Mittwoch, April 24, 2024

Neurodermitis im Kleinkindalter erhöht ADHS-Risiko

Bereits eine leichte Neurodermitis im Kleinkindalter kann das Risiko für eine spätere Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) um 50 Prozent erhöhen.

Eine entzündete und juckende Haut, wie sie für Neurodermitis typisch ist, führt zur verstärkten Ausschüttung immunologischer Botenstoffe – den sogenannten Zytokinen. Wenn diese wiederum ins Gehirn gelangen, könnten sie möglicherweise jene Hirnstrukturen stimulieren, die auch eine Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) hervorrufen. Vor dem Hintergrund eines erhöhten ADHS-Risikos sollten Eltern schon geringe Anzeichen einer leichten Neurodermitis bei ihren Liebsten im Kleinkindalter, besonders in den ersten zwei Lebensjahren, vom Facharzt behandeln lassen.



 

Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitäts-Störung – ADHS

ADHS – die Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitäts-Störung, deren Entstehung und Entwicklung noch wenig geklärt ist, wobei eine starke genetische Komponente vermutet wird – ist eine psychiatrische Störung, die durch Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität gekennzeichnet ist und an der weltweit leiden etwa fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen leiden. Buben sind etwa vier- bis sechsmal häufiger betroffen als Mädchen. Erste Symptome treten in der Regel vor dem sechsten Lebensjahr auf und bestehen bei etwa 3 von 4 Betroffenen bis ins Erwachsenenalter.

ADHS beeinträchtig sehr Lebensqualität der Betroffenen und der Angehörigen. Sehr häufig ist die Erkrankung mit familiären Problemen, Schulversagen, Probleme im Beruf sowie mit Delinquenz und Drogenkonsum vergesellschaftet.

Untersuchungen des Gehirns von ADHS-Patienten zeigten eine veränderte Aktivität in bestimmten Regionen wie etwa dem präfrontalen Kortex. Der präfrontale Kortex ist maßgeblich für die Steuerung der Aufmerksamkeit und des zielgerichteten Handelns verantwortlich.

 

Neurodermitis ist eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung

Neurodermitis ist eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung und gilt als eine der häufigsten chronischen Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters, die oft bereits im ersten Lebensjahr auftritt. Charakteristisch für die Neurodermitis ist eine trockene, entzündliche Haut mit Flechten sowie ein stark quälender Juckreiz. Die Symptome der Neurodermitis, vor allem das Jucken und die damit einhergehenden Schlafstörungen, das Gefühl, entstellt zu sein sowie die Unvorhersagbarkeit des Krankheitsverlaufs stellen für die betroffenen Patienten und deren Angehörige eine starke psychische Belastung dar.

Neurodermitis entsteht durch viele Faktoren. Genetische und exogene Faktoren, aber insbesondere auch eine Regulationsstörung des Immunsystems sind beteiligt. Forschungsergebnisse zeigen, dass Neurodermitiker vermehrt immunologische Botenstoffe (Zytokine) ausschütten, die die Entzündungen in der Haut auslösen und aufrechterhalten.



 

Neurodermitis, Psyche und ADHS

Dass Neurodermitis in der frühen Kindheit die psychische Konstitution im Erwachsenenleben beeinflussen kann, wurde bereits 2010 in einer umfassenden Geburtenkohortenstudie nachgewiesen. Dabei zeigte ich auch bereits, dass leichte Neurodermitis im Kleinkindalter das Risiko für eine spätere ADHS um 50 Prozent erhöhet.

Jüngste Forschungsansätze weisen nun auf die möglichen zugrundeliegenden Prozesse hin. Dabei gehen Wissenschaftler davon aus, dass im Verlauf der Entzündungen in der Haut immunologische Botenstoffe – die sogenannten Zytokine, wie Interleukin-4 und Interleukin-5 – verstärkt freigesetzt werden. Diese Zytokine können die Blut-Hirn-Schranke passieren und zu Veränderungen zum Beispiel im präfrontalen Kortex führen. Der sich an der Stirnseite des Gehirns befindliche präfrontale Kortex ist bei ADHS ein sehr wichtiges Hirnareal.

Diese Zusammenhänge sind besonders in der frühen Kindheit, wenn der Reifungsprozess des Gehirns noch nicht abgeschlossen ist, von Bedeutung. Dies könnte auch den Zusammenhang einer frühkindlichen Neurodermitis mit einer späteren Erkrankung an ADHS erklären. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, auch leichtere Formen der Neurodermitis möglichst früh effektiv zu behandeln.

 

Aktuelle Forschung zu den Mechanismen, warum Neurodermitis das Risiko für ADHS erhöht

Warum und über welchen Mechanismus die Neurodermitis das Risiko für das ADHS erhöht, ist nach wie vor im Blickpunkt der Forschung. Heute geht man davon aus, dass im Verlauf der Entzündungen in der Haut immunologische Botenstoffe verstärkt freigesetzt werden.

Diese Zytokine, zum Beispiel Interleukin-4, Interleukin-5, können die Blut-Hirn-Schranke passieren. Und so können sie zu Veränderungen zum Beispiel im präfrontalen Kortex führen. Das ist wiederum bei ADHS ein wichtiges Hirnareal, das sich an der Stirnseite des Gehirns befindet. Dieser Effekt ist besonders in früher Kindheit, wenn der Reifungsprozess des Gehirns noch nicht abgeschlossen ist, von Bedeutung. Dies könnte erklären, warum gerade die frühkindliche Neurodermitis mit einer späteren Erkrankung an ADHS zusammenhängt.




Literatur:

Schmitt J, Apfelbacher C, Chen C-M, Romanos, M, Sausenthaler, S, Koletzko S, Bauer C-P. Hoffmann U, Krämer U, Berdel D, von Berg A, Wichmann H.-E, Heinrich J. Infant-onset eczema in relation to mental health problems at age 10 years. Results from a prospective birth cohort study (GINIplus). JACI 125 (2010), 404-410

 

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