der dopaminergen Behandlung von Parkinson-Patienten stellt L-dopa weiterhin eine effektive medikamentöse Therapie von Bewegungsstörungen dar. Eine Langzeit-Behandlung von Parkinson-Patienten mit L-dopa geht jedoch mit motorischen Komplikationen wie Fluktuationen und Dyskinesien einher.

Mit fortschreitender Erkrankung entwickeln die Patienten außerdem Symptome, gegen die L-Dopa nur unzureichend wirkt. Dazu gehören etwa eine plötzliche Blockade der Bewegung (das sogenannte Freezing), autonome Dysfunktion, Würgen, Dysarthrien, Stürze sowie Demenz.

 

Co-Morbiditäten und Multimedikation bei der Behandlung von Parkinson-Patienten berücksichtigen

Ärzte müssen bei der Therapie von Parkinson-Patienten im höheren Alter Co-Morbiditäten sowie die Einnahme weiterer Medikamente berücksichtigen. Außerdem müssen sie einem erhöhten Risiko einer kognitiven Beeinträchtigung beziehungsweise einer Demenz Beachtung schenken.

Zusätzlich zum höheren Lebensalter gibt es weitere Faktoren, die auf zukünftige Demenzen bei Parkinson-Patienten hindeuten. Das sind insbesondere die Schwere und Form extrapyramidaler Symptome wie posturale Instabilität und Gehschwierigkeiten. Weiters sind das Vorhandensein von Halluzinationen sowie bereits bei den Basis-Tests eine leichte geistige Beeinträchtigung.

Eine Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit und Demenzen stellen hohe Risikofaktoren für die Entwicklung von Halluzinationen dar. Zu beachten ist in dieser Hinsicht vor allem, dass sowohl Demenzen als auch Halluzinationen eine Einschränkung der Behandlungsmöglichkeiten der motorischen Symptome mit sich ziehen.

In der Behandlung motorischer Symptome bei älteren Patienten mit normaler kognitiver Funktion ohne Halluzinationen steht das gesamte Spektrum der Anti-Parkinson-Medikamenten zur Verfügung.



 

Dopaminagonisten zur Behandlung von Parkinson-Patienten im höheren Alter

Im Grunde genommen sollten Ärzte Dopaminagonisten jedoch bei älteren Menschen immer mit Vorsicht verschreiben. Auch wenn sie in der Monotherapie bei der Vermeidung von Dyskinesien eine wichtige Rolle spielen. Im Gegensatz zu L-Dopa besteht bei ihrer Verwendung ein erhöhtes Risiko für psychiatrische Nebenwirkungen.

Weitere Nebenwirkungen, die bei älteren Patienten häufig vorkommen, sind Ödeme an den Fußgelenken, Schläfrigkeit tagsüber sowie eine Verschlechterung des Freezing-Effekts. Aus diesem Grund verschreiben Ärzte bei älteren Patienten meist L-dopa bereits zum Einstieg.

 

Kombinationstherapien und DBS

Zur Behandlung von motorischen Fluktuationen können Medikamentenkombinationen mit MAO-B-Hemmer, Entacapon oder COMT-Hemmer zur Anwendung kommen. Ein Behandlungseinstieg mit Selegilin oder Rasagilin ist möglich, aber weniger effektiv als der Einstieg mit L-dopa alleine. Anticholinerge Medikamente sollten älteren Parkinson-Patienten nicht verschrieben werden!

Ein operativer Eingriff wie die Tiefe Hirnstimulation (DBS), bei welcher der bilaterale Nucleus subthalamicus durch ein Implantat stimuliert wird, ist beim Großteil der älteren Patienten nicht indiziert.

Patienten, bei denen eine Tiefe Hirnstimulation als sinnvoll erachtet wird, sollten unter 70 Jahre alt sein, auf L-dopa gut anschlagen, keine Abnormitäten des Gehirns am MRI aufweisen und keine ausgeprägten depressiven Symptome oder ein starkes Nachlassen der geistigen Leistungsfähigkeit zeigen.



Während verschiedene Medikamenten-Kombinationen notwendig sein können, um eine adäquate Verbesserung der motorischen Komplikationen zu erzielen, gibt es mehrere neue Darreichungsmöglichkeiten, welche eine kontinuierliche Abgabe des Medikaments ermöglichen und bei der Behandlung von schweren motorischen sowie zum Teil auch nicht-motorischen Fluktuationen und Dyskinesien zielführend sind.

Dopaminagonisten kommen als Tabletten mit einer verlängerten Abgabedauer, über transdermale Pflaster, oder über Pumpen, welche die Medikamente kontinuierlich sub­cutan applizieren, zum Einsatz.

