Samstag, April 20, 2024

Menopausale Hormonersatztherapie

Die Menopausale Hormonersatztherapie stellt die effizienteste Therapie bei Hitzewallungen und anderen Symptomen des klimakterischen Syndroms dar.

Die Geschichte der Hormonersatztherapie: Zwischen Euphorie und Ernüchterung. Vor rund 20 Jahren trat die Hormonersatztherapie ihren Siegeszug an. Wechselbeschwerden, die als Folge der veränderten Hormonlage nach der Menopause (= letzte Menstruationsblutung) die Lebensqualität vieler Frauen beeinflussen, schienen durch die medikamentöse Substitution der fehlenden Hormone ein für alle Mal der Vergangenheit anzugehören. Auch die gefürchteten Langzeitfolgen des postmenopausalen Hormonmangels wie Osteoporose und die Erhöhung des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen schienen durch die MHT (= menopausale Hormontherapie; früher: HRT) gebannt. Die Euphorie war grenzenlos: Es schien ein „Jungbrunnen“ gefunden, der Frauen jugendliches Aussehen sowie ein weitgehend beschwerdefreies und gesundes Leben bis ins hohe Alter verhieß.

Doch vor etwas mehr als zehn Jahren kam die große Ernüchterung: Die WHI-Studie („Women’s Health Initiative“) schien zu belegen, dass der Einsatz von Östrogenen und Gestagenen lebensgefährliche Nebenwirkungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Thrombose, Brustkrebs haben kann – und das in unerwartetem Ausmaß. Dies führte dazu, dass die Hormonersatztherapie ziemlich in Verruf geriet.

In der Zwischenzeit wurden zahlreiche Studien durchgeführt, die diese Ergebnisse relativieren. Nun ist es Zeit, die Dinge richtigzustellen und mit Mythen aufzuräumen. Das aktuelle Konsensuspapier – herausgegeben von der Österreichischen Menopausegesellschaft und der Österreichischen Gesellschaft für Sterilität, Fertilität und Endokrinologie – fasst den aktuellen Stand der Forschung zu diesem Thema zusammen und soll ÄrztInnen in der Praxis dabei unterstützen, die richtige, für die jeweilige Patientin individuelle Therapie zu erstellen.

 

Warum wird die WHI-Studie heute in einem anderen Licht gesehen?

In der WHI-Studie waren 70% der einbezogenen Frauen bei Beginn der Menopausalen Hormonersatztherapie bereits über 60 Jahre alt und hätten aufgrund fehlender menopausaler Beschwerden (lediglich 10%) sowie bestehender Vorerkrankungen sowie Kontraindikationen gar keine Menopausale Hormonersatztherapie erhalten sollen. Rezentere Publikationen, Leitlinien und Expertenmeinungen kommen heute zu dem Schluss, dass bei frühem Therapiebeginn – idealerweise innerhalb der ersten Monate nach der Menopause – bei differenzierter Indikationsstellung und Berücksichtigung des individuellen Beschwerde- und auch Risikoprofils eindeutig der Nutzen der Menopausalen Hormonersatztherapie gegenüber potenziellen Risiken überwiegt. Bei MHT-Anwenderinnen ist darüber hinaus die Gesamtmortalität niedriger als ohne Menopausale Hormonersatztherapie.


Menopausale Hormonersatztherapie – 
Update Leitlinien 2016


Welche Frauen kommen für die Behandlung in Frage?

Man muss sich an den Hormonmangelsymptomen orientieren; es hängt ausschließlich von den körperlichen und psychischen Symptomen und nicht vom Lebensalter der Frau ab.

Die Menopausale Hormonersatztherapie stellt die effizienteste Therapie bei Hitzewallungen und Schweißausbrüchen, urogenitalen und psychischen Symptomen des klimakterischen Syndroms dar. Zusätzlich ist die MHT hinsichtlich präventiver Wirkung zur Prophylaxe der Osteoporose als Second-Line-Therapie zugelassen.


Dauer, Zeitpunkt, Dosierung und Applikation der Menopausalen Hormonersatztherapie

Prinzipiell orientieren sich Art, Dauer, Dosierung und Darreichungsform der Menopausalen Hormonersatztherapie immer an dem Beschwerdebild und der subjektiven Befindlichkeit der Patientin. Aus diesem Grund sollte jede MHT mit einer individuell niedrigen Dosis begonnen und die Dosis entsprechend der Symptomintensität angepasst werden. Aufgrund des Sicherheitsprofils von Dydrogesteron und mikronisiertem Progesteron werden die zwei Gestagene als bevorzugte Gestagene für Frauen mit Gebärmutter von der IMS (International Menopause Society) und der EMAS (European Menopause and Andropause Society) empfohlen. In einer rezenten Studie konnte gezeigt werden, dass eine sog. „ultra-low-dose“ MHT, d.h. 0,5mg Estradiol / 2,5mg Dydrogesteron, durchaus effektiv in Bezug auf eine Reduktion vasomotorischer Beschwerden und eine Verbesserung der Lebensqualität bei gleichzeitig hoher Amenorrhoe-Rate und guter Verträglichkeit ist.


