Mittwoch, April 24, 2024

Medulloblastom-Variante mit besonders guten Heilungschancen entdeckt

Das Medulloblastom ist oft heilbar, jedoch leiden viele Patienten lebenslang an den Folgen der Behandlung. Doch es scheint schonendere Therapien zu geben.

Das Medulloblastom ist der häufigste bösartige Hirntumor bei Kindern, der jedoch in vielen Forscher heilbar ist. Dazu ist allerdings eine sehr aggressive Behandlung nötig, die schließlich bei vielen Patienten ernsthafte lebenslange Spätfolgen verursacht.

Jetzt haben Wissenschaftler der Universität Bonn gemeinsam mit Kollegen aus England, Frankreich und Schweden eine Medulloblastom-Form identifiziert, die besonders gute Heilungschancen aufweist. Rund 20 Prozent der Betroffenen könnten deswegen zukünftig mit einer deutlich schonenderen Therapie behandelt werden.

 

Medulloblastom mit Operation, Strahlen- und Chemotherapie behandeln

Vor allem Kinder und Jugendliche entwickeln ein Medulloblastom, einer Tumorerkrankungen des Kleinhirns. Eine Kombination aus Operation, Strahlen- und Chemotherapie bringt heutzutage bei zwei von drei Patienten eine Heilung. Allerdings verursacht dieses Therapieregime häufig erhebliche Spätfolgen. „Durch die intensive Therapie wird das sich noch in der Entwicklung befindliche Gehirn oft irreparabel geschädigt“, erklärt Prof. Dr. Torsten Pietsch vom Institut für Neuropathologie der Universität Bonn. „Als Spätfolge leiden die überlebenden Patienten oft lebenslang unter der Beeinträchtigung ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit.“

 

Spezielle Patientengruppen identifizieren

Der Begriff Medulloblastom bezeichnet eine Gruppe unterschiedlicher Krebsarten. Bereits vor fast 20 Jahren wurde eine seltene knotenförmige Variante entdeckt, die speziell bei Kleinkindern vorkommt. Diese Tumoren sprechen meist so gut auf eine medikamentöse Behandlung an, wodurch keine zusätzliche Strahlentherapie nötig wird. Mittlerweile hat eine weitere Gruppe betroffener Kinder mit höherem Alter identifiziert, die auch eine sehr gute Prognose hat. Schließlich sollen auch diese Kinder – etwa 10 Prozent aller Erkrankten – zukünftig schonender behandelt werden werden können.

„Beim großen Rest – immerhin mehr als 80 Prozent – war es bisher dagegen nicht möglich, das Ansprechen auf die Therapie vorherzusagen“, sagt Pietsch. „Daher sind in diesen Fällen eine intensive Bestrahlung und Chemotherapie nach dem aktuellen Forschungsstand unverzichtbar.“

 

Neue Medulloblastom-Variante mit fast 100 Prozent Heilungschance entdeckt

Nun haben die Forscher eine neue Medulloblastom-Variante identifiziert, die besonders gute Heilungschancen aufweist. Dazu hatten sie die Tumoren von Teilnehmern einer europaweiten Medulloblastom-Behandlungsstudie untersucht. „Wir haben in einem Teil der Tumoren charakteristische Veränderungen in der Anzahl der Chromosomen gefunden“, erklärt Dr. Tobias Goschzik vom Institut für Neuropathologie. Menschliche Zellen enthalten normalerweise 23 Chromosomen, und zwar jedes von ihnen doppelt. Zusammen enthalten sie die komplette Erbinformation. In den Tumorzellen lag eines von ihnen – das Chromosom 7 – häufig gleich dreifach vor. Von zwei anderen – den Chromosomen 8 und 11 – gab es dagegen oft nur eine Version.

Das Interessante daran war, dass die Standardtherapie die Erkrankten mit diesen chromosomalen Auffälligkeiten in fast 100 Prozent der Fälle heilen konnte. Bei den restlichen Betroffenen lag die Heilungschance dagegen nur bei 64 Prozent. „Möglicherweise bedeutet das, dass man Patienten mit diesem Typus eines Medulloblastoms weniger aggressiv therapieren kann“, hofft Pietsch. „Ob das stimmt, muss sich allerdings zunächst noch in Behandlungs-Studien zeigen.“

In der Studie konnten die Tumoren von insgesamt 136 Kindern und Jugendlichen untersucht werden. Ausgeschlossen waren Betroffene, die an einer besonders aggressiven Form der Erkrankung litten. „Wenn wir unsere Zahlen auf alle Patienten hochrechnen, gehen wir davon aus, dass rund 20 Prozent unter der von uns identifizierten Variante leiden“, sagt Pietsch. Die Ergebnisse wurden inzwischen mit einer zweiten Patientengruppe aus dem englischen Newcastle verifiziert.

In einem nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler nun untersuchen, warum Tumoren mit einer veränderten Chromosomenzahl so viel besser auf die Therapie ansprechen. Langfristig könnten daraus auch neue zielgerichtete Behandlungsmöglichkeiten erwachsen.

Literatur:

Tobias Goschzik, Edward Schwalbe, Debbie Hicks, Amanda Smith, Anja zur Muehlen, Dominique Figarella-Branger, François Doz, Stefan Rutkowski, Birgitta Lannering, Torsten Pietsch, Steven Clifford: Prognostic effect of whole chromosomal aberration signatures in standard-risk non-WNT/non-SHH medulloblastoma: a retrospective molecular analysis of the HIT-SIOP-PNET4 clinical trial. Lancet Oncology 2018, DOI: 10.1016/S1470-2045(18)30532-1

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