Nach einem Muskelfaser-Riss sollten Profisportler nicht zu schnell in den Profisport zurückkehren und eine angemessene Rehabilitation geduldig hinnehmen.
Finn Lemke ist Handballprofi beim Bundesligaclub MT Melsungen und gehört der Handballnationalmannschaft an. Er bestritt bisher 63 Länderspiele. 2016 wurde er mit der deutschen Mannschaft Europameister. Im selben Jahr gewann ber ei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro mit der Nationalmannschaft die Bronzemedaille. 2016 wurde er mit dem SC Magdeburg auch DHB-Pokalsieger. Unlängst hat sich Finn Lemke zuerst einen Muskelfaser-Riss und nach schneller Team-Rückkehr eine Muskelfaser-Zerrung zugezogen. Seine Lektion nach der doppelten Verletzungspause: nicht zu schnell zu viel wollen. Rehabilitation braucht Zeit.
Muskelfaser-Riss im Oberschenkelbeugemuskel
Es ist eine Standardsituation beim Training mit Angriff und Absprung, als Lemke nach einem Schubser die Balance verliert und zu Boden geht. Der Schmerz, der dabei in seinen linken, hinteren Oberschenkel schießt, lässt keinen Zweifel daran, dass die Verletzung schwerwiegend ist.
„Ich wusste sofort, dass das keine Bagatelle ist“, sagt Lemke rückblickend. „Der Schmerz war einfach zu einschneidend, als dass er sich schnell wieder verziehen würde.“ Die Magnetresonanztomografie(MRT)-Untersuchung ergibt einen Muskelfaser-Riss im Oberschenkelbeugemuskel.
Muskelverletzungen im Profisport sehr häufig
Muskelverletzungen sind ein zentrales Problem im Profisport, das sich auch trotz intensiver Prävention, dauernder Physiotherapie und speziellem Training nicht einfach verhindern lässt. Die meisten Muskelverletzungen sind Muskelfaser-Zerrung oder Muskelfaser-Riss, selten ein kompletter Muskelriss.
„Zuerst ist man völlig niedergeschmettert und will die Verletzung nicht wahrhaben“, sagt Lemke. „Eine Verletzungspause bedeutet kein gemeinsames Training mehr, kein Wettkampf mehr und ein mühevoller Weg zurück in die Mannschaft. Das ist eine Katastrophe für den Verein, weil es unsere Erfolgschancen mindert. Und natürlich auch eine Katastrophe für mich selbst, weil ich nicht weiß, wie schnell ich wieder fit sein werde und ob die Rehabilitation glatt verlaufen wird.“
Aufbautraining – Rehabilitationsprogramm
Der 2,10 Meter große Lemke spielt im linken Rückraum und hat eine tragende Rolle in der Abwehr. Dr. Gerd Rauch, DKOU-Kongresspräsident 2018 für den BVOU und Mannschaftsarzt der MT Melsungen behandelt Lemkes Verletzung und entwickelt zusammen mit den Physiotherapeuten und Krafttrainern des Bundesligavereins ein Rehabilitationsprogramm.
Statt wie üblich neun Einheiten an sechs Tagen zu trainieren, belastet Lemke das Bein in der ersten Woche zunächst nur teilweise. In der zweiten Woche trainiert er dann angepasst an den Schmerz im vollen Umfang. Er macht zudem ein Dehnungs- und Krafttraining für den Oberkörper. Ab der dritten Woche absolviert Lemke ein leichtes Lauftraining mit Stabilisierungs- und Dehnungsübungen. Das geschieht alles in enger Absprache und Überwachung mit dem Mannschaftsarzt, dem Betreuungsteam und dem Trainer. Mit Beginn der vierten Woche ist Lemke schmerzfrei und trainiert wieder mit der Mannschaft.
Muskelfaser-Zerrung nach Muskelfaser-Riss
„Ich habe aus persönlichem Ehrgeiz mehr gemacht als ich sollte und mich beim Zeitplan sehr unter Druck gesetzt“, sagt Lemke. „Ich wollte einfach so schnell wie möglich wieder spielen. Das hat sich nicht ausgezahlt.“ Am Ende der vierten Woche nimmt der Handballprofi wieder an einem Wettkampf teil. Das Spiel verläuft ohne Zwischenfälle.
„Es ist dann beim ersten Training nach dem ersten Spiel passiert“, sagt Lemke. „Wir sind mit kurzen Tempowettläufen gegeneinander angetreten und ich wollte mit einem großen Ausfallschritt als Erster ins Ziel kommen. Da war er dann wieder. Dieser starke tief sitzende Schmerz im hinteren, linken Oberschenkel. Ich war in dem Moment völlig niedergeschmettert, wütend und zutiefst enttäuscht“, beschreibt der Handballprofi seine Gefühle.
„Es war zum Glück kein Muskelfaser-Riss, sondern nur eine Muskelfaser-Zerrung an einem anderen Oberschenkelbeugemuskel, nicht an der ursprünglich verletzten Stelle.“ Allerdings ist Lemke klar, was das bedeutet: wieder eine verletzungsbedingte Pause, wieder Rehabilitation und wieder kein Training mit der Mannschaft und keine Wettkämpfe.
Ausreichend lange Rehabilitation
Zur Vermeidung einer erneuten Verletzung beim nächsten Einsatz werden für die Rehabilitation diesmal viereinhalb Wochen angesetzt, obwohl die Verletzung weniger schwerwiegend ist. Schließlich hat Lemke daraus gelernt. „Man darf nicht zu schnell zu viel erreichen wollen“, sagt der Abwehrspieler. „Ich wollte so schnell wie möglich wieder spielen und bin dabei eindeutig über das Ziel hinausgeschossen.“
Quelle:
Statement » Return-to-Play: So gelingt der sportliche Wiedereinstieg nach einer Verletzung « – Fallbeispiel Finn Lemke, Handballprofi bei der MT Melsungen, Deutsche Handball-Nationalmannschaft beim Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU), Oktober 2018, Berlin