 

Risiko psychiatrischer Nebenwirkungen in der Behandlung von Parkinson-Patienten im höheren Alter

Angesichts des Risikos vor allem von psychiatrischen Nebenwirkungen durch DA-Agonisten scheint die enterale Verabreichung von L-dopa über eine PEG-Sonde die am besten geeignete und effektivste Behandlungsoption für ältere Patienten mit schweren Fluktuationen darzustellen.

Bei akuten Akinesien sind zwar Sulphat-Infusionen sehr wirksam. Dabei muss man aber auch aufgrund möglicher psychiatrischer Nebenwirkungen mit Vorsicht vorgehen. Eine Hospitalisierung auf der Intensivstation ist in diesem Fall anzuraten.

Zusätzlich zum Dopamin scheinen auch weitere Neurotransmitter in Morbus Parkinson eine Rolle zu spielen: Defizite in den cholinergischen, noradrenergischen und serotonergischen Sys­temen beeinflussen das Krankheitsbild und die Progression von Parkinson und das Management der Krankheit.

Zur Behandlung von affektiven, kognitiven, sensorischen, autonomen sowie Verhaltens-Symptomen steht eine Reihe von non-dopaminergischen Optionen zur Verfügung. Generell ist die Behandlung der Non-Motor-Symptome schwieriger als jene der Motor-Symptome, und sie haben großen Einfluss auf die Lebensqualität des Patienten.



 

Halluzinationen und Demenzen bei Behandlung von Parkinson-Patienten

Halluzinationen und Demenzen stellen einen Hauptrisikofaktor für die Einweisung in ein Pflegeheim sowie eine erhöhte Sterblichkeit dar. Zielführend ist hier ein multidisziplinärer Ansatz mit Physiotherapie, logopädische Behandlung, Beschäftigungstherapie, Unterstützung im Alltag etc.

 

L-Dopa ist in der Behandlung von Parkinson-Patienten Mittel der Wahl

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine dopaminerge Therapie mit L-dopa bei älteren Parkinson-Patienten das Mittel der Wahl darstellt. Ist die Wirkung nicht mehr ausreichend oder entwickeln sich Dyskinesien, ist meist eine zusätzliche Therapie mit Entacapon oder Rasagilin zu empfehlen. Jedenfalls sollten die behandelnden Ärzte die Dopaminagonisten speziell bei älteren Parkinson-Patienten mit Vorsicht einsetzen.

Eine DBS-Operation ist für ältere Patienten meist weniger gut geeignet. Sind dopamin-abhängige Symptome mit herkömmlichen Medikamenten-Kombinationen nicht gut in den Griff zu bekommen, kann die enterale Verabreichung von L-dopa eine effektive Option darstellen. Falls es zu Halluzinationen oder Psychosen kommt, sollte der Arzt zuerst auslösende Faktoren unter Kontrolle bringen. Dann sollte er die gleichzeitige Gabe vieler Medikamente möglichst reduzieren.

Anti-Parkinson-Medikamente – außer L-dopa – sollten langsam abgesetzt, die tägliche L-dopa-Dosis wenn möglich verringert werden. Bei Nichtansprechen kann eine Therapie mit atypischen Antipsychotika und/ oder Acetylcholinesterase-Hemmern begonnen werden. Diese Maßnahmen sind wichtig, um die Reorganisation des Nervensystems in die richtigen Bahnen zu lenken; pathologischen Reorganisationsprozessen, die etwa zu Spastizität führen, soll vorgebeugt werden.

Fazit. Nach wie vor erfolgt die pharmakologische Behandlung von Parkinson-Patienten also symptomatisch. Die initiale Behandlung mit Dopaminagonisten führt im Vergleich zu einer L-Dopa-Monotherapie im Verlauf von mindestens 3 bis 5 Jahren zu selteneren Dyskinesien. L-Dopa besitzt nach wie vor die beste symptomatische Wirkung sowie das geringere Potenzial an nicht motorischen Nebenwirkungen bei gleichwertigem Effekt auf die Lebensqualität.




Quelle:

Mag. Stefanie Riemer nach einem Vortrag von Dr. Irena Rektorova: Die pragmatische ­Behandlung des älteren Parkinson-Patienten; MEDMIX November 2009.

 


Leitlinien:

Leitlinie der DGN: Parkinson-Syndrome – Diagnostik und Therapie. http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-010l_S2k_Parkinson-Syndrome_Diagnostik_Therapie_2012_verlaengert.pdf


Bildtext: Eine neue Erkenntnis besagt, dass Dopaminmangel im Gehirn auch die Interaktion zwischen MSNs und anderen Neuronen, sogenannten Fast-Spiking-Neuronen (FSN), stört – was zukünftig für die Behandlung von Parkinson-Patienten von großer Relevanz sein kann.

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