Donnerstag, April 18, 2024

Peitschenschlagsyndrom, Schleudertrauma, und Langzeitfolgen

Man kann die Spätfolgen nach einem Schleudertrauma (Peitschenschlagsyndrom) gut voraussagen, wenn man die betroffenen Personen kurz nach dem Unfall in Risikogruppen zuordnet.

Das Schleudertrauma oder Peitschenschlagsyndrom – meistens durch heftigen Sturz oder Auffahrunfall verursacht – ist eine Weichteilverletzung der Halswirbelsäule. Und die kann den ganzen Körper beeinträchtigen. Am häufigsten kommt es zu Schmerzen im Nacken, Schwindel und Kopfschmerzen. Da das Bindegewebe des Menschen eine Art Merkfunktion hat, kann ein Peitschenschlagsyndrom sehr langfristige Beschwerden bringen. Von besonderer Bedeutung ist, dass der Arzt mögliche Schleudertrauma-Spätfolgen bereits kurz nach dem Unfall antizipiert. Jüngst zeigten Akupunktur-Behandlungen bei Peitschenschlagsyndrom, Schleudertrauma, gute Ergebnisse.

 

Patienten mit Peitschenschlagsyndrom in Risikogruppen einteilen

Ein Peitschenschlagsyndrom oder Schleudertrauma kann neben den bereits erwähnten anhaltenden Schmerzen auch neurologische Probleme verursachen, die über viele Jahre hinweg bestehen bleiben können.

Durch die Einteilung in Risikogruppen kurz nach dem Unfall können Personen identifiziert werden, die besonders gefährdet sind, ein Peitschenschlagsyndrom zu entwickeln.

Das Schleudertrauma führt zu Funktionsstörungen und Symptomen im Bewegungsapparat. Dazu gehören anhaltende Nackenschmerzen, Steifheit, Schmerzen in Schulter und Gliedmaßen. Es kann außerdem zu Müdigkeit, Schwindel, Tinnitus, Schlafstörungen, Problemen mit der geistigen Leistungsfähigkeit, Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen und Sehstörungen kommen. Häufig treten auch Kribbeln, Ameisenlaufen, Prickeln oder Juckreiz auf.

Mehr als 70% der betroffenen Patienten klagen über Schwindel, und 50% haben Probleme mit Seh- und Gleichgewichtsstörungen, selbst wenn keine traumatische Hirnverletzung vorliegt.

 

Schleudertrauma Spätfolgen

Die Langzeitfolgen eines Peitschenschlagsyndroms oder Schleudertraumas wirken sich sowohl körperlich als auch psychosozial aus. Eine unlägst durchgeführte Studie der dänischen „Whiplash Study Group“ hat dies gezeigt.

Die Forscher um Dr. M.K. Rasmusen von der Universität Aarhus in Dänemark haben bereits vor einigen Jahren ein System entwickelt, um Patienten in Risikogruppen einzuteilen. Mit diesem System konnten sie nachweisen, dass ein Risikobewertungswert vorhersagen kann, ob Betroffene nach einem Jahr wieder arbeitsfähig sein werden oder nicht. Es lassen sich auch mögliche Langzeitfolgen abschätzen. Eine kürzlich erfolgte Aktualisierung soll helfen, die Behinderung aufgrund eines Schleudertraumas nach 12 bis 14 Jahren täglich oder wöchentlich vorherzusagen.

Für die Studie wurden 326 Personen befragt, die vor zwölf bis 14 Jahren ein Schleudertrauma erlitten hatten. Die Forscher erfassten chronische Schmerzen und andere nicht schmerzhafte Beschwerden. Sie berücksichtigten auch die verschriebenen Schmerzmittel sowie nichtmedizinische Behandlungen im Vergleich zur Zeit vor dem Unfall. Krankenstände wurden ebenfalls einbezogen, ebenso wie die subjektive Einschätzung der Betroffenen hinsichtlich der Auswirkungen des Unfalls.

Nach mehr als einem Jahrzehnt waren diejenigen Patienten am stärksten belastet, die bereits kurz nach dem Unfall der höchsten Risikogruppe zugeordnet worden waren. Diese Patienten litten signifikant häufiger an Schmerzen im Nacken, Kopf, Schultern, Armen und unteren Rückenbereich. Auch traten bei ihnen häufiger nicht schmerzhafte neurologische Symptome auf. Sie nahmen auch häufiger Schmerzmittel ein, angefangen von leichten Schmerzmitteln bis hin zu starken Opioiden, und hatten vermehrt mit posttraumatischen Stress-Symptomen zu kämpfen.

 

Faktoren für die Einteilung in Risikogruppen

Um die Unfallpatienten mit Peitschenschlagsyndrom in Risikogruppen einteilen zu können, ist eine klinische Untersuchung innerhalb von vier Tagen nach dem Unfall erforderlich. Im Wesentlichen bewerten Ärzte dabei folgende Faktoren:

  • Wie stark sind die Beschwerden. Es wird untersucht, wie stark die Symptome wie Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und neurologische Beschwerden ausgeprägt sind.
  • Welche Vorschäden sind vorhanden? Es wird überprüft, ob bereits vor dem Unfall bestehende Vorschäden im Bereich des Nackens oder der Wirbelsäule vorliegen.
  • Wie als ist die betroffene Person. Das Alter des Patienten sollte man ebenfalls berücksichtigen. Denn ältere Menschen sind möglicherweise anfälliger für langfristige Folgen eines Schleudertraumas.
  • Psychosoziale Faktoren berücksichtigen. Es wird auf mögliche psychosoziale Belastungen und Stressoren geachtet, die sich auf die Genesung auswirken könnten.
  • Welche Auswirkungen hat das Schleudertrauma auf den Alltag? Es wird untersucht, wie stark der Unfall die täglichen Aktivitäten und die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt.

Basierend auf diesen Faktoren können die Ärzte eine Risikoeinschätzung vornehmen und gegebenenfalls frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um die Patienten optimal zu unterstützen.

Besonders starke Nackenschmerzen, Kopfschmerzen und eine negative psychische Verfassung der Patienten sind wichtige Indikatoren, um festzustellen, ob jemand nach einem Schleudertrauma arbeitsunfähig wird.

 

Fazit

Die Studienergebnisse legen nahe, dass das Ausmaß der Nacken- und Kopfschmerzen sowie die psychische Verfassung einen erheblichen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit nach einem Schleudertrauma haben.

Patienten, die in der höchsten Risikogruppe eingestuft werden, sind einem höheren Risiko ausgesetzt, arbeitsunfähig zu sein. Diese Risikopatienten sollten daher eine gezieltere Unterstützung und Behandlung erhalten, um ihre Genesung zu fördern.


Literatur:

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Rasmussen MK, Kongsted A, Carstensen T, Jensen TS, Kasch H. Revisiting Risk Stratified Whiplash Exposed Subjects 12-14 years after Injury. Clin J Pain. 2020 Aug 20. doi: 10.1097/AJP.0000000000000877. Epub ahead of print. PMID: 32826406.

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Kasch H, Kongsted A, Qerama E, et al. A new stratified risk assessment tool for whiplash injuries developed from a prospective observational study. BMJ Open 2013;3:e002050; EAN 2016

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