Dienstag, April 16, 2024

Photopharmakologie und Optochemogenetik

Durch Licht steuerbare Fettmoleküle nutzen: Photopharmakologie und die Optochemogenetik etablieren sich als neue biomedizinische Technologien.

Grazer Wissenschaftler konnte gemeinsam mit Kollegen des Forschungsverbundes BioTechMed-Graz und in enger Vernetzung mit Arbeitsgruppen an der Johannes Kepler Universität Linz und der Medizinischen Universität Wien ein völlig neuartiges Prinzip Methode zur Zellkontrolle mittels Licht entwickeln. Dabei werden künstliche Fettmoleküle zur Kontrolle von Zell- und Organfunktionen genutzt. Dieses zunehmend an Aktualität gewinnende Feld der sogenannten Photopharmakologie nutzt eben durch Licht schaltbare Moleküle (molekulare Lichtsensoren), um die präzise Kontrolle über biologische/pharmakologische Wirkungen zu erlangen. Die Forscher sehen darin einen wichtigen Ansatz zur Entwicklung neuer Therapiekonzepte. Ihre Forschungsergebnisse wurden nun im Journal Nature Chemical Biology publiziert.

Neue biomedizinische Technologien Photopharmakologie und Optochemogenetik

Methoden zur Kontrolle und Steuerung von Zell- und Gewebefunktionen durch Licht haben in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit erreicht und werden stetig weiterentwickelt. Die Möglichkeit des zeitlich und räumlich hochpräzisen Eingriffs in den Zellstoffwechsel mit optischen Methoden hat bahnbrechende Bedeutung in der Grundlagenforschung erlangt und wird zunehmend auch für Anwendungen in der Medizin, so z.B. für den effizienten und berührungsfreien Eingriff in Gehirn- und Herzfunktionen aber auch zur lokalen Steuerung von Immunzellen und damit zur Tumorbehandlung adaptiert.

„Die ursprünglich rein genetische Strategie (Optogenetik) ist mittlerweile um eine Reihe verwandter Technologien erweitert worden. Insbesondere die Photopharmakologie, also der Einsatz von lichtkontrollierten Pharmaka und die Optochemogenetik, bei der in bestimmten Körperzellen spezifische Sensitivität für photopharmakologische Intervention erzeugt wird, etablieren sich derzeit als neue biomedizinische Technologien“, erklärt Univ.-Prof. Mag. Dr. Klaus Groschner, Lehrstuhl für Biophysik an der Medizinischen Universität Graz. Diesen Ansatz verfolgen Klaus Groschner, Mag.a Dr.in Michaela Lichtenegger und Oleksandra Tiapko, Msc an der Med Uni Graz gemeinsam mit PD Mag. Dr. Toma Glasnov von Institut für Chemie der Karl-Franzens-Universität Graz im Forschungsverbund BioTechMed-Graz.

Grazer Entwicklung zur kontrollierten Zellsteuerung

Grazer Forscher haben in den letzten fünf Jahren haben die ein völlig neuartiges Prinzip für Photopharmakologie und Optochemogenetik entwickelt. „Wir nutzen künstliche, durch Licht steuerbare Fettmoleküle – sogenannte optisch schaltbare Lipide bzw. Photolipide – um Zell- und Organfunktionen gezielt kontrollieren zu können“, beschreibt Klaus Groschner das Verfahren. In der aktuellen wissenschaftlichen Arbeit wurden spezielle Lipidrezeptoren, Moleküle der TRP Ionenkanalfamilie, detailliert untersucht. „TRP-Kanäle bestehen aus verschiedenen Proteinen und sind entwicklungsgeschichtlich sehr alt und kommen beispielsweise schon in Hefezellen vor. Beim Menschen spielen sie vor allem in der Geschmackswahrnehmung sowie dem Temperatur- und Schmerzempfinden eine große Rolle“, erklärt Klaus Groschner.

So konnte mit Hilfe neu entwickelter Photolipide der Mechanismus der Lipidsensitivität dieser TRP-Kanäle aufgeklärt und aus diesem Wissen die Rezeptoren als Zielstrukturen für optische Interventionen – also durch Licht gesteuerte Eingriffe – etabliert werden. Die lipidempfindlichen TRP-Moleküle werden sowohl im Gehirn als auch im Herz-Kreislauf- und Immunsystem exprimiert und können durch gezielte genetische Veränderungen zu einem höchstempfindlichen (Super)rezeptor für künstliche Photolipide modifiziert werden, ohne dabei die Reaktion auf den normalen (physiologischen) Fettstoffwechsel wesentlich zu verändern. Damit erscheint eine weitere Stufe der Präzision und Spezifität der Zellsteuerung durch Licht erreicht.

„Die erhaltenen Erkenntnisse und die neu etablierte Technologie sollen nun zur Entwicklung von neuen Therapiekonzepten sowie raschen/hocheffizienten optischen Screeningverfahren in der Pharmakologie bzw. Arzneimittelentwicklung zum Einsatz kommen“, blickt Klaus Groschner in die Zukunft.

Literatur:

Journal Nature Chemical Biology https://www.nature.com/articles/s41589-018-0015-6

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