Wirkung der Menopausalen Hormonersatztherapie auf das Herz-Kreislauf-System

Das sogenannte Window of Opportunity (= Beginn der Therapie vor dem 60. Lebensjahr oder in den ersten zehn Jahren nach der Menopause) wirkt sich günstig auf die Herz-Kreislauf-Situation aus, sodass die Menopausale Hormonersatztherapie hier potenziell als kardioprotektiv einzustufen ist.


Wirkung der Menopausalen Hormonersatztherapie auf den Knochen

Die MHT ist bezüglich der Prävention von osteoporotischen Frakturen bei Frauen mit erhöhtem Risiko vor dem 60.Lebensjahr oder innerhalb von zehn Jahren nach der Menopause effektiv und angemessen.

Die unbegründet frühzeitige Beendigung einer Menopausalen Hormonersatztherapie führt logischerweise nach einer etwa zweijährigen Latenzzeit wieder zu einem Anstieg von Fragilitätsfrakturen inklusive Hüftfrakturen und sollte daher vermieden werden.


Wirkung der Menopausalen Hormonersatztherapie auf das Mammakarzinom

Die derzeitige Datenlage spricht gegen den Einsatz einer Menopausalen Hormonersatztherapie, wenn eine Frau bereits an Brustkrebs erkrankt ist oder war. Es gibt jedoch keinen Beweis, dass eine Menopausale Hormonersatztherapie kausal Brustkrebs auslösen könnte. Das mit der Menopausalen Hormonersatztherapie assoziierte Brustkrebsrisiko ist ein komplexes Thema und hängt in erster Linie von individuellen Risikofaktoren und dem Lebensstil ab. Übermäßiger Alkoholgenuss (mehr als zwei Gläser pro Tag) und mangelnde körperliche Betätigung können zu einem vielfach erhöhten Brustkrebsrisiko führen, während die absolute Risikoerhöhung durch eine Menopausale Hormonersatztherapie als gering einzustufen ist.

Die Wahl des eingesetzten Gestagens sowie die Anwendungsdauer sind wichtige Einflussfaktoren, während es zwischen oraler und transdermaler Applikation keinen Unterschied hinsichtlich des Brustkrebsrisikos zu geben scheint. Eine kombinierte Menopausale Hormonersatztherapie kann das Brustkrebsrisiko unter Umständen erhöhen, wobei Dydrogesteron und mikronisiertes Progesteron mit einem niedrigeren oder keinem erhöhten Risiko verbunden sein dürften.

Die absolute Risikoerhöhung durch Menopausale Hormonersatztherapie ist gering und das Risiko verringert sich weiter nach Behandlungsende.

 

Resümee zur Menopausalen Hormonersatztherapie

Die Menopausale Hormonersatztherapie stellt nach wie vor die wirksamste Methode zur Behandlung klimakterischer Beschwerden dar. Sie muss dabei an die individuelle Situation der Patientin angepasst werden: Sie sollte, solange die Beschwerden andauern, mit der individuell niedrigst möglichen Dosis durchgeführt werden.

Bei strenger Indikationsstellung und Berücksichtigung individueller Faktoren überwiegt der Nutzen der differenzierten Menopausalen Hormonersatztherapie mit großer Wahrscheinlichkeit die damit verbundenen Risiken bei symptomatischen Frauen (= Frauen, die unter Wechselbeschwerden leiden), wenn die MHT vor dem 60. Lebensjahr bzw. innerhalb von zehn Jahren nach der Menopause („Window of opportunity“) zum Einsatz kommt.

Quelle: „Neueste Erkenntnisse zur menopausalen Hormonersatztherapie MHT“. Statement von Univ.-Prof. Dr. Hans-Christian Egarter, Univ.-Klinik für Frauenheilkunde, Leiter: Klinische Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, AKH – Medizinische Universität Wien –Österreichische Gesellschaft für Sterilität, Fertilität und Endokrinologie zu „Mythen versus neueste Erkenntnisse zur Hormonersatztherapie“, April 2016

http://www.medical-media-consulting.at/pressroom/oesterr._menopauseges._u._oesterr._ges._f._sterilitaet_fertilitaet_endokrinologie/2016_04_28_pk_mythen_vs_erkenntnisse_mht/oesterreichisches_konsensuspapier_hormonersatztherapie.pdf

http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(14)61687-1/abstract

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