Donnerstag, April 18, 2024

Nipah-Virus und Hendra-Virus sind tödlich wie Ebola

Hendra- und Nipah-Virus aus der Familie der Paramyxoviridae sind tödliche Krankheitserreger, die von Tier auf Mensch übertragen werden.

Auch Masern- und Mumps-Viren waren ursprünglich Krankheitserreger, die von Tier auf Mensch übertragen worden waren. Doch dann haben sie sich vor langer Zeit zu „erfolgreichen“ Krankheitserregern des Menschen entwickelt haben. Nipah-Virus und das Hendra-Virus gehören wie Masern- und Mumps-Virus zur selben Familie.

Im Mai 2018 kam es in Indien zum bislang letzten Ausbruch des Nipah-Virus – erneut mit zahlreichen Todesopfern. Bis dato lagen die Schauplätze aller bisherigen Nipah-Virus-Ausbrüche in Südostasien.

 

2014 verursachte das Nipah-Virus in Bangladesch zahlreiche Todesopfer

Mindestens 70 Menschen wurden 2013 in Bangladesch mit dem Nipah-Virus infiziert. 35 Menschen überlebten die Infektion mit diesem ­Virus nicht, wobei kein Zusammenhang mit infizierten Schweinen regis­triert werden konnte.

Bei dieser Nipah-Virus Epidemie erkrankten und starben hauptsächlich Kinder. Das Erscheinungsbild der Erkrankung war damals anders als 1998 anlässlich der Entdeckung und Benennung des Nipah-Virus in Malaysia. Während in Malaysia auch pulmologische Komplikationen häufig waren, war in Bangla Desh die Symptomatik fast ausschließlich neurologisch.

 

Nipah-Virus gehört zur selben Familie wie Hendra-, Masern- und Mumps-Virus

Das Nipah-Virus bildet gemeinsam mit seinem nahen Verwandten, dem australischen Hendra-Virus, eine neue Untergruppe innerhalb der Virusfamilie Paramyxoviridae. Zu dieser Familie zählen auch sehr bekannte Krankheitserreger des Menschen wie das Masern- und das Mumpsvirus, die Parainfluenzaviren und das Respiratory Syncytial Virus (RSV).

Im Gegensatz zu diesen weltweit verbreiteten Pathogenen werden Nipah- und Hendra-Viren aber nicht von Mensch zu Mensch übertragen. Beim Ausbruch des Nipah-Virus in ­Malaysia im Jahr 1998 – »Nipah« ist der Name des Dorfes, in dem die Erkrankung auftrat – ist das Virus von Schweinen auf den Menschen übertragen worden.

Das Hendra-Virus (»Hendra« ist ein Vorort von Brisbane) wurde im Jahr 1994 von infizierten Pferden auf Menschen übertragen.

Bei den aufgetretenen Infektionen in Bangladesch kamen diese Tiere als Infektionsquellen aber nicht in Betracht. Die natürlichen Wirte dieser Viren sind Großfledermäuse (Spezies Pteropus), die in Australien und Südasien leben. Diese Tiere sind zum Glück keine blutsaugenden Monster, sondern ernähren sich vegetarisch von Früchten (»fruit bat«).

Es wird angenommen, dass die Schweine und Pferde, von denen die früheren menschlichen Infektionen ausgingen, selbst Opfer einer Übertragung dieser Viren über mit Fleder­mauskot beschmutzte Früchte geworden waren.

Die Kinder damals in Bangladesch haben sich wahrscheinlich durch direkten Kontakt mit kontaminierten Früchten infiziert. Diese Beobachtung ist deshalb beunruhigend, weil sie zeigt, dass das Nipah-Virus die Speziesbarriere von seinem natürlichen Wirt, der Fledermaus, zum Menschen auch direkt überschreiten kann, ohne eine andere Säugetierart wie Schwein oder Pferd als Zwischenstufe zu benötigen.

 

Das Hendra- und das Nipah-Virus haben auch bewiesen, Speziesbarrieren überschreiten zu können

Sowohl das Hendra- als auch das Nipah-Virus haben also mehrfach bewiesen, Speziesbarrieren überschreiten zu können. Beide Viren rufen sehr schwere Erkrankungen beim Menschen hervor. Im Schnitt verlaufen zwei von fünf Infektionen mit diesen Viren tödlich. Da es bisher zu keinen Übertragungen von Mensch zu Mensch gekommen ist, ist eine rasche Ausbreitung wie beim SARS-Virus derzeit nicht zu befürchten.

Die unterschiedlichen klinischen Erscheinungsbilder und Übertragungswege, die bei den bisherigen Ausbrüchen beobachtet wurden, zeigen aber, dass diese Viren sich verändern und anpassen können. Auch das verwandte Masernvirus stammt wahrscheinlich ursprünglich aus einem tierischen Reservoir, nämlich dem Rind. Dieses Virus hat aber schon vor langer Zeit, als die Menschen mit der Rinderzucht begannen, die Speziesbarriere überschritten und sich zu einem äußerst »erfolgreichen« Krankheitserreger des Menschen entwickelt, der sehr effizient von Mensch zu Mensch übertragen wird.

Eine ähnliche Entwicklung ist daher auch für andere Viren nicht mit Sicherheit auszuschließen. Es gibt jedenfalls keinerlei spezifische ­Medikamente zur Behandlung von Infektionen mit dem Nipah-Virus.

An vorbeugenden Strategien gegen dieses Killervirus wird aber bereits gearbeitet. Begonnen hat das mit experimentellen Impfstoffen aus Frankreich und Malaysia, die man zuerst im Tiermodell erfolgreich testete. Im Jahr 2012 konnte man dann publizieren, dass ein US-Impfstoff gegen Infektionen mit dem Hendra-Virus auch gegen Infektionen mit dem verwandten Nipah-Virus gute Wirkung zeigte.


Literatur:

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http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1850894/


Quelle:

Univ.-Prof. DDr. Christian Mandl. Nipah-Virus-Infektionen. MEDMIX 04-05-2004.


Bild: Das Nipah-Virus wurde nach ­einem Ausbruch in Malaysia im Jahr 1998 zum ersten Mal beschrieben. Damals erkrankten hauptsächlich Erwachsene, die direkten Kontakt mit Schweinen hatten, von denen manche ebenfalls Krankheitssymptome zeigten.  © CDC/ C. S. Goldsmith, P. E. Rollin – [1] (CDC)

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