Sonntag, März 17, 2024

Neuro-Filament im Bluttest weist frühzeitig auf Alzheimer hin

Ein Neuro-Filament im Bluttest ermöglicht ein frühes Alzheimer-Erkennen – lange vor dem Auftreten klinischer Symptome bereits in der präklinischen Phase.

Mehrere Jahre bevor erste Symptome einer Alzheimer-Erkrankung auftreten, verändert sich das Gehirn und baut dabei langsam Nervenzellen ab. Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), dem Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) und des Universitätsklinikums Tübingen zeigen nun, dass sich anhand im Blut vorkommenden Neuro-Filament-Eiweißstoffe der Krankheitsverlauf lange vor dem Auftreten der ersten klinischen Anzeichen genau verfolgen lässt. Dieser Bluttest bietet neue Möglichkeiten in der Therapieforschung. Die Studie wurde gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam durchgeführt und in der Zeitschrift „Nature Medicine“ veröffentlicht.

 

Bluttest schlägt Gehirnscans

„Dass es noch keine wirksame Therapie gegen Alzheimer gibt, hängt vermutlich damit zusammen, dass die bisherigen Therapien viel zu spät einsetzen“, sagt Mathias Jucker, Forscher am Tübinger DZNE-Standort, am HIH und Leiter der aktuellen Studie. Um bessere Behandlungsverfahren zu entwickeln, brauchen Wissenschaftler daher eine verlässliche Methode, mit der sie den Krankheitsverlauf verfolgen und vorhersagen können, bevor Symptome wie Gedächtnisstörungen einsetzen. Ein Bluttest eignet sich dazu viel besser, als beispielsweise teure Gehirnscans.

In jüngster Zeit wurden bei der Entwicklung solcher Bluttests einige Fortschritte erzielt. Die meisten dieser Verfahren beruhen auf dem Nachweis sogenannter Amyloid-Proteine. Bei einer Alzheimer-Erkrankung sammeln sich diese Proteine im Gehirn an und sie treten auch im Blut auf. Jucker und Kollegen verfolgen jedoch einen anderen Ansatz. „Unser Bluttest misst nicht das Amyloid, sondern das, was es im Gehirn anrichtet, nämlich Neurodegeneration. Anders gesagt: den Tod von Nervenzellen“, sagt Jucker.

 

Neuro-Filament-Stückchen im Bluttest erkennbar

Wenn Hirnzellen absterben, lassen sich ihre Überreste im Blut nachweisen. Normalerweise werden solche Proteine im Blut aber schnell abgebaut und eignen sich daher nicht sehr gut als Marker für eine neurodegenerative Erkrankung. Eine Ausnahme bildet jedoch ein kleines Neuro-Filament-Stückchen, das gegen diesen Abbau erstaunlich resistent ist.

Auf diesem Neuro-Filament-Stückchen – einem Eiweißstoff – basiert der neue Bluttest von Jucker und Kollegen. In der aktuellen Studie zeigen die Wissenschaftler, dass sich das Neuro-Filament schon lange vor dem Auftreten klinischer Symptome – also bereits in der sogenannten präklinischen Phase – im Blut anreichert. Dann spigelt es sehr empfindlich den Verlauf von Alzheimer wider und ermöglicht Vorhersagen über künftige Entwicklungen.

Die Studie beruht auf Daten und Proben von 405 Personen, die im Rahmen eines internationalen Forschungsverbunds – dem „Dominantly Inherited Alzheimer Network“ (DIAN) – erhoben wurden. Beteiligt sind neben dem DZNE, dem HIH und dem Universitätsklinikum Tübingen auch die Washington University School of Medicine in St. Louis (USA) sowie weitere Einrichtungen in aller Welt. Dieses Netzwerk untersucht Familien, bei denen aufgrund genetischer Veränderungen eine Alzheimer-Erkrankung schon im mittleren Alter auftritt. Genetische Analysen erlauben recht genaue Vorhersagen darüber, ob und wann ein Familienmitglied an Demenz erkranken wird.

