Onkolytische Viren werden mittlerweile auf eine mögliche therapeutische Anwendung bei verschiedenen Tumoren getestet.
Viren mit einem lytischen Replikationszyklus können die von ihnen infizierten Zellen im Rahmen ihrer Vermehrung zerstören. Dies bewirkt normalerweise eine Schädigung des Wirtsorganismus. Allerdings wurde bereits Anfang des 20. Jahrhunderts bei Tierversuchen mit dem Vaccinia Virus, das als Lebendimpfstoff gegen Pocken eingesetzt wurde, beobachtet, dass auch infizierte Krebszellen von dieser lytischen Wirkung betroffen sind, und dass Onkolytische Viren das Wachstum von Tumoren durch die Infektion aufhalten können.
Seither befasst sich ein Teilgebiet der virologischen Forschung mit der Frage, ob Viren und der durch sie vermittelte zellzerstörende Effekt gezielt zur Bekämpfung von Malignomen eingesetzt werden können. In den letzten Jahren wurde nun bei einer solchen Behandlung bei Melanomen ein entscheidender Fortschritt erzielt, den wir zum Anlass nehmen möchten, über die onkolytische Virustherapie zu berichten.
Onkolytische Viren gegen Krebszellen
Um ein Virus zur Behandlung gegen Krebszellen einzusetzen, müssen Onkolytische Viren zuerst zur Lyse der infizierten Zellen führen. Durch genetische Modifikation kann man danach den Tropismus für Krebszellen erhöhen, damit möglichst wenig gesunde Zellen infiziert werden. Zudem können Onkolytische Viren soweit verändert werden, dass die Fähigkeit eine Erkrankung zu verursachen, abgeschwächt wird.
Krebszellen besitzen zum Teil Mechanismen, um der Erkennung durch das Immunsystem zu entgehen. Deshalb wird auch die Eigenschaft der Viren, eine Immunreaktion gegen die infizierten Krebszellen auszulösen, verstärkt. Deswegen können Onkolytische Viren durch die Infektion zusätzlich eine neuerliche Markierung und somit Revitalisierung der zellulären Immunreaktion gegen den Tumor bewirken.
Talimogen laherparepvec – T-Vec: Onkolytische Viren bei Melanomen erfolgreich
Das bei der erfolgreichen Behandlung von Melanomen eingesetzte Virus ist ein Herpes simplex Typ 1 Virus, das genau in diesem Sinne genetisch verändert wurde und den Namen Talimogen laherparepvec ( T-Vec, Imlygic® )
erhielt. Onkolytische Viren wurden dabei direkt in die Melanome der Haut lokal eingespritzt.
Interessanterweise wurde bereits bei der ersten Verwendung von T-Vec in Phase I und Phase II Studien bei Patienten mit fortgeschrittenen und nicht mehr resezierbaren Melanomen bereits gute Ansprechraten, im Sinne einer mindestens 6 Monate anhaltenden Stabilisierung oder Regression der tumorösen Läsionen, beobachtet. Bei einem Teil der Patienten kam es wahrscheinlich durch die virusvermittelte Immunaktivierung sogar zu einem vorübergehenden Rückgang von viszeralen Metastasen in Lunge, Leber und anderen Organen.
In einer großen randomisierten, offenen Phase III Studie mit 436 Patienten mit fortgeschrittenem Erkrankungsstadium wurde die positive Wirkung der onkolytischen Virustherapie mit T-Vec daraufhin bestätigt (Andtbacka RH et al., J Clin Oncol 2015: 2780-2788). Bei 16,3% der mit dem Virus behandelten Patienten kam es zu einem mindestens 6 Monate anhaltenden Rückgang der Läsionen, während nur 2,1% der Patienten in der Kontrollgruppe eine Besserung der Erkrankung zeigten.
Diese Ergebnisse führten im Anschluss zur Zulassung von T-Vec als erste onkolytische Virustherapie in den USA und in Europa, die für Patienten mit inoperablen Melanomen in fortgeschrittenen Erkrankungsstadien nun zur Verfügung steht. Inzwischen wird T-Vec in Kombination mit anderen Varianten der Immunotherapie erprobt. Dabei soll die durch den Tumor bewirkte Erschöpfung des Immunsystems, zusätzlich zu der virusvermittelten lokalen Immunstimulation, mit systemisch wirkenden Immunstimulatoren überwunden werden.
Ausblick
Diese erste klinisch anwendbare Therapie mit einem gentechnisch modifizierten Virus ist hoffentlich nur ein Vorreiter. Inzwischen wird nämlich eine Vielzahl unterschiedlicher Viren in Phase I und II Studien auf eine mögliche Verwendung als Therapeutika bei verschiedenen Tumoren, zum Teil mit bereits vielversprechenden Zwischenergebnissen, erprobt. Jedenfalls untermauern die bis jetzt publizierten Studienergebnisse die erstaunliche Tatsache, dass Viren, die als Wildvarianten dem Wirt schaden, durch den gezielten Einsatz von Gentechnik in wirksame Therapeutika verwandelt werden können.
Quelle:
VIRUSEPIDEMIOLOGISCHE INFORMATION NR. 01/18-8. PD Dr. Lukas Weseslindtner.
Department für Virologie der Med. Universität Wien.