 

Neuro-Filament-Stückchen als Vorboten einer Demenz

Bei diesen Personen verfolgten Jucker und Kollegen die Entwicklung der Neuro-Filament-Konzentration von Jahr zu Jahr. Dabei stellten sie fest: Bis zu 16 Jahre vor dem errechneten Eintreten von Demenzsymptome gab es im Blut auffällige Veränderungen. „Es ist nicht der absolute Wert der Filament-Konzentration, sondern deren zeitliche Entwicklung, die wirklich aussagekräftig ist und Vorhersagen über den weiteren Krankheitsverlauf erlaubt“, sagt Jucker.

In weiteren Untersuchungen zeigten die Wissenschaftler, dass die Veränderung der Neuro-Filament-Konzentration den neuronalen Abbau sehr exakt widerspiegelt und gute Prognosen darüber erlaubt, wie sich das Gehirn in den nächsten Jahren entwickeln wird. „Wir konnten Vorhersagen über den Verlust von Hirnmasse und über kognitive Beeinträchtigungen machen, die dann zwei Jahre später tatsächlich eingetreten sind“, so Jucker.

Während sich also herausstellte, dass die Veränderungsrate der Neuro-Filament-Konzentration und der Abbau von Hirngewebe eng miteinander korrelierten, war der Zusammenhang mit der Ablagerung toxischer Amyloid-Proteine weit weniger ausgeprägt. Diese Beobachtung stützt die Annahme, dass Amyloid-Proteine zwar ein Auslöser der Erkrankung sind. Der neuronale Abbau im weiteren Verlauf erfolgt jedoch unabhängig.

 

Werkzeug für die Therapieforschung

Nicht nur bei Alzheimer, auch im Zuge weiterer neurodegenerativer Erkrankungen kommt es im Blut zur Anreicherung von Neurofilamenten. Damit eignet sich der Test nur bedingt zur Diagnose von Alzheimer. „Der Test zeigt aber sehr genau den Krankheitsverlauf an und ist damit ein ausgezeichnetes Werkzeug, um in klinischen Studien neue Alzheimer-Therapien zu erforschen“, sagt Jucker.

Literatur:

Preische O, Schultz SA, Apel A, et al. (2019): „Serum neuro-filament dynamics predicts neurodegeneration and clinical progression in presymptomatic Alzheimer’s Disease“, Nature Medicine, DOI: 10.1038/s41591-018-0304-3

Quelle: Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)

Related Articles

Aktuell

Depressive Störung im Alter rechtzeitig erkennen und wirksam behandeln

Eine depressive Störung im Alter kann man durchaus erfolgreich behandeln. Bedeutend ist eine rechtzeitige Diagnose und das Erkennen der Ursachen. Laut demoskopischer Voraussagen sind wir eine Bevölkerung,...
- Advertisement -

Latest Articles

Intermittierendes Fasten gegen Diabetes und Fettleibigkeit

Intermittierendes Fasten ist vielversprechend gegen Diabetes und Fettleibigkeit. Wobei man trotz Schummeltagen von den Vorteilen profitieren kann. Aktuelle Forschungen beleuchten die positiven Effekte, die Intermittierendes...

Zervikale Bandscheibenprothese: zukunftsweisende Behandlung für Bandscheibenvorfälle

Die Behandlung mit einer zervikalen Bandscheibenprothese ist eine zukunftsweisende Therapie für Bandscheibenvorfälle. In Europa ist die anteriore Diskektomie und Fusion, oft durchgeführt mit einem Cage,...

Gesunde Wirkungen der Katzenkralle: gegen Rheumatoide Arthritis, Entzündungen bei vielen anderen Erkrankungen

Die südamerikanische Heilpflanze Katzenkralle, Uncaria tomentosa, zeigt Wirkung bei Patienten mit rheumatoider Arthritis und verbessert die eingeschränkte Beweglichkeit. Die Katzenkralle – auch als Krallendorn